EU will neue Grenzwerte

Wie kommt das Acrylamid in den Toast?

Stuttgart - 20.07.2017, 12:27 Uhr

Rösten, backen, frittieren: Die EU fordert Bräunungstabellen für Brötchen, Toast & Co. (Foto: greenpapillon / Fotolia)

Rösten, backen, frittieren: Die EU fordert Bräunungstabellen für Brötchen, Toast & Co. (Foto: greenpapillon / Fotolia)


In regelmäßigen Anständen findet er sich in den Medien – aktuell gerade wieder. Windeln enthalten den Stoff, Pommes auch. Er ist krebserregend oder steht zumindest im Verdacht. Und die europäische Union möchte ihn so weit als möglich in Lebensmitteln zurückdrängen: Acrylamid. Doch wie kommt das Acrylamid überhaupt in Pommes und den braunen Toast?

Neue EU-Vorgaben sollen die Konzentrationen an Acrylamid in Lebensmitteln reduzieren. So sorgt quervernetztes Acrylamid bei Babies zwar für den gewünschten trockenen Windelpo, zum Gehalt von Acrylamid in Lebensmitteln branden jedoch regelmäßig Diskussion auf: Die Chemische Verbindung steht im Verdacht mutagen zu sein. Der Nachweis existiert bislang allerdings nur für Tierversuche. Bestimmte Lebensmittel sind hinsichtlich ihres Acrylamidgehalts besonders belastet: Chips, Kartoffelpuffer, Pommes frites, Knäckebrot, Kekse, Kaffee. Wodurch entsteht Acrylamid in diesen Lebensmitteln?

Das chemische Geheimnis, das hinter dem Vorkommen von Acrylamid in Lebensmitteln steckt, ist die Maillard-Reaktion. Sie ist nach dem französischen Naturwissenschaftler Louis Camille Maillard benannt und beschreibt allgemein nichtenzymatische Reaktionen von Aminosäuren mit reduzierenden Zuckern. Was die Maillard-Reaktion sonst noch braucht? Wärme, und zwar optimalerweise Temperaturen über 120° Celsius.

Maillard-Reaktion: Glucose reagiert mit Asparagin zu Acrylamid. (Quelle: Wikimedia / Pixeltoo)

Acrylamid: Produkt unerwünschter Maillard-Reaktionen

Im Allgemeinen schätzen Menschen die Produkte der Maillard-Reaktion: Die sogenannten Melanoidine sorgen für duftende Aromen und eine schöne Bräunung. Sie machen gebratene Steaks, gerösteten Café und knusprig gebackenes Brot erst so richtig lecker. Eine unerwünschte Maillard-Reaktion lässt allerdings aus den Aminosäuren Asparagin und Glutamin, wie sie unter anderem in Kartoffel- und Getreideprodukten gehäuft enthalten sind, Acrylamid entstehen. Sehr hohe Temperaturen von 170° bis 190° Celsius begünstigen dies.

Zum mutagenen Potenzial von Acrylamid

Es ist erwiesen, dass Acrylamid das Erbgut verändern kann. Acrylamid wirkt als Alkylans und bildet entsprechende Addukte mit der DNA. Das mutagene Potenzial zeigte die Verbindung bislang ausschließlich in tierexperimentellen Studien, in Dosierungen, denen Menschen in der Regel nicht exponiert sind. Die Nager erhielten etwa 300 bis 10.000 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht Acrylamid pro Tag. Eine durch Lebensmittel hervorgerufene Acrylamid-Belastung wird durchschnittlich bei 0,3 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht veranschlagt. Bei all den Diskussionen um braune Brötchen, gerösteten Kaffee und Pommes sollte man nicht vergessen: Rauchen stellt in der Allgemeinbevölkerung die größte Quelle des Acrylamidübels mit 0,5 bis zwei Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht dar.

Ein deutlich höheres kanzerogenes Potenzial hat ein in der Leber entstehender Metabolit aus Acrylamid und ungesättigten Fettsäuren: Glycidamid. Als reaktives Epoxid geht Glycidamid leicht Reaktionen mit den Basen der DNA ein.

Was will die EU?

Über bestimmte Faktoren, lässt sich die Bildung von Acrylamid in Lebensmitteln reduzieren: So führt ein geringerer Protein- oder Zuckergehalt, niedrigere Back- oder Brattemperaturen, eine Verkürzung der Garzeit sowie eine Erhöhung des Wassergehalts zu einem Weniger des unerwünschten Beiprodukts.

Diesen Ansatz verfolgt nun auch die EU-Kommission. Ein neu ausgearbeitetes Regelwerk, das am gestrigen Mittwoch in Brüssel das Ok eines Expertengremiums erhielt, sieht strengere Vorgaben für die verarbeitende Lebensmittelindustrie und die Gastronomie vor. So sollen künftig stärkeärmere Kartoffelsorten verwendet werden beziehungsweise der Stärkegehalt durch vorheriges Einweichen reduziert werden. Auch für Brötchen soll künftig eine Bräunungstabelle ein Maximum an Backbräune festlegen, an der sich auch private Haushalte orientieren können.

Wann kommen die neuen EU-Vorgaben zu Acrylamid?

Die neuen Acrylamid-Vorgaben sollen im Frühjahr 2018 in Kraft treten. Nun haben die EU-Mitgliedstaaten erst einmal eine dreimonatige Frist, Einspruch zu erheben, bevor dann wieder die EU-Kommission den Entwurf veröffentlicht.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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