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Interview BPhD-Präsident Max Georgi
Lust auf pharmazeutische Verantwortung, Angst vor dem wirtschaftlichen Risiko
Keine Angst vor Apothekenketten, die Apotheke als tragende Säule des Apothekerberufs und die Filialleitung als Chance für den Nachwuchs, wirtschaftliche Selbständigkeit zu üben: So sehen die Phamaziestudierenden die Zukunft ihres Berufs – und widersprechen so größtenteils den Ergebnissen der Apobank-Umfrage vom Juni. Von Pessimismus keine Spur. DAZ.online hat mit Max Willie Georgi gesprochen, dem Präsidenten des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden.
Mit ihrer Umfrage „Zukunftsbild Heilberufler – Entwicklung der Versorgungsstruktur junger Professionals“ sorgte die Apobank vor einigen Wochen für rege Diskussionen. Warum? Die Ergebnisse zu den Zukunftsszenarien der Apotheken erinnerten mehr an eine Apotheken-Apokalypse denn an optimistischen Tatendrang: Von den 100 befragten jungen
Apothekern im Alter von 25 bis 40 Jahren prophezeite rund die Hälfte das Aus der inhabergeführten
Apotheke. 71 Prozent der in der Apobank-Studie befragten
Jung-Apotheker rechnen ohnehin mit „Privatinvestoren“ mit „Kettenkonzepten“. Fürchten auch
die Pharmaziestudierenden diesen Trend?
DAZ.online hat an der Basis nachgefragt und mit Max Willie Georgi, Präsident des Bundesverbands Pharmaziestudierender in Deutschland (BPhD), gesprochen. Wie sehen Pharmaziestudierende ihre Zukunft als Apotheker? Hellrosa oder tiefschwarz? Georgi zeigt sich optimistisch: Er sieht in der inhabergeführten öffentlichen Apotheke nach wie vor eine tragende Säule des Apothekerberufs. Und Filial-Apotheken seien gerade für junge Approbierte eine hervorragende Möglichkeit, wirtschaftliche Selbständigkeit zu üben.
DAZ.online: „Die inhabergeführte Apotheke als Auslaufmodell“ – hegen Sie und Ihre Kommilitonen diese Bedenken ebenfalls? Laut der Apobank-Studie präferieren nur drei Prozent der männlichen Apotheker eine selbständige Tätigkeit als Apotheker in Einzelapotheken im Jahr 2030.
Georgi: Unter Jungpharmazeuten erleben wir aufgrund der intensiven Ausbildung oft eher die Bereitschaft, pharmazeutische Verantwortung zu übernehmen. Die Herausforderung der wirtschaftlichen Verantwortung, also die Aufgabe eine Apotheke wirtschaftlich zu zu führen, wirkt hingegen gelegentlich abschreckend. Das erleben wir aber auch in anderen Heilberufen. Pharmaziestudierende sehen sich im Studium mit vielen anderen Fragen konfrontiert, weswegen man hier die vielleicht noch fehlende Bereitschaft zur unabhängigen Führung einer Apotheke nicht überbewerten darf. Deswegen muss die inhabergeführte Apotheke kein Auslaufmodell sein. Allerdings sehen wir durchaus jetzt schon eine Zentralisierung mit einem Anstieg von Filialen zulasten selbständiger Einzelapotheken. Mein Eindruck ist, dass es vor allem junge Kollegen sein werden, die eine Filialleitung übernehmen möchten, weil sie hier genau das haben: pharmazeutische Verantwortung ohne das volle wirtschaftliche Risiko.
DAZ.online: Denken Sie, dass auch in Deutschland, wie bereits in anderen europäischen Ländern, Apothekenketten bald Realität werden?
Georgi: Davon bin ich weniger überzeugt. Momentan sehe ich das System mit maximal vier Apotheken pro Inhaber als relativ solide aufgestellt. Und glücklicherweise zweifelt dies derzeit auch fast niemand an. Werden auch weiterhin die Vorteile der Preisbindung und der pharmazeutischen Beratung hochgehalten und gesehen, wird es in naher Zukunft auch keine Apothekenketten geben.
Zukunftskonzept: Medizinsch-pharmazeutische Versorgungszentren
DAZ.online: Was muss sich im aktuellen System ändern, damit Apotheken auch für junge Apotheker attraktive Arbeitsplätze bleiben? Wo sollte sich Ihrer Ansicht nach die öffentliche Apotheke noch entwickeln?
Georgi: Wir bewegen uns in unsicheren Zeiten, in denen kaum jemand zu sagen vermag, wo sich die Apotheke und der Apothekenmarkt in den kommenden Jahren hin entwickeln. Die Forderung nach interprofessioneller Patientenbetreuung wird hierbei, vor allem auch unter den Studierenden und Jungapprobierten, immer lauter. Daher sollte man über tragfähige Zukunftskonzepte für die öffentliche Apotheke nachdenken. Wir sollten nicht bereit sein, die Säulen des Apothekenwesens – und da gehört die inhabergeführte Apotheke dazu – einfach so aufzugeben. Dafür müssen wir aber nach zukunftsfähigen Lösungen suchen, dass der administrative Aufwand der Apotheken nicht immer noch höher wird, wohingegen sich Ärzte mehr und mehr in Medizinischen Versorgungszentren zusammenschließen. Spinnt man diesen Gedanken weiter, kann man vielleicht auch von interprofessionellen Medizinischen Versorgungszentren mit medizinischem und pharmazeutischem Personal träumen. Und, neben gesetzlichen Fragezeichen, die sich daraus ergeben, vielleicht auch weiter- und über Möglichkeiten nachdenken, die Inhaberschaft solcher Einrichtungen auszuweiten.
Georgi: Wir fühlen uns von der ABDA nicht allein gelassen
DAZ.online: Wie sehen Sie die Machart der Umfrage? Sind die Aussagen für Sie aussagekräftig genug?
Georgi: Leider wurden die Teilnehmer der Studie offenbar nicht unbedingt zum Weiterdenken angeregt, weshalb die Daten der Umfrage vielleicht erschrecken mögen. Wenn man die Befragten jedoch zu ihren Vorstellungen befragt hätte, hätte sich hier vielleicht eine seltene Gelegenheit ergeben, in wenigstens einen kleinen Teil der jungen Kollegen hineinzuhören. Das jedoch ist natürlich nicht eigens Aufgabe der Apobank, sondern vielmehr unserer Standesvertretung.
DAZ.online: Haben Sie denn das Gefühl, dass sich Kammern und Verbände genug um den Nachwuchs kümmern und auch für die Arbeit in der Apotheke werben?
Georgi: Einige Kammern bemühen sich auf jeden Fall, indem sie schon junge Apotheker zu sich holen. Die Kammer Thüringen ist auch schon in der Zeit an der Universität präsent und gibt uns Ausblicke auf das spätere Berufsleben. Bundesweit ist so etwas schwieriger.
DAZ.online: Die politischen Gegner der ABDA werfen ihr ja vor, dass sie ihren Nachwuchs allein lassen. Können Sie das bestätigen?
Georgi: Nein, das würde ich nicht so sagen. Natürlich sind wir als junge Generation von Zeit zu Zeit etwas frustriert, wenn unsere Vorstellungen und die Vorstellungen der ABDA oder BAK auseinandergehen. Wir sind aber auch froh darüber, dass sie sich trotzdem auch um den Dialog bemühen, ein offenes Ohr für uns haben und uns als BPhD unterstützen.
DAZ.online: Immerhin will die ABDA ja bald ein U40-Treffen ausrichten. Was halten Sie davon?
Georgi: Wir begrüßen das sehr! Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Standespolitik muss sich eben auch um ihre jungen und zukünftige Mitglieder kümmern und deren Interessen vertreten. Wir sind sehr gespannt, was bei dem Treffen herauskommt. Potential hat es allemal!
Approbation als Türöffner
DAZ.online: Zurück zur Apobank-Umfrage: Wie bewerten Sie die Basis der Umfrage mit 100 teilnehmenden Apothekern? Durchaus repräsentativ, spiegelt sie doch zumindest eine Tendenz in der Apothekerschaft wider – oder ohne jegliche Aussagekraft, bei knapp 63.000 beschäftigten Apothekern in der Bundesrepublik (ABDA: Stand 2015)?
Georgi: Die Umfrage ist nicht repräsentativ. Es sind es zu wenig Teilnehmer, um die Ergebnisse auf den kompletten Berufsstand zu übertragen. Auch wird aus den Ergebnissen nicht ersichtlich, in welchem Bereich die Teilnehmer aktuell arbeiten, was sicherlich einen besseren Einblick auf den Hintergrund mancher Antworten geben würde.
DAZ.online: Erachten Sie die tarifliche Vergütung der Apotheker für angemessen?
Georgi: Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Vergütung für Apotheker zu niedrig angesetzt. Das gilt im Übrigen auch für den Ausbildungsberuf der PTA und für Pharmaziestudierende im Praktikum. Für Letztere sollte zumindest der gesetzliche Mindestlohn angestrebt werden. Erschreckenderweise zeigt die Umfrage aber, dass bei Apothekern die Erwartungen hinsichtlich Lohnsteigerungen am niedrigsten sind. Dieser Pessimismus sollte uns zu denken geben: Wenn andere Heilberufler wie Ärzte und Zahnärzte der Meinung sind, dass im Gesundheitswesen noch mehr Geld rauszuholen ist und allein die Apotheker nicht.
DAZ.online: 70 Prozent der Befragten erklärten in der Apobank-Umfrage, dass künftig „der Heilberufler vorrangig als Unternehmer tätig sein“ wird und auch eher als Dienstleister verstanden wird, denn als beratender Arzneimittelexperte. Wie sehen die Pharmaziestudenten das?
Georgi: Im Studium wird den Studierenden sehr viel Wissen vermittelt. Im Hauptstudium wird dabei auch an einigen Stellen bereits auf die Offizin und Beratung hingewiesen. Natürlich gibt es einige Tätigkeiten in der Offizin, die sich wiederholen und die eine Routine aufbauen. Aber jeder Kunde und jedes Beratungsgespräch ist verschieden und die Probleme sind vielseitig. Wir werden nicht darauf vorbereitet, einfach ein reiner Dienstleister zu sein, auch wenn dies ein Teil der Tätigkeit ausmacht.
DAZ.online: Die Apobank-Umfrage hat einen klaren Favoriten bei den Tätigkeitsbereichen der Apotheker: Rund 50 Prozent möchten in die Industrie oder der Forschung pharmazeutisch arbeiten. Welche Tendenz erkennen Sie bei Ihren Kommilitonen?
Georgi: Vor zwei Jahren hat der Verband eine große Umfrage zum Thema Zukunft des Studiums durchgeführt. Insgesamt haben damals zwölf Prozent aller Studierenden teilgenommen und ihre Berufswünsche geäußert: Ein Drittel möchte auf jeden Fall in die Offizin nach dem Studium. Für den Großteil sind jedoch auch die anderen Berufszweige wie Krankenhaus (22 Prozent), Industrie (24 Prozent) oder Forschung/Universität (15 Prozent) interessant. Die Approbation bietet uns die wunderbare Möglichkeit, vieles auszuprobieren und auch später noch Wahlmöglichkeiten im Beruf zu haben.
1 Kommentar
Erfrischend
von Christian am 21.07.2017 um 18:02 Uhr
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