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Biotech-Branche
Immer mehr Biopharmazeutika in der Apotheke
Biopharmazeutika boomen: 2016 waren von 38 neu zugelassenen Arzneimitteln bereits 15 gentechnisch hergestellt. Biotech-Unternehmen sind vor allem in der Onkologie aktiv. Und anders als so manche Krankenkasse machen sie sich auch keine Sorgen um die Finanzierbarkeit ihrer Präparate.
Die Biotech-Branche freut sich: Wie aus dem aktuellen Branchenreport „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2017“ hervorgeht, belief sich der Umsatz mit gentechnisch hergestellten Medikamenten im Apotheken- und Klinikmarkt im Jahr 2016 auf 9,3 Milliarden Euro (netto, abzüglich gesetzlicher Rabatte). Im Jahr zuvor waren es noch 8,2 Milliarden Euro. Während der Gesamtmarkt 4,2 Prozent wuchs, ging es für Biopharmazeutika um 12,4 Prozent nach oben. Ihr Anteil erreichte 24,8 Prozent am Gesamtmarkt (2015: 22,9 Prozent). Tendenz steigend.
Denn auch der Anteil der Biopharmazeutika an den Neuzulassungen wächst beständig. 2016 waren es 37 Prozent: Von 38 neu zugelassenen Arzneimitteln waren 15 gentechnisch hergestellt, drei davon waren Biosimilars, also „Nachahmer“ älterer Biopharmazeutika. In den drei Jahren zuvor waren es jeweils rund 30 Prozent.
Volle Pipeline
Und die Unternehmen haben noch einiges vor: Insgesamt befänden sich 636 biopharmazeutische Entwicklungsprojekte in allen Phasen der klinischen Erprobung, berichtete Dr. Frank Mathias, Vorsitzender des Biotech-Interessenverbands im Verband der forschenden Pharma-Unternehmen, vfa bio, und CEO der Rentschler Biotechnologie GmbH, bei der Vorstellung des Reports am 26. Juni. Bei 598 davon handelt es sich um neue Wirkstoffe, 39 sind Biosimilars. Phase III der klinischen Entwicklung haben 91 neue Wirkstoffe und 34 Biosimilars erreicht.
Die beiden größten und umsatzträchtigsten Bereiche für Biopharmazeutika sind die Immunologie und die Onkologie. Letzteres Segment steht aktuell im Fokus vieler Debatten – nicht zuletzt wegen der hohen Kosten der Arzneimittel. Auch der Biotech-Report nimmt ihn in diesem Jahr genauer unter die Lupe: 19 Neuzulassungen gab es in den vergangenen zehn Jahren, zehn davon in den vergangenen zwei Jahren, sagte Mathias. 226 onkologische Wirkstoffe hatten die Unternehmen 2016 in ihrer Pipeline – und zwar gegen 37 verschiedene Krebserkrankungen.
Erfolge der Krebstherapie
Mathias verwies darauf, dass die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen in den vergangenen Jahrzehnten zwar beständig gewachsen ist – die Zahl der Todesfälle sei jedoch annähernd konstant geblieben. Auch die 5-Jahres-Überlebensraten seien seit 1970 signifikant gestiegen. Hatte ein Mann mit der Diagnose Prostatakrebs Anfang der 1970er-Jahre noch eine 62-prozentige Chance, die nächsten fünf Jahre zu überleben, lag diese 2012 bereits bei 93 Prozent. Ähnlich auffällige Sprünge gab es bei der Behandlung des Melanoms.
Die Branche ist stolz auf ihre zielgerichteten Krebsmedikamente, die – anders als Chemotherapeutika – vorrangig Krebszellen statt alle teilungsaktiven Zellen angreifen. Daneben gibt es Immunonkologika, die gezielt das Immunsystem des Patienten in die Krebsbekämpfung einbeziehen.
Kosten-Nutzen-Verhältnis in Ordnung?
Kritik, die neuen Krebsarzneimittel kämen häufig als Orphan Drugs auf den Markt, um den Zusatznutzen nicht belegen zu müssen, wies Mathias zurück. Gleiches gilt für die Behauptung, dass die Präparate das Leben der Patienten oft nur um wenige Wochen oder Monate verlängerten, dafür aber sehr teuer seien. Zwar würden Biopharmazeutika auch gegen sehr seltene Krebsarten entwickelt – dass sie später auch bei anderen Erkrankungen einsetzbar sind, sei nicht absehbar. Es sei vielmehr positiv, dass sich die Unternehmen auch um Anwendungsgebiete kümmern, in denen es nur wenige Patienten gibt. Zudem: Es gebe Arzneimittel, die dazu führen, dass an Krebs Erkrankte wieder arbeiten gehen können. Insofern dürfe man die Preise für die Arzneimittel nicht isoliert betrachten, sondern im gesamtgesellschaftlichen Kontext.
Kassandra-Rufe nicht gerechtfertigt
Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer des vfa bio, ergänzte, dass mittlerweile 80 Prozent der Kosten für Onkologika im ambulanten Bereich anfielen. So würden Krankenhauskosten gespart. Auch Throm hat für die zuletzt von der Barmer geäußerte Kritik an den Preisen kein Verständnis: Die Kasse ziehe als Vergleichsjahr für die Kostenentwicklung das Jahr 2011 heran. Damals (vom 1. August 2010 bis 31. Dezember 2013) galt ein erhöhter gesetzlicher Herstellerrabatt von 16 Prozent. Seit 2014 sind es nur noch 7 Prozent – insofern sei der Vergleich kritisch zu sehen. Zudem verwies Throm auf die Finanzreserven der Krankenkassen: „Wo ist da die Rechtfertigung für die Kassandra-Rufe der Barmer?“, fragt er. Seit Jahren sei von den Kassen zu hören, die Arzneimittelausgaben würden explodieren – doch bislang hält sich die Entwicklung im Rahmen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass auch bei Biologika Patentabläufe anstünden, die für günstigere Preise sorgten.
Übrigens kommt Barmer-Chef Christoph Straub selbst in einem Namensbeitrag im Biotech-Report zu Wort. Darin fordert er unter anderem die auch im Barmer-Report angesprochene späte Kosten-Nutzen-Bewertung für versorgungsrelevante Arzneimittel, zu denen er die Krebsarzneimittel zählt. Diese soll etwa nach fünf Jahren Versorgungserfahrung stattfinden. Throm hält allerdings auch davon nichts: „Schon heute durchlaufen Medikamente nach der Nutzenbewertung Preisverhandlungen, wobei die Preise in der Regel nur für zwei Jahre gelten. Bei erneuten Preisverhandlungen werden stets Änderungen im medizinischen Kenntnisstand und im Verordnungsgeschehen berücksichtigt. Damit ist der praktikable Teil von Prof. Straubs Forderung längst Realität“. Zudem gibt Throm zu bedenken: Bei einer vollgültigen Kosten-Nutzen-Bewertung anstelle der bisherigen Bewertungspraxis müsste der monetäre Wert eines gerettetem Lebensjahres beziffert werden. Solche Berechnungen habe die Politik für Deutschland aber immer wieder abgelehnt.
Der Branchenreport „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2017“ wurde vom vfa bio und der Unternehmensberatung The Boston Consulting Group (BCG) erstellt.
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