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Schleswig-Holstein
Cannabis zum freien Konsum aus der Apotheke?
Im hohen Norden Deutschlands ist die Politik in Sachen Drogen bekanntermaßen
relativ liberal. Diese „Tradition“ will das neue schleswig-holsteinische
Jamaika-Bündnis offenbar fortsetzen. Laut Koalitionsvertrag will „Schwarz-Grün-Gelb“
in der Drogenpolitik auf Entkriminalisierung statt auf Repression setzen. Außerdem
steht ein Modellprojekt zur kontrollierten Freigabe von Cannabis auf der
Agenda. Sollen sich die Konsumenten ihr Cannabis dann aus der Apotheke abholen?
Der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung Schleswig-Holsteins aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP widmet der Drogenpolitik einige, wenn auch dürre Ausführungen. „Die Drogenpolitik der Koalition ist durch einen ganzheitlichen Ansatz geprägt.“ heißt es darin. „Wir werden eine kohärente Drogen-und Suchtpolitik weiterentwickeln und auf Prävention, Beratung, Therapie und Entkriminalisierung statt auf Repression setzen.“ So weit, so gut. Die folgende Aussage lässt Apotheker schon eher aufhorchen: „Die Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Rahmen eines Modellprojektes werden wir prüfen.“ Kinder und Jugendliche sollten jedoch vor Drogenkonsum besonders geschützt und deshalb Schulen, Kindertagesstätten sowie Spiel- und Sportstätten von Drogen vollständig freigehalten werden.
Andere probieren es schon aus
Passt das tatsächlich zusammen? Ja, vielleicht wenn man die Apotheker vor die kontrollierte Freigabe schaltet, so wie andere Länder es schon ausprobieren. In der Schweiz sollen Forscher des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) und des klinischen Studienzentrums (CTU) der Universität Bern drei Jahre lang über die Apotheken Cannabis an notorische Kiffer verkaufen dürfen und dabei untersuchen, wie sich ein regulierter Verkauf auswirken würde. Als weltweit erstes Land legalisiert Uruguay derzeit unter Auflagen den Kauf und die Produktion von Marihuana für seine Bürger . Unter anderem sollen Bürger des Landes, die sich hierfür extra registrieren lassen müssen, maximal zehn Gramm pro Woche in Apotheken kaufen können. Von Juli an soll Marihuana dort für 1,30 Dollar pro Gramm zu haben sein, weniger als beim illegalen Kauf bei einem Dealer.
Vorstöße auch in anderen Bundesländern
So weit braucht man aber gar nicht in die Ferne zu schweifen, um Gleichgesinnte für die Idee der zukünftigen Regierung in dem Bundesland zwischen Nord-und Ostsee zu finden. Auch in Bremen ist das Cannabis-Modellprojekt Teil des Koalitionsvertrages zwischen der SPD und den Grünen. Außerdem will der grüne Koalitionspartner damit auch bei der niedersächsischen Landtagswahl Mitte Januar 2018 punkten. Im Programmentwurf der Partei für die Wahl soll ebenfalls von einem Pilotprojekt die Rede sein, in dem die geregelte Abgabe von Cannabis durch Apotheker erprobt werden soll. Mitte Mai hatte der Bundesparteitag der Freien Demokraten in Berlin mit großer Mehrheit beschlossen, sich für die kontrollierte Freigabe von Cannabis einzusetzen. Lizenzierte Geschäfte sollen an Volljährige Cannabis abgeben können, fordert die FDP. Apotheken werden in dem Beschluss nicht explizit erwähnt.
In der Umsetzung flexibel
Schleswig-Holstein könnte mit der Jamaika-Koalition bundesweit vielleicht ein Vorreiter bei der Cannabis-Freigabe werden, mutmasst die gestrige Ausgabe der Kieler Zeitung. Das erst einmal durchzudrücken, war aber offenbar nicht so einfach. Während sich die Koalitionspartner Bündnis90/die Grünen und FDP in ihren Wahlprogrammen offen zu einer Entkriminalisierung des Cannabiskonsums in geringen Menge beziehungsweise über eine kontrollierte Freigabe bekannt haben, lehnte die CDU die Legalisierung illegaler Rauschmittel darin kategorisch ab. Die Grünen hätten für die Freigabe von Cannabis im Koalitionsvertrag „hart und erfolgreich gestritten“, sagt demzufolge Innenpolitiker Burkhard Peters gegenüber der Kieler Zeitung. In der Frage der Umsetzung seien die Grünen „flexibel“. Ob die Freigabe über Apotheken, spezielle „Coffee-Shops“ oder ein ganz anderes Modell erfolge, bleibe abzuwarten. Der künftige Sozialminister Heiner Garg (FDP) ist überzeugt: „Eine staatlich kontrollierte Abgabe würde dafür sorgen, dass kein verunreinigter Stoff an die Menschen verkauft wird. Der ,Dealer an der Ecke‘ streckt die Droge ja zum Teil mit sehr gesundheitsgefährdenden Substanzen.“
„Widerspricht unserem Berufsethos“
Auch die Apotheker des Landes haben sich dazu schon zu Wort gemeldet. „Die kontrollierte Abgabe von Cannabis über Apotheken widerspricht eigentlich unserem Berufsethos, da wir das Konzept der Gesunderhaltung verfolgen“, erklärt der Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein Frank Jaschkowski in der Kieler Zeitung. Dennoch sei man gesprächsbereit, auch weil sachkundiges Personal wichtig sei, wenn mit solchen Substanzen gehandelt werde: „Unterhalb des Apothekers sehe ich da niemanden, der diese Aufgabe übernehmen kann.“
Nicht der erste Anlauf
Schleswig-Holstein war schon in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts vergleichsweise „progressiv“ in Sachen Cannabis-Freigabe. Im Jahr 1997 sollte ein Modellprojekt für einen legalen Cannabisverkauf in Apotheken auf den Weg gebracht werden, was jedoch am Widerstand des damaligen CSU-Gesundheitsministers Horst Seehofer scheiterte. Auch in Großstädten in anderen Bundesländern wie Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Münster gab und gibt es verschiedentlich Bestrebungen zu entsprechenden Modellprojekten, allerdings bisher ohne konkrete Ergebnisse hinsichtlich einer Umsetzung in die Praxis.
1 Kommentar
Widerspricht unserem Berufsethos
von woewe am 25.06.2017 um 11:44 Uhr
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