AOK-Rabattverträge

Metoprolol-Vertragsstrafe für Apotheker doch zulässig?

Berlin - 03.07.2017, 17:45 Uhr

Müssen Apotheken eine späte Vertragsstrafe fürchten? (Foto: Jörg Lantelme / Fotolia)

Müssen Apotheken eine späte Vertragsstrafe fürchten? (Foto: Jörg Lantelme / Fotolia)


Apotheker, die im Sommer 2011 an AOK-Versicherte ein Metoprolol-Präparat abgegeben und das Rezept unzutreffend mit der PZN des nicht lieferbaren Rabatt-Artikels von Betapharm bedruckt haben, müssen möglicherweise doch noch mit finanziellen Folgen rechnen. Das Bundessozialgericht hat sich mit der Frage befasst, ob in dem Fall eine Vertragsstrafe zulässig ist – das Verfahren allerdings zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht Stuttgart zurückverwiesen.

Einige Apotheker dürften sich an den Sommer 2011 erinnern, als der AOK-Exklusiv-Vertragspartner Betapharm das Rabattarzneimittel Metoprolol Succinat Beta 47,5 und 95 nicht liefern konnte. Damit die Versicherten nicht unversorgt blieben, mussten sie ein wirkstoffgleiches Präparat abgeben. So machte es auch eine Apothekerin, die nun einen Musterstreit mit der AOK Baden-Württemberg führt. Ziel ist, zu klären, ob die Kasse seinerzeit zu Recht Vertragsstrafen gegenüber diesen Apotheken aussprechen durfte. Die besondere Variante in diesem Fall ist, dass die Apothekerin – wie rund 1200 andere Apotheken auch – zwar ein anderes, gleichwertiges Metoprolol-Präparat abgab, die entsprechenden ärztlichen Verordnungen jedoch mit der Pharmazentralnummer der Betapharm-Rabatt-Arzneien bedruckte. Die derart bei der AOK zur Abrechnung vorgelegten Verordnungen erhielt die Apothekerin entsprechend vergütet; 44 solcher Fälle gab es in ihrer Apotheke.

Die AOK Baden-Württemberg, die damals wie heute federführend für die bundesweiten AOK-Rabattverträge zuständig ist, wollte sogar strafrechtlich gegen die Apothekerin vorgehen. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde allerdings eingestellt. Es erschien nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ein zu einer Verurteilung führendes strafbares Verhalten vorliegt.

In der Folge korrespondierte die Kasse mit dem Deutschen Apothekerverband und dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) über ihr beabsichtigtes weiteres Vorgehen: Es ging um Verwarnungen und die Verhängung von Vertragsstrafen wegen Falschabrechnungen und deren Berechnung auf der Grundlage des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung.

Im November 2012 forderte die AOK von der beklagten Apothekerin schließlich die Zahlung einer Vertragsstrafe von 6.560 Euro. Die Begründung: Sie habe mit Falschabrechnungen in 44 Fällen schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen und dadurch das Vertrauensverhältnis zur Klägerin schwer und nachhaltig beschädigt.

Sie stützte sich dabei auf § 11 Abs. 1 Rahmenvertrag. Dieser sieht bei Verstößen gegen Abgabebestimmungen nach § 129 Abs. 1 SGB V neben der Verwarnung, eine Vertragsstrafe bis zu 25.000 Euro sowie bei gröblichen und wiederholten Verstößen den Ausschluss des Apothekenleiters von der Versorgung der Versicherten bis zur Dauer von zwei Jahren vor. Bei Mitgliedsapotheken eines Apothekerverbands muss sich die Kasse allerdings zuvor mit dem entsprechenden Verband – hier dem LAV – ins „Benehmen“ setzen, schreibt die Rahmenvertragsregelung vor.

Kassen und Apotheker im Gleichordnungsverhältnis

Der Fall landete zunächst vor dem Sozialgericht Mannheim. Dieses wies die Klage der AOK auf Zahlung von 6.560 Euro nebst Zinsen ab. Es sprach der Kasse nämlich bereits das für die Zulässigkeit der Klage nötige Rechtsschutzbedürfnis ab. Der Grund: Sie hätte die Forderung durch einen Verwaltungsakt festsetzen können. Unabhängig davon sei die Vertragsstrafe aber auch unbegründet. Zum einen mangele es an der wirksamen vertraglichen Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Die im Rahmenvertrag enthaltenen Regelungen dazu seien zu unbestimmt. Zum anderen fehle das notwendige „Benehmen“ mit dem LAV – dafür wäre nämlich der Versuch einer einvernehmlichen Lösung erforderlich gewesen, nicht aber die bloße „apodiktische“ Mitteilung an den LAV über das beabsichtigte Vorgehen. Schließlich hielt das Sozialgericht auch die eingeklagte Vertragsstrafe auch für unverhältnismäßig.

In der zweiten Instanz blieb die AOK Baden-Württemberg ebenfalls ohne Erfolg. Auch das Landessozialgericht Stuttgarthier hielt einen Verwaltungsakt für nötig. Dabei verwies es auf den für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat des Bundessozialgerichts. Dieser bejahe bei Sanktionen zugunsten der Krankenkassen in ständiger Rechtsprechung eine solche Verwaltungsakt-Befugnis.

Die AOK zog daraufhin vor das Bundessozialgericht. In ihrer Argumentation konterte sie mit der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts, die das Landessozialgericht nicht in den Blick genommen habe. Nach dieser besteht zwischen den Parteien des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung – also Apotheken und Krankenkassen – ein Gleichordnungsverhältnis. Und damit gerade keine Situation, die einen Verwaltungsakt im Über-Unterordnungsverhältnis erfordere.

BSG-Senat bleibt eigener Rechtsprechung treu

Ende Juni war es nun eben dieser 3. Senat, der über die Revision der AOK befand. Er wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurück. Die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. In einem Terminbericht stellt der Senat aber klar, dass er die AOK-Auffassung teilt und nicht davon ausgeht, dass die Vertragsstrafe im Wege eines Verwaltungsaktes hätte festgesetzt werden müssen. Der Senat halte vielmehr an seiner gefestigten Rechtsprechung zu ähnlichen Konstellationen bei Streitigkeiten über Inhalt und Befugnisse der Krankenkassen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen mit nichtärztlichen Leistungserbringern fest.

Eine Parallele zum Vertragsarztrecht hält der 3. Senat dagegen nicht für tragfähig. Das vertragsärztliche Leistungserbringungsrecht sei „historisch gewachsen“ und sehe „einzigartig ausgestaltete Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten“ vor.

Überdies gibt der Senat im Hinblick auf die bezweifelte Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe zu bedenken, dass vorliegend nicht über die gravierendste im Rahmenvertrag vorgesehene Vertragsstrafe zu entscheiden sei, also den Ausschluss einer Apotheke von der Versorgung in der GKV bis zu zwei Jahren. Diese könnte tatsächlich ein schwerer Eingriff in die Berufsfreiheit sein – die Vertragsstrafe  habe hingegen keine so starke Eingriffsintensität.

Dem Landessozialgericht hat das Bundessozialgericht nun aufgegeben, noch verschiedene Feststellungen zu treffen und zu würdigen: Wurde das Benehmen der AOK mit dem LAV den rechtlichen Vorgaben entsprechend hergestellt? Und steht die konkrete Vertragsstrafe mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang?

Nun heißt es abwarten, wie das Landessozialgericht im zweiten Anlauf entscheidet.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Einseitige Vertragsstrafe?

von Reinhard Rodiger am 07.07.2017 um 13:40 Uhr

Zweifelsfrei hat der Hersteller die Lieferfähigkeit gar nicht oder nicht ausreichend gesichert.Dafür gibt es Vertragsstrafen. Ist der Hersteller je dazu verurteilt worden? Falls das Bedrucken dies verhinderte, so müsste es nach Klärung erfolgen.
Ist also die KK-Strafabsicht etwas einseitig?

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