Präventionsleistungen

Ärzte drohen Apothekern mit Selbstdispensation

Berlin - 08.06.2017, 14:15 Uhr

Keine Prävention in der Apotheke! Aus Sicht der Freien Ärzteschaft sollten die Apotheker keine Präventionsleistungen anbieten, andernfalls würden die Mediziner die Selbstdispensation einfordern. (Foto: dpa)

Keine Prävention in der Apotheke! Aus Sicht der Freien Ärzteschaft sollten die Apotheker keine Präventionsleistungen anbieten, andernfalls würden die Mediziner die Selbstdispensation einfordern. (Foto: dpa)


Die ABDA setzt sich derzeit wieder verstärkt dafür ein, dass Apotheker vergütete Präventionsleistungen anbieten dürfen. Den Ärzten scheint das gar nicht zu schmecken: Die Freie Ärzteschaft warnt davor, dass Apotheker die Beratungen nutzen könnten, um ihre Umsätze zu steigern – und droht im Gegenzug mit der ärztlichen Selbstdispensation. Und auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist nicht überzeugt von der Idee.

Am vergangenen Dienstag stellte die ABDA in Berlin eine Studie zum Gesundheitsbefinden der Bundesbürger vor. Teil der Studie waren auch Fragen, die sich damit beschäftigten, ob der Apotheker Präventionsleistungen wie Beratungen zur Rauchentwöhnung, Ernährungsberatungen oder Impfberatungsgespräche anbieten sollte. Nur etwa ein Viertel der Befragten wollten solche Leistungen in der Apotheke auch haben. Trotzdem bleibt die ABDA bei ihrer Forderung: Präsident Friedemann Schmidt zufolge sollten Apotheker insbesondere für Ernährungsberatungen, Rauchentwöhnungs-Hilfen und Impfberatungen vergütet werden.

Bei der Pressekonferenz in Berlin erklärte Schmidt, dass „die ärztlichen Kollegen“ die Apotheker auch ermuntern würden, solche Leistungen anzubieten. Das scheint aber zumindest nicht in allen Teilen der Ärzteschaft auch zutreffend zu sein. Denn als Reaktion auf die ABDA-Pressekonferenz veröffentlichte die Freie Ärzteschaft am heutigen Donnerstag eine Mitteilung, in der sie schwere Vorwürfe gegen die Apotheker erhebt und sich vehement dagegen ausspricht, dass die Pharmazeuten Präventionsleistungen übernehmen.

Ärzte: Apotheker nutzen Präventionssgespräche für Verkäufe

Der Verein Freie Ärzteschaft wurde 2004 als alternativer Berufsverband der Mediziner gegründet und hat eigenen Angaben zufolge derzeit etwa 2000 Mitglieder im gesamten Bundesgebiet. In den vergangenen Jahren hat die Freie Ärzteschaft mehrere Proteste und Demonstrationen der Ärzte organisiert. Im Jahr 2008 rief der Verband beispielsweise alle Mediziner dazu auf, aus Protest (unter anderem gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte) ihre Praxen zu schließen.

In seiner Mitteilung schreibt der Verband, dass er sich über die Aussagen der ABDA „gewundert“ habe. „Präventionsberatung, wie Ärzte und andere dafür qualifizierte Berufsgruppen sie durchführen, ist etwas anderes als die Beratung zu Medikamenten in den Apotheken“, erklärte Vorsitzender Wieland Dietrich den ABDA-Vorstoß. Die Ärzte vermuten offenbar, dass die Apotheker rein wirtschaftliche Interessen mit ihrer Forderung verbinden: „Mit solchen Sprechstunden könnten Interessenkonflikte entstehen, da eines der Hauptgeschäfte von Apotheken der Verkauf von Pflegeprodukten, freiverkäuflichen Arzneimitteln und Lifestyle-Präparaten sei“, wird Dietrich zitiert.

Auch die KBV sieht Präventionsleistungen in der Apotheke kritisch

Ohnehin werde die Beratungsleistung des Apothekers schon mit dem Gewinn honoriert, die er mit dem Verkauf der Produkte erwirtschafte. Grundsätzlich hat die Freie Ärzteschaft kein Verständnis dafür, dass die ABDA gerade jetzt diese Forderung präsentiert. Dietrich wörtlich: „Erstaunlich an dem Vorstoß des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt ist zudem, dass er sich hier in die Tätigkeit von Haus- und Fachärzten einmischen will, während die meisten Apotheker vor Ort mit ganz anderen Problemen wie dem zunehmenden Onlineverkauf von Medikamenten kämpfen und bei derlei Vorschlägen dankend abwinken.“

Aus Sicht des Verbandes ist die Apotheke außerdem der falsche Ort für Gespräche über Prävention. Sie müssten in der Praxis stattfinden und nicht am „Verkaufstresen“. FÄ-Vorsitzender Dietrich dazu: „Das geschützte Gespräch ist ein hohes Gut, in dem sich das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient festigt – dadurch und durch die Kenntnis des gesamten Patienten wird eine fachlich fundierte Beratung erst möglich.“ Dass die Apotheker für Präventionsleistungen vergütet werden wollen, kommentiert Dietrich folgendermaßen: „Die Apotheker lehnen sich hier weit aus dem Fenster.“

KBV: Prävention muss beim Arzt bleiben

Seine Mitteilung beendet der Verband mit einer Drohung in Richtung Apotheker: „Wollen sie die gute Koexistenz mit den Ärzten aufkündigen? Dann könnten Ärzte umgekehrt fordern, in ihren Praxen auch Medikamente abzugeben und zu verkaufen - was beispielsweise in der Schweiz sogar gut funktioniert und den Patienten den Weg in die Apotheke erspart.“

Die Freie Ärzteschaft ist offenbar nicht der einzige Ärzte-Verband, der den Vorstoß der ABDA kritisch sieht. Auf Nachfrage sagte auch ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): „Der Arzt muss auch in Zukunft die zentrale Rolle in der Prävention spielen. Denn gerade in der Prävention ist ein ganzheitlicher Blick auf den Patienten wichtig, den ausschließlich der Arzt hat.“ Zu den Einzelforderungen der ABDA wollte sich der KBV-Sprecher allerdings nicht äußern.

ABDA: Gesetzgeber sieht uns in der Prävention

Die ABDA reagierte gelassen auf die Vorwürfe aus der Ärzteschaft. Eine Sprecherin erklärte gegenüber DAZ.online: „Unsere Umfrage zeigt: Es gibt noch viel zu tun im Bereich Gesundheitsvorsorge – und genug Arbeit für alle Berufsgruppen. Der Gesetzgeber hat den Apothekern Aufgaben im Bereich der Prävention zuerkannt und diese wollen wir verstärkt umsetzen.“ Mit dieser Aussage bezieht sich die ABDA-Sprecherin auf Paragraf 1a Abs. 11 der Apothekenbetriebsordnung. Zu den „apothekenüblichen Dienstleistungen“ gehören demnach auch Beratung in Gesundheits- und Ernährungsfragen, Gespräche über Gesundheitserziehung und -aufklärung sowie Vorsorgemaßnahmen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Was die Ärzte gerne wollen

von Andreas Grünebaum am 11.06.2017 um 20:12 Uhr

Ärzte haben von den logistischen Vorausetzungen zur Beschaffung, Lagerung, Warenbewirtschaftung und Abgabe von Arzneimiitel so viel Ahnung wie ein Apotheker von der Unterscheidung einer Analfistel von einer Hämorrhoide. Das sollten sich die "Halbgötter in weiß " einmal vor Augen führen.

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Ärzte, kehrt erstmal vor Eurer Tür

von Alfons Neumann am 10.06.2017 um 2:26 Uhr

Ihr schickt Eure Patienten weg mit fehlender Diagnose, von wegen Dosierung soll mal schön die Apo raussuchen, und Ihr wollt uns erzählen, wie wir unsere Arbeit zu machen haben ?? Erlebe ich jeden Tag und ganz besonders, wenn´s nachmittags ist oder beim Notdienst.
Außerdem: Prävention heißt ja auch ggf. an den Arzt weiter zu verweisen - Doctores, davon schon mal was gehört ??

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Selbstdispensation

von Markus Junker am 08.06.2017 um 21:38 Uhr

Noch vor jeder Diskussion mit den Apothekern auf Drohgebärden zu setzen ist kein Stil. Nochmal alles auf Anfang, bitte.

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Und jetzt bitte noch mal "auf ehrlich"....

von Andreas P. Schenkel am 08.06.2017 um 19:50 Uhr

.... verehrte Ärztefunktionäre!

Präventiv wirken und Beratungsleistungen in dieser Hinsicht zu erbringen ist den Apotheken doch heute schon ohne weiteres möglich. Nur wird das alles dann privat mit dem Patienten abgerechnet.

Es geht doch bei den ganzen Wortmeldungen darum, folgende Sorge auszudrücken, jedoch ohne sie beim Namen zu nennen: Wenn sich diese Dienstleistung in den Apotheken etabliert hat und klar ist, wie effektvoll sie ausgeführt wird, so wird rasch, von welcher Seite auch immer, die Forderung kommen, dass die GKV dafür aufkommen möge. Sobald die GKV dafür zahlt, wird dies möglicherweise aus einem großen Geldtopf entnommen, dessen Schmälerung jene befürchten, die nun so lautstark mit hehren Worten und halbgaren Drohgebärden an die Berufsöffenltichkeit treten. Mit dem unerklärten Ziel, dass eine solche GKV-Leistung, solle sie sich als nicht verhinderbar erweisen, bitteschön aus anderen Töpflein sich speisen möge! Ja gut, ist ja durchaus verständlich, nur die Form des Vortrags ist etwas, naja... grob.

Die Unreflektiertheit in der Argumentation sieht man, beispielhaft erwähnt, u.a. ganz klar daran, dass einem der hier zitierten Funktionäre die Existenz von verpflichtenden, separierten und abtrennbaren Beratungsräumen bis hin zu dedizierten Beratungszimmern in Apotheken unbekannt ist. Das deutet auf ein reflexhaftes Draufhauen und Umsichhauen hin. Also Kollegen: Ruhig Blut, das ist Theaterkrawall. Szenenapplaus!

Klar, das ist der "Job" solcher Funktionäre, aber der €ig€nt₤ich€ Grund für $o₤ch' G€schr€i i$t j€n€r, um d€n e$ $ich m€ist€ns dr€ht.

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Lach

von Sven Larisch am 08.06.2017 um 18:41 Uhr

Wollen die Ärzte einen damit erschrecken?
Und in die Schweiz schauen bedeutet auch zu sehen, das hier die APotheker viel mehr Rechte haben und für Ihre Arbeit in der Beratung auch Geld bekommen.
Wenn Ihr gute Zusammenarbeit wollt , liebe Ärzte, dann macht Ihr gerne den medizinischen Bereich und lasst Euch mal vom Apotheker zur Pharmazie, Neben und Wechselwirkungen auch was sagen.
dies beinhaltet auch, das wir als Apotheker, mehr vom Patienten wissen müssen.
Ach ja - der Verkauf aller Waren in der APotheke ist mit eienr Beratung verbunden und sonst haben die Ärzteverbände keine Ahnung wie es in einer Apotheke zugeht. Macht doch alles alleine, mal sehen wie euch das gefällt :-)

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Prävention

von ratatosk am 08.06.2017 um 18:40 Uhr

Hier sollten auch die Ärzte vorsichtig argumentieren, da mit IGEL und vielen Praxen mit angebundenen Shops etc. ein sehr schwacher Stand ist.
Lächerlich auch dadurch, da durch eine gute niedrigschwellige z.B Impfberatung hauptsächlich der Umsatz der Arztpraxen steigt, was auch o.k ist und jede Apotheke nach Beratung Kunden zur Abklärung zum Arzt/Ärztin schickt, aus meiner Erfahrung auf alle Fälle weit häufiger, als Kunden die dann ewig bei Heilpraktikern durchgekaut werden.

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Selbstdisp.

von Peter Bauer am 08.06.2017 um 15:03 Uhr

Wenn dann die gleichen Regeln inclusive Retaxation gelten kann ich mir nicht vorstellen,dass ein Arzt,auch zeitlich ,im Rahmen seiner Praxisarbeit dazu in der Lage ist.Das ist nämlich eine ganz andere Nummer als kurz mal in die Ärztemusterkiste greifen und teilweise verfallene von unterschiedlichsten Herstellern dem Patienten aufs Auge drücken.Nee liebe Ärzte Ihr seid dazu schlichtweg nicht in der Lage eine Selbstdispensation zu machen .Vielleicht konntet Ihr frühere Apothekergenerationen mit solchen Drohungen erschrecken,heute ruft das bei mir nur noch ein mitleidiges Lächeln hervor.

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