Stiftung Warentest-Umfrage

Patienten interessiert Wirkmechanismus, nicht der Arzneimittelpreis

Stuttgart - 19.06.2017, 07:00 Uhr

Online-Umfrage von Stiftung Warentest: Wie zufrieden sind Patienten mit der Arzneimittelberatung der Apotheke? (Foto: Schelbert)

Online-Umfrage von Stiftung Warentest: Wie zufrieden sind Patienten mit der Arzneimittelberatung der Apotheke? (Foto: Schelbert)


Wie zufrieden sind die Bundesbürger mit der Arzneimittelberatung? Und wo informieren sie sich? In der Apotheke oder doch lieber im Internet? Interessieren sie sich überhaupt für ihre Pillen? Oder vertrauen sie blind dem Arzt? Stiftung Warentest ging diesem Thema nach. Die Ergebnisse? Für Apotheken durchaus positiv. Die Verbraucherschützer leisten ihrer Ansicht nach aber auch selbst einen nicht unerheblichen Beitrag zur seriösen Arzneimittelinformation. Aber ist das wirklich so?

Bei der Arzneimittelabgabe müssen Patienten sich vertrauensvoll in die Hände ihres Arztes und ihres Apothekers begeben. Viele Patienten wissen nicht, wogegen die Tabletten sind, die sie da gerade erhalten. Wohingegen bei Zuzahlungen oder Mehrkosten zu Arzneimitteln und generell beim Thema Medikamentenpreise Patienten schon einmal gern ihren Unmut kundtun. Spiegelt das die allgemeine Einstellung der Bundesbürger zu ihren Arzneimitteln wider? Stiftung Warentest sagt „Nein“.

Diese Aussage fußt auf einer groß angelegten, jedoch nicht repräsentativen Online-Umfrage, die das Verbraucherschutzmagazin zum Thema Medikamente startete. Und auch die Resonanz an bereitwillig Auskunftgebenden war beachtlich: Über 15.000 Menschen gaben ihr Feedback über die Anzahl ihrer täglichen Arzneimittel und was ihnen beim Kauf wichtig ist. 

Was ist Patienten wichtig?

„Wirksamkeit, Nebenwirkung, Wechselwirkung, Wirkmechanismus, Darreichungsform, Preis“ – diese Kriterien standen zur Auswahl, bei der Frage, ob sich ein Patient für oder gegen die Einnahme seiner Arzneimittel entscheidet. Was nicht überrascht: Alle finden die Wirksamkeit ihrer Arzneimittel „sehr wichtig“ oder zumindest „wichtig“. Wohingegen Preis und Darreichungsform der Medikamente bei Patienten – laut Stiftung Warentest – wohl eine eher untergeordnete Rolle spielen. Nur knapp über zehn Prozent der Umfrageteilnehmer beziehen diese Aspekte in die Überlegung zur Arzneimitteleinnahme mit ein. Allerdings gaben 70 Prozent an, dass sie in der Apotheke nach güns­tigeren Alternativen fragen, wenn ihnen ein rezept­freies Mittel zu teuer erscheint.

Rund 90 Prozent der Patienten hilft bei der Entscheidung für oder gegen die Arzneimitteleinnahme offensichtlich auch der Wirkmechanismus. Das fanden zumindest die Verbraucherschützer. Sie schreiben: „Auch eine Art wissenschaftlicher Neugier scheint es zu geben“. Wie detailliert dieses Interesse jedoch ist? Hier sind der Aussagekraft der Befragung natürlich Grenzen gesetzt. Gleichermaßen vielleicht auch dabei, was ein Patient im Vergleich zu Apothekern oder Ärzten als Fachgruppen unter „Wirkungsmechanismus“ versteht. Erstaunlich ist vielleicht auch, dass in der Summe „sehr wichtig“ und „wichtig“ der Aspekt des „Wirkmechanismus“ gleich auf ist mit den Punkten „Nebenwirkung“ und „Wechselwirkung“.

Erst Apotheker und Arzt, dann Dr. Google

Für die Apotheker ist sicherlich auch die Frage wichtig, wie zufrieden die Patienten im Schnitt mit der Beratung in der Offizin sind. „Die meisten Umfrage-Teilnehmer zeigen sich 'zufrieden' oder gar 'sehr zufrieden' mit den Informationen zu den Arznei­mitteln, die sie vom Arzt beziehungs­weise Apotheker erhalten“, schreibt Stiftung Warentest. Bei den rund 13.300 Patientenrückmeldungen kreuzten 19 Prozent „sehr zufrieden“ an, 57 Prozent entschieden sich für die zweite Zufriedenheitsstufe.

Allerdings: So rundum zufrieden scheint die Arzneimittelberatung aus Apotheker- oder Ärztehand die Patienten nun doch wieder nicht zu stellen. Etwa drei Viertel recherchiert nämlich weiter – und studiert den Beipackzettel oder befragt das Internet bei Dr. Google. 

Stiftung Warentest als Arzneimittelexperte?

Doch das Internet ist bunt. Nicht jede Quelle hinsichtlich der Arzneimittelinformation ist vertrauenswürdig. Stiftung Warentest leistet hier jedoch nach eigener Einschätzung einen wertvollen Beitrag. „Mit ihren Bewertungen zu über 9.000 Medikamenten tragen die Arznei­mittel­experten der Stiftung Warentest ihren Teil dazu bei“, heißt es auf deren Seite. 

Wie hilfreich sind allerdings solche Angebote von Verbraucherschutz-Magazinen tatsächlich für den Patienten? Ganz ohne Fehler ist auch hier die Beratung nicht. Ein Beispiel: So sieht ein Heuschnupfengeplagter bei den Verbraucherschützern zwar durchaus Therapieoptionen mit antihistaminergen Wirkstoffe wie Levocabastin oder Azelastin oder das Corticoid Beclometason. Doch was fangen Patienten mit dieser Information an, wenn die fachliche Einordnung der Wirkstoffe fehlt. So dürfen topische Corticoide – Mometason fehlt derzeit noch auf der Seite der Verbraucherschützer – rezeptfrei nur bei gesicherter Erstdiagnose einer saisonalen, allergischen Rhinitis durch einen Arzt eingesetzt werden. Und das auch nur bei erwachsenen Patienten.

Gerade zu Beginn kann der Tipp einer Kombination topisches Antihistamin plus topisches Corticoid Patienten durchaus Linderung verschaffen. Eine solche leitliniengerechte Empfehlung, findet sich nicht in der Rubrik „Allergischer Schnupfen“. Und möchte der Patient die vollständigen Informationen zu den Präparaten abrufen, muss er hierfür, was aus Sicht der Verbraucherschützer auch absolut verständlich ist, bezahlen.

Nun schreiben die Verbraucherschützer nicht, Arzneimittelinformationen aus dem Internet könnten die Beratung durch öffentliche Apotheken ersetzen. Jedoch zeige die Umfrage, „wie relevant gute und unabhängige Informationen zu Arznei­mitteln sind“.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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