Beratungs-Quickie

Ein Mydriatikum für ein kleines Mädchen

München / Stuttgart - 20.07.2017, 13:00 Uhr

Nach der Anwendung von Atropin-Augentropfen: Sonne meiden oder die Augen mit Sonnenbrille schützen. (Foto: vvvita / Fotolia)

Nach der Anwendung von Atropin-Augentropfen: Sonne meiden oder die Augen mit Sonnenbrille schützen. (Foto: vvvita / Fotolia)


Welche Punkte sind bei der Beratung in der Apotheke wichtig? Was für Zusatzinformationen können Sie zu den verordneten Arzneimitteln geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jeden Donnerstag einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über Atropin-haltige Augentropfen für ein Kleinkind. Welche Tipps können Sie als Apotheker der Mutter zur Applikation der Augentropfen beim Kleinkind geben?

Eine junge Frau mit einem zappeligen dreijährigen Mädchen an der Hand betritt einige Tage nach Rezeptausstellung die Apotheke. Sie legt das Rezept mit der Frage vor, wie sie diese Augentropfen ihrem Kind einträufeln solle. Sie sei sich sicher, ihre Tochter halte nicht still.

Formalien-Check

Verordnet ist eine N1-Packung Atropin EDO®. Die Verordnung ist vollständig, jedoch nicht eindeutig: Die Augentropfen Atropin EDO® mit zehn Stück Einzeldosis-Ophtiolen ohne Konservierungsmittel zu je 0,5 ml sind außer Vertrieb. Verfügbar sind konservierte Atropin POS® 0,5 % Augentropfen in einer 10 ml-Tropfflasche (N1).

Die Apotheke darf nach Neufassung von § 3 Rahmenvertrag die Bezeichnung des Fertigarzneimittels (oder des Wirkstoffs einschließlich der Stärke) nach Rücksprache mit dem Augenarzt ändern. Um eine Retaxation zu vermeiden, ist die Korrektur mit dem Vermerk „nach ärztlicher Rücksprache“ zu versehen und vom Abgebenden mit Datum und Unterschrift abzuzeichnen. Der Arzt hat den Aut-idem-Austausch nicht ausgeschlossen. Rabattverträge wären daher zu beachten. Substitute sind jedoch nicht auf dem Markt.

Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind grundsätzlich von der Zuzahlung befreit. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.

Beratungs-Basics

Die verordneten Augentropfen enthalten Atropin. Der Wirkstoff wird in der Augenheilkunde zur Weitstellung der Pupille eingesetzt und bewirkt eine vorübergehende Lähmung der Scharfeinstellung (Akkomodation). Mydriatika werden zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken verwendet, bei Kindern meist zur Refraktionsbestimmung zur Ermittlung der Brillenstärke, zur Behandlung von Verwachsungen oder Verklebungen oder zur Ruhigstellung eines Auges zur Beeinflussung des Führungsverhaltens der Augen.

Die Mutter bestätigt, dass sie in zwei Wochen einen neuen Augenarzttermin für ihre Tochter habe, um einen Sehtest durchzuführen. Der Augenarzt habe ihr auch die Dosierung genannt. Am Tag vor der Untersuchung solle sie Charlotte dreimal täglich einen Tropfen in jedes Auge träufeln. Das deckt sich mit der allgemeinen Dosierungsempfehlung zur Vorbehandlung einer Sehfehlerbestimmung.

Augentropfen beim Kind richtig angewenden

Bei Arzneimitteln zur Anwendung am Auge sind Hygiene und die korrekte Applikation besonders wichtig. Die Augentropfen sind mit sauberen Händen und ohne dass die Tropfspitze in Kontakt mit dem Auge kommt, zu verabreichen. Augentropfen können bei Kindern erfolgreich bei leicht geschlossenen Lidern in den inneren Augenwinkel gegeben werden. Das Kind kann dabei liegen und die Mutter ihre Hand auf die Stirn des Kindes legen, um den Kopf ruhig zu halten. Werden anschließend die Augen geöffnet, verteilt sich die Flüssigkeit über den ganzen Augapfel. Am besten sollte das Mädchen anschließend die Augen für kurze Zeit schließen. Ihre Mutter kann dabei mit den Fingern einen leichten Druck auf beide Tränenkanäle ausüben.

Vor der Verabreichung sollte die Mutter ihrer Tochter ehrlich sagen, dass es nach dem Eintropfen im Auge etwas brennen und wehtun kann, das unangenehme Gefühl aber nach kurzer Zeit wieder verschwindet. Es kann außerdem hilfreich sein, der Tochter im Vorfeld das Verabreichen von Augentropfen mit wirkstofffreien oder lediglich befeuchtenden Augentropfen am Teddy oder bei der Mutter zu demonstrieren. Dann weiß das Kind, was mit ihm geschieht.

Atropin-Augentropfen: Sonne meiden

Als Nebenwirkung können an den Augen Tränenfluss, Bindehautreizung und erhöhte Lichtempfindlichkeit auftreten. Auch allergische Reaktionen an Lid und Bindehaut sind möglich. Sehstörungen und eine verstärkte Blendempfindlichkeit können wegen der langen Wirkungszeit von Atropin für bis zu 14 Tage anhalten. Helles Licht gilt es für diesen Zeitraum zu meiden. Je nach Sonneneinstrahlung muss das Mädchen eine Kindersonnenbrille tragen.

Auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ist die Sehleistung und somit das Reaktionsvermögen im Straßenverkehr beeinträchtigt. Falls das kleine Mädchen gerne mit dem Laufrad unterwegs ist, muss es nach der Anwendung für zwei Wochen darauf verzichten. Auch Klettern am Spielplatz oder wilde Rutschpartien sind in dieser Zeit nicht anzuraten.

Lokal applizierte Ophthalmika werden in einem gewissen Ausmaß auch resorbiert. Insbesondere bei Kindern kommen systemische Nebenwirkungen vor. Diese sind zwar sehr selten, die Mutter ist jedoch sensibel darüber zu informieren, dass Symptome wie Reizbarkeit, Ruhelosigkeit, Konfusion, Aggression, Schlaflosigkeit und Sprech- und Gangstörungen auftreten können. Kommt es zu einem Hautausschlag (Urtikaria), ist der Mutter ein Arztbesuch anzuraten, da es unter der Anwendung auch zu einer anaphylaktischen Reaktion kommen kann. Bei bedrohlichen Zuständen wie stark erhöhter Blutdruck, Benommenheit, Krämpfen, hohes Fieber oder Koma ist der Notarzt zu rufen. 

Auch noch wichtig

In der Regel ist bei kleinen Kindern die Sehfehlerbestimmung beim Augenarzt aufgrund fehlender Mitarbeit nicht mittels objektiver Refraktionsbestimmung (mit dem Refraktometer) und subjektiver Refraktionsbestimmung (mit Messbrille oder Phoropter) möglich. Bis etwa dreieinhalb Jahren kommt deshalb bei Kindern ein anderes Verfahren, die Skiaskopie, zum Einsatz. Kinder können sehr schnell in unterschiedlicher Entfernung scharf stellen. Ein Sehfehler ist bei Kinder deshalb nur in sogenannter Zykloplegie genau bestimmbar, das heißt die Scharfeinstellungsmöglichkeit (Akkomodation) wird durch die Atropin-Augentropfen einige Zeit gelähmt.

Das enthaltene Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid kann Reizungen am Auge hervorrufen. Die Lagerung muss nicht im Kühlschrank erfolgen. Die Aufbewahrungstemperatur darf allerdings maximal 25 °C betragen. Der Inhalt ist nach Anbruch vier Wochen haltbar. Ist in dieser Zeit keine Wiederholung der Sehfehlerbestimmung beim Arzt notwendig, kann die Mutter die Flasche nach dem Arztbesuch sofort im Hausmüll entsorgen. Allgemein gilt bei einer Therapie mit verschiedenen Ophthalmika, dass unbedingt ein zeitlicher Abstand von mindestens fünfzehn Minuten einzuhalten ist.

Darf`s ein bisschen mehr sein?

  • Alle Arzneimittel sind außerhalb der Reichweite von Kindern aufzubewahren.
  • Um das Mädchen zu motivieren, bei der Verabreichung und der anschließenden Untersuchung still zuhalten, kann ihr eine kleine Belohnung in Aussicht gestellt werden.
  • Auch vor der Untersuchung ist es wichtig, dem Mädchen gut zuzureden und ihr genau zu erklären, was passieren wird. Das nimmt dem Kind Angst und erhöht seine Bereitschaft zur Mitarbeit.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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