Schließung nach 304 Jahren 

Einhorn-Apotheke verabschiedet sich mit Traueranzeige

Lippstadt / Düsseldorf - 07.06.2017, 16:00 Uhr

Die historische Einrichtung der Apotheke wird an Ort und Stelle bleiben. (Foto: Einhorn-Apotheke)

Die historische Einrichtung der Apotheke wird an Ort und Stelle bleiben. (Foto: Einhorn-Apotheke)


Am 31. Mai beendete Apotheker Merten Thurmann im nordrhein-westfälischen Lippstadt eine über 300 Jahre alte Tradition. Die unter Denkmalschutz stehende Einhorn-Apotheke hat den Betrieb eingestellt. Zum Abschied schaltete der Apotheker selber eine Traueranzeige, adressiert an Politiker, Krankenkassen und andere.

„Es gibt zwei Gründe, warum ich die Apotheke geschlossen habe: Zum einen aus Altersgründen, ich bin jetzt 65 Jahre alt. Zum anderen, weil ich einfach keine Lust mehr habe auf das ganze Theater mit Rabattverträgen, Bürokratie und alldem, was uns Politik, Krankenkassen, Standesvertreter und sonstige aufbürden“, sagt Merten Thurmann, Inhaber der Einhorn-Apotheke in der nordrhein-westfälischen 66.000-Einwohner-Stadt Lippstadt. Seit dem 1. Juni 2017 sind die Türen der Apotheke mit 304-jähriger Geschichte endgültig geschlossen. Thurmann zieht sich in den Ruhestand zurück und seine letzte Mitarbeiterin, die über 40 Jahre für ihn gearbeitet hat, gehe ebenfalls bald in Rente, sagt er.

Nun wolle er sich nur noch um die Abwicklung der historischen Apotheke kümmern, sagt er. „Das Haus steht auch zum Verkauf“, sagt der Apotheker. Zum Schluss hat er nochmal eine Art Denkzettel verteilt. „Ich habe in der Lokalzeitung, dem Patrioten, eine Anzeige aufgegeben, in der Art einer Traueranzeige“, sagt der Apotheker. Darin habe er seinen Stammkunden gedankt, aber auch deutliche Kritik geübt an allen, die die heutige Situation der Apotheker verschuldet hätten. „Vor lauter Bürokratie, Rabattverträgen und alle dem kommt man kaum noch zu dem, was das Wesentliche am Beruf des Apothekers ist: Zeit zu haben für das Wohl der Patienten“, sagt Thurmann.

Historische Einrichtung steht unter Denkmalschutz und bleibt

Jetzt werde er sich erst einmal ein paar Tage Ruhe gönnen und wegfahren, dann wolle er sich weiter darum kümmern, die Apotheke aufzulösen. Die schöne historische Einrichtung werde aber an Ort und Stelle bleiben. „Das ist aus Rosenholz im neugotischen Stil, Das gibt es in ganz Deutschland wahrscheinlich nicht noch mal so“, sagt er. Außerdem stehe die Einrichtung aus der Zeit um 1880 so wie die Apotheke unter Denkmalschutz. Was nun daraus werden solle, weiß er noch nicht. „Ich habe bei der Stadt Lippstadt bereits ein paar Mal nachgefragt, was man da machen wolle und auch bereits viele verschiedene Vorschläge gemacht“, sagt Thurmann. Bislang habe es aber noch von keiner Seite Konkretes gegeben.

Eine Weiterverwendung wie im Fall der historischen Goethe-Apotheke im sächsischen Bautzen kann der Apotheker sich etwa vorstellen. Dort wurde das gesamte alte Apotheken-Haus in ein Hotel umgewandelt. Die Einrichtung ist dort nun Bestandteil des hoteleigenen Cafés. 

1712 erhielt der erste Apotheker das Privileg

Erst im Jahr 2012 feierte die Einhorn-Apotheke ihr 300-jähriges Bestehen. Sie war bislang das älteste Geschäft in der westfälischen Stadt. Am 14. Oktober 1712 erteilte König Friedrich I., von Preußen dem ersten Apotheker Bernhardt Drave das Privileg. Die Apotheke befindet sich heute noch im selben Haus an der Lange Straße Nr. 11, in der sie auch gegründet wurde. Der erste Apotheker war 41 Jahre lang im Dienst, der letzte nun, Thurmann, führte sie insgesamt 33 Jahre lang. 1983 hatte der Apotheker, der aus einer der ältesten Lippstädter Familien stammt, sie von seinem Vorgänger gekauft. Bereits den 275. Geburtstag der Offizin hatte er im Jahr 1987 feiern können.

Quelle: Einhorn-Apotheke
Die historische Einhorn-Apotheke

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts musste die Apotheke bereits kämpfen

Die historische Apotheke findet sich ebenso etwa im Denkmalkalender aus dem Jahr 2014 der Arbeitsgemeinschaft historische Stadtkerne wieder, wie auch als Schauplatz im historischen Heimatroman „Die Gunst der Königin“ der in Lippstadt lebenden Autorin Rita Maria Fust . Darin beschreibt sie unter anderem, wie sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Apotheker der Engel-, der Adler- und der Einhorn-Apotheke einen harten Konkurrenz-Kampf lieferten. Damals war die Stadt nach dem Siebenjährigen Krieg verarmt und konnte sich – so beschreiben es die Historiker – „den Luxus von drei Apotheken“ nicht leisten. 1806 gab dann die damalige Adler-Apotheke auf. Die Engel-Apotheke, ebenfalls an der Lange Straße, schloss im Jahr 1994 nach über 150 Jahren ihre Pforten. Mit der Einhorn-Apotheke schließt nun die letzte der drei historischen Apotheken aus den Anfängen der Stadt. Rund 20 Apotheken verbleiben nun noch für die Versorgung der 66.000 Einwohner. 



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.