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Forderungen zur Bundestagswahl
AOK will Versandhandel stärken und Höchstpreise einführen
Obwohl der AOK-Bundesverband bereits ein konsentiertes Forderungs-Papier zur Bundestagswahl vorgelegt hat, legt die AOK Baden-Württemberg nun nach: Auffällig ist, dass die Kasse auf die Forderung nach Apothekenketten verzichtet. Allerdings wünscht sie sich eine Stärkung des Versandhandels, Direktverträge mit Versandapotheken und die Abschaffung der Festpreise. Kollektivvertragliche Lösungen sind für die AOK ein Auslaufmodell.
Immer mehr Krankenkassen und Kassenverbände präsentieren derzeit ihre Forderungslisten zur Bundestagswahl. Vor etwa zwei Wochen hatte der AOK-Bundesverband seinen Forderungskatalog präsentiert und war mit den derzeitigen Regulierungen im Apothekenmarkt hart ins Gericht gegangen. Die politische Vertretung der elf Ortskrankenkassen fordert eine Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Verbandschef Martin Litsch hatte erklärt, dass die beiden Verbote antiquiert seien. Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung sollen die Kassen außerdem Direktverträge mit Versandapotheken abschließen können, fordert der AOK-Bundesverband.
Bei der Vorstellung der AOK-Wünsche in Berlin sagte Verbandssprecher Kai Behrens, dass das Papier zur Bundestagswahl mit allen AOKen abgestimmt worden sei. Die AOK Baden-Württemberg hält es nun offenbar trotzdem für nötig, einen eigenen Forderungskatalog aufzustellen. Das Papier mit dem Namen „Agenda Gesundheit“ wurde am heutigen Mittwoch auf der Internetseite der AOK veröffentlicht und enthält weitreichende Ausführungen zum Arzneimittelmarkt – was nicht überrascht, schließlich ist Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, für seine Arzneimittelexpertise bekannt. Hermann gilt beispielsweise als einer der „Erfinder“ der Arzneimittelrabattverträge.
Hermann stellt Kollektivverträge grundsätzlich in Frage
Und so überrascht es auch nicht, dass Hermann sich eine Aufsprengung des Marktes wünscht. Im Kapitel „Vertragsfreiheit“ heißt es einleitend: „Die AOK Baden-Württemberg will nicht nur mehr Wettbewerb, sondern stellt als Grundlage dafür auch das Kollektivvertragssystem insgesamt infrage.“ Die Kasse begründet diese Aussage mit dem Kontrahierungszwang: Gemeinsam mit anderen Kassen müsse man alle kollektivvertraglich abgedeckten Leistungen vergüten, „also auch solche von minderer Qualität“, heißt es. Die Verpflichtung „einheitlich und gemeinsam“ müsse abgeschafft werden (mit Ausnahme der Notfallversorgung). So könnten auch strukturelle Defizite in der Versorgungslandschaft gelöst werden, erhofft sich die AOK.
Das nachfolgende Kapitel heißt „Qualitätsdruck“. Dort beschreibt die AOK zunächst das „Erfolgsmodell“ Arzneimittel-Rabattverträge, das sich durch „Freiheiten in der Vertragsgestaltung und belegbare Qualität auf der Angebotsseite“ auszeichne. Deswegen müsse es auch für neue, hochpreisige Arzneimittel regionale Selektivverträge geben – natürlich mit einem Erstattungspreis, der ab dem ersten Tag nach Markteintritt gilt.
Höchstpreise und Versandhandel stärken
Und auch im Apothekenmarkt sieht die AOK aus dem Ländle mit Blick auf Wettbewerb und Qualität dringenden Handlungsbedarf. Wörtlich schreibt sie: „Auch im Apothekenmarkt muss es darum gehen, nach dem Urteil des EuGH zum Versandhandel mehr regionale Verträge möglich zu machen. Damit hier der Wettbewerb endlich Einzug erhält und verkrustete Strukturen aufgebrochen werden, sollte die starre Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aufgehoben und durch eine rabattfähige und für Selektivverträge geöffnete Höchstpreisregelung ersetzt werden. Die Wirtschaftlichkeit für die Solidargemeinschaft ließe sich dadurch weiter erhöhen – ohne Qualitätsverlust.“
Wie wichtig AOK-Chef Hermann die derzeitige Debatte um den Arzneimittel-Versandhandel ist, zeigt auch, dass er das Thema in seinem Vorwort am Anfang der Broschüre aufgreift. In dem Text beschäftigt sich Hermann damit, wie man Strukturen verschlanken und die Digitalisierung vorantreiben kann. Er erklärt in diesem Zusammenhang: „Schlankere Entscheidungsstrukturen würden helfen, die Digitalisierung in der Versorgung voranzubringen. Anstatt sie, etwa durch Fernbehandlungs- oder Versandhandelsverbote, zu bremsen, sollten digitale Möglichkeiten intensiver genutzt werden.“
Lieferengpässe durch Meldepflichten vermeiden
Die AOK Baden-Württemberg erneuert auch ihre Forderungen zur Versorgungssicherheit. Im Frühjahr hatte die Kasse in Berlin eine Umfrage vorgestellt, in der es um Lieferengpässe ging. Als eine der Kernforderungen erklärte die Kasse damals, dass alle Akteure in der Lieferkette künftig stetig ihre Lagerbestände an Behörden mitteilen müssten, um so einen besseren Einblick zu bekommen, an welchen Stellen des Systems die „Lücken“ bestehen. Die AOK kritisiert nun erneut die Politik dafür, dass sie Hersteller, Großhändler und Apotheker nicht noch stärker in die Pflicht nehme. Das Prinzip der Freiwilligkeit habe versagt, heißt es in dem Papier. Nötig seien eine generelle Meldepflicht bei Lieferengpässen sowie eine „vollständige Transparenz über die Lagerung durch eine verpflichtende Meldung an das BfArM“.
In diesem Zusammenhang wünscht sich die AOK Baden-Württemberg auch eine „Stärkung des Versandhandels“. Zur Erklärung schreibt die Kasse: „Schließlich werden auf diesem Weg gerade auf dem Land viele Menschen, die nicht mehr mobil sind, versorgt. In einer digitalisierten Welt gilt es, moderne technologische Möglichkeiten der Arzneimittelversorgung auch zu nutzen.“
5 Kommentare
Erpressung
von Reinhard Rodiger am 24.07.2017 um 11:07 Uhr
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Forderungskatalog der AOK B.-W.
von Uwe Hüsgen am 20.07.2017 um 20:25 Uhr
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Das deutsche Krankenkassenmodel
von Keno Trüper am 20.07.2017 um 16:06 Uhr
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Desaster
von Karl Friedrich Müller am 20.07.2017 um 8:39 Uhr
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Notfallversorgung
von Peter Bauer am 19.07.2017 um 14:28 Uhr
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