Verzicht auf Bewerbung

Bionorica baut kein Cannabis für das BfArM an

Stuttgart - 08.06.2017, 09:00 Uhr

Bionorica würde grundsätzlich gerne Cannabis in Deutschland anbauen, aber nur, um die Blüten dann weiter zu verarbeiten. (Foto: Jdubsvideo / Fotolia)

Bionorica würde grundsätzlich gerne Cannabis in Deutschland anbauen, aber nur, um die Blüten dann weiter zu verarbeiten. (Foto: Jdubsvideo / Fotolia)


Bionorica wolle sich an der Ausschreibung des BfArM zum Anbau von Medizinal-Cannabis beteiligen, war vor Kurzem zu lesen. Geschäftsführer Michael Popp hatte sich dementsprechend gegenüber der Wirtschaftswoche geäußert. Nun stellt Bionorica aber per Pressemitteilung klar: Man wird sich nicht bewerben, denn die Ausschreibung bezieht sich nur auf Blüten. 

Die Firma Bionorica Ethics beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Cannabis und vertreibt unter anderem die Reinsubstanz Dronabinol. Mit diesen Referenzen standen die Chancen gut, den Zuschlag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum Anbau von Medizinal-Cannabis in Deutschland zu erhalten. Denn die beim BfArM angesiedelte Cannabisagentur suchte seit dem 8. April 2017 Partner. Und zwar solche, die Erfahrungen in der Produktion von Arzneipflanzen, idealerweise im Anbau von Cannabis sativa, mitbringen. Vor Kurzem endete die Frist für die Bewerbung.

Gegenüber der Wirtschaftswoche erklärte Geschäftsführer und Eigentümer Michael Popp zunächst auch, dass man sich auf die Ausschreibung der Cannabisagentur bewerben wolle. „Wir haben Interesse daran, Medizinalhanf in pharmazeutischer Qualität in Deutschland anzubauen“, wurde er zitiert. Nun stellte eine Pressemitteilung klar, dass man wider Erwarten keinen Antrag gestellt hat. Bionorica erklärt zwar, ein Interesse daran zu haben, in Deutschland Medizinalhanf in pharmazeutischer Qualität ausschließlich für den eigenen Herstellungsbedarf von Wirkstoffen in Reinform (Dronabinol) anzubauen. Diese Möglichkeit sieht man jedoch bei der Ausgestaltung der aktuellen Ausschreibung nicht.

Drei Fragen an Bionorica

Bionorica lehnt Verschreibung von Blüten ab

Denn diese hat nur die Herstellung und den Handel von Cannabis-Blüten zum Ziel. Die Verschreibung von Cannabis-Blüten lehnt Bionorica aber ausdrücklich ab. Das hatte allerdings auch Popp gegenüber der Wirtschaftswoche betont: „Bionorica will keine Hanfblüten zur medizinischen Verwendung, sondern ein flüssiges Medikament auf Cannabis-Basis anbieten.“ hieß es dort. 

In einer Stellungnahme begründet Bionorica diese Haltung unter anderem damit, dass es mit modernen pharmazeutischen Qualitätsansprüchen nicht vereinbar sei, die Aktivierung des in Cannabis-Blüten enthaltenen THC pharmazeutischen Laien zu überlassen. Das Rauchen des Arzneimittels ist aufgrund der Begleitsubstanzen schädlich. Das ist nach Ansicht von Bionorica inakzeptabel. Außerdem sei die Wirkstoffaufnahme nicht reproduzierbar. Die Inhalation – auch mittels Vaporizer – verursacht eine schnelle THC-Anflutung mit Plasmaspiegeln, die für Minuten ein Vielfaches therapeutischer Werte erreichen und dann schnell abfallen. Dies impliziert nach Meinung von Bionorica ein im Vergleich zur oralen Aufnahme deutlich erhöhtes Risiko für akute Nebenwirkungen wie Schwindel, High-Gefühl etc. und damit auch für die Entwicklung einer Sucht. Fertig- und Rezepturarzneimittel seien dagegen homogen und reproduzierbar herstellbar und für den Patienten gut und gleichmäßig dosierbar.  

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Studienergebnisse sind nicht übertragbar auf andere Sorten

Dazu kommt das Problem der klinischen Evidenz. Die fehle nämlich. Laut Bionorica ist es bei Blüten auch gar nicht möglich, welche zu schaffen. Warum das so ist? Wegen der unterschiedlichen Gehalte an Wirksubstanz könnten Studienergebnisse immer nur für die verwendete Cannabis-Sorte gelten und seien nicht auf andere Sorten übertragbar. Last but not least fürchtet man das erhöhte Missbrauchspotenzial und das Risiko des Freizeitkonsums auf GKV-Kosten. Es stelle sich die Frage, warum die vermeintlich wirksame Dosis von THC bei den Blüten die bei Dronabinol etablierte meist wirksame Tagesdosis von 5 bis 20 mg um das 20- bis 30-Fache übersteigt, so Bionorica.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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