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Niedersachsen
Krankenhausgesellschaft will keine Stationsapotheker
In Folge einer Serie von Pflegemorden will die niedersächsische Landesregierung für alle Krankenhäuser Stationsapotheker einführen. Während die Landesapothekerkammer dies begrüßt, hält die Krankenhausgesellschaft Niedersachsen die Pläne für nicht durchführbar – und für womöglich verfassungswidrig.
Schon vor gut einem Jahr hatte ein Sonderausschuss, der sich mit der Aufarbeitung einer Serie von Pflegemorden beschäftigt hatte, die verpflichtende Einführung von Stationsapothekern diskutiert. Ein Pfleger hatte zugegeben, 90 Patienten eine Überdosis des Herzmittels Ajmalin verabreicht zu haben, mehr als 40 könnten verstorben sein. „Durch die Einführung des Stationsapothekers gäbe es die Möglichkeit, den Abfluss der Medikamente nachzuvollziehen“, hatte CDU-Obfrau Anette Schwarz gegenüber DAZ.online erklärt.
Seit März liegt nun ein Gesetzentwurf vor, nach dem Stationsapotheker flächendeckend eingeführt werden sollen: Pro 300 Betten soll es zukünftig mindestens einen Stationsapotheker geben, ansonsten drohen Bußgelder. Zusammen mit einer flächendeckenden Einführung von Arzneimittelkommissionen sollen Apotheker auf den Stationen „in allen Fragen der Arzneimitteltherapie unterstützen und beraten“, hatte die Gesundheitsministerin Cornelia Rundt erklärt. „Dies soll unter anderem das Risiko von Medikationsfehlern senken.“ Stationsapotheker sollen zusammen mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal „zu einer sicheren, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie“ beitragen.
Apotheker sollen nicht nur Logistiker sein
Die Apothekerkammer Niedersachsen hatte die Pläne begrüßt. „Der interprofessionelle Ansatz in der Patientenversorgung hat sich bereits in vielen anderen Ländern bewährt“, betonte Frank Dombeck, pharmazeutischer Geschäftsführer der Kammer. „Die pharmazeutische Kompetenz des Apothekers sollte nicht länger nur eingeschränkt als Arzneimittellogistiker genutzt werden.“
Starke Kritik kam hingegen von der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG). „Die Diskussion zur Steigerung der Behandlungsqualität begrüßen die Krankenhäuser, sie muss sich jedoch der Realität stellen“, hatte sie in einer Pressemitteilung erklärt. Zwar könnten Stationsapotheker „im Einzelfall“ ein Instrument zur Verbesserung der medizinischen Versorgung darstellen, doch gebe es auf dem Arbeitsmarkt „schlicht keine Apotheker“, die in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist von drei Jahren flächendeckend in allen Krankenhäusern eingestellt werden könnten. Die Pläne seien ein Beispiel „für mehr Bürokratie ohne Nutzen für den Patienten“.
Gesetzentwurf ist aus Klinik-Sicht nicht legitim
Gegenüber DAZ.online spricht Helge Engelke, Verbandsdirektor der Krankenhausgesellschaft, sogar von einer „objektiven Unmöglichkeit“, qualifiziertes Personal zu finden. „Etwas nicht Umsetzbares zu fordern, ist nach unserer Ansicht nicht legitim“, erklärt er. Ohnehin bezweifelt er, dass Stationsapotheker tatsächlich kriminelle Handlungen verhindern könnten – auch wenn sie aus seiner Sicht teilweise einen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) leisten können.
Doch noch aus einem dritten Grund wehrt sich sein Verband vehement gegen die Pläne: Die Einführung von Stationsapothekern wäre laut Landesregierung mit Mehrkosten von rund 8 Millionen Euro verbunden, nach Verbandsberechnungen würden sich die Ausgaben sogar auf knapp 14 Millionen Euro belaufen, da 185 statt 135 Vollzeitkräfte notwendig seien. Doch würden diese nicht refinanziert, denn Krankenkassen erhalten ihre laufenden Einnahmen über sogenannte Fallpauschalen, die bundeseinheitlich kalkuliert werden – ohne Berücksichtigung der Frage, ob Stationsapotheker eingestellt werden. Das generiere in Niedersachsen einen Wettbewerbsnachteil, kritisiert Engelke.
Er verweist darauf, dass die Landesregierung die Differenzen bestätigt habe – sie habe aber dennoch erklärt, dies ändere „nichts an der grundsätzlichen Einschätzung“. Er fordert, zunächst einige Modelle zu prüfen, wie Stationsapotheker zur AMTS beitragen können. Die aktuellen Pläne könnten sogar verfassungsrechtlich bedenklich sein, sagt Engelke, da nach Einschätzung seines Verbandes die Landesregierung ihre Kompetenzen überschreite.
Landesregierung weist Kritik zurück
Das niedersächsische Gesundheitsministerium weist auf Nachfrage von DAZ.online die Vorwürfe zurück. „Wir haben bei der Entwicklung des Gesetzentwurfs großen Wert auf die Konformität mit den bundesrechtlichen Bestimmungen gelegt und uns auf die landesgesetzlichen Potenziale des Krankenhausrechts konzentriert“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Der Gesetzentwurf enthalte eine angemessene Übergangsfrist, auch könnte die Weiterbildung im Bereich der klinischen Pharmazie im Rahmen der praktischen Tätigkeit erfolgen. Entsprechende Ausschreibungen erfolgten bundesweit und seien bereits in der Fachpresse zu finden.
Die Niedersächsische Apothekerkammer möchte aktuell nicht zum Gesetzentwurf Position beziehen, hatte dies jedoch bereits in einer früheren Stellungnahme gemacht, die DAZ.online vorliegt. Hier betont sie die Vorteile von Stationsapothekern, die auch bei der Jahrestagung der deutschen Krankenhausapotheker vom Präsidenten der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKDÄ), Wolf-Dieter Ludwig, hervorgehoben worden seien.
Die Kammer argumentiert, die Übergangsfristen seien zu lang – und die Bedenken, es fänden sich nicht genügend Apotheker, könne sie nicht teilen: Die Weiterbildungsquoten im Gebiet der klinischen Pharmazie seien sehr hoch, auch gebe es bei offenen Stellen viele Bewerbungen aus anderen Bundesländern. „Die Apothekerkammer kann auch kurzfristig einer erhöhten Anzahl an Weiterzubildenden im Gebiet Klinische Pharmazie gerecht werden“, heißt es in der Stellungnahme.
2 Kommentare
Innovations- und Fachevolutionsbremser
von Matthias H. Arlt, MSc am 19.07.2017 um 10:48 Uhr
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Da wird wieder böse blockiert, unglaublich
von Wolfgang Müller am 18.07.2017 um 12:48 Uhr
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