Verhütungsmittel, Diclofenac, Antibiotika

Wie kommen Arzneimittel ins Abwasser – und wie wieder heraus?

Düsseldorf - 26.07.2017, 07:00 Uhr

Jeden Tag gelangen Arzneimittel ins Abwassersystem - eine Forschergruppe aus Bayern arbeitet daran, wie man die Wirkstoffe wieder herausfiltern kann. (Foto: dpa)

Jeden Tag gelangen Arzneimittel ins Abwassersystem - eine Forschergruppe aus Bayern arbeitet daran, wie man die Wirkstoffe wieder herausfiltern kann. (Foto: dpa)


Metabolisiert oder nicht fachgerecht entsorgt, gelangen tagtäglich Arzneimittel ins Abwassersystem. Das Team um den Ingenieur Dr. Stefanos Georgiadis an der Universität Erlangen-Nürnberg arbeitet an Methoden, Arzneimittelwirkstoffe und ihre Metabolite aus dem Abwasser zu entfernen. Bei über 2900 verschiedenen Wirkstoffen ist das eine technische Herausforderung.

Wenn man sich die Zahlen vor Augen hält, wird klar, dass es ein Problem gibt: Über 8500 verschiedene Arzneimittel mit rund 2900 unterschiedlichen Wirkstoffen sind derzeit verfügbar. Allein in der Humanmedizin kommen 30.000 Tonnen jährlich davon zum Einsatz, dazu kommen noch einmal gewaltige Mengen aus der Veterinärmedizin respektive der Tiermast. Metabolisiert und auch – wenn nicht fachgerecht entsorgt – unverändert, gelangen viele diese Wirkstoffe letzten Endes über die Toiletten ins Abwasser oder, im Falle der Tierhaltung, unter anderem über Gülle-Ausbringung ins Grundwasser.

„Das Thema ‚Arzneimittelrückstände in aquatischen Systemen‘, allgemein formuliert, geht ja weit über den kommunalen Abwasserbereich hinaus. Es wird uns in den kommenden Jahren viel Forschungspotenzial aufzeigen, weil wir bei einer großen Anzahl von Wirkstoffen deren Interaktion mit der Umwelt im Detail oft nicht kennen“, sagt der promovierte Ingenieur Stefanos Georgiadis, dessen Team am Lehrstuhl für Medizinische Biotechnologie an der Universität Erlangen-Nürnberg an Methoden forscht, Wirkstoffe und ihre Metaboliten mit Adsorbtionstechnologien aus dem Abwasser zu filtern. Gefördert wird das Projekt dabei unter anderem durch einen Sonderfonds des Universitätsbundes.

„Nur“ 200 Wirkstoffe zu entfernen, ist herausfordernd

Verfahren zu entwickeln, die alle 2900 Wirkstoffe aus dem Wasser entfernen würden, seien aus wirtschaftlicher Sicht wohl nicht vertretbar, sagt der Forscher. Daher müsse man sich zunächst die Frage stellen, welche der Stoffe nach der Passage durch eine herkömmliche Kläranlage nicht am Klärschlamm binden oder biologisch abbaubar seien und die letztlich im Oberflächenwasser akkumulierten. Das reduziere die Anzahl der relevanten Wirkstoffe auf „nur“ noch rund 200. „Aber auch eine simultane Eliminierung von ‚nur‘ 200 Wirkstoffen stellt für die Verfahrensentwicklung eine sehr große Herausforderung dar“, sagt der Wissenschaftler.

„Aus diesem Grund setzen wir verstärkt auf die Adsorption und die Suche nach geeigneten wirkstoffgruppenspezifischen Adsorbenzien, die es im modularen Mix erlauben, typisch auftretende, signifikante Wirkstoff-Cocktails in Kläranlagen weitgehend simultan zu eliminieren“, sagt Georgiadis. Der Vorteil von Adsorptionstechniken gegenüber anderen sei dabei, dass die Wirkstoffe nicht verändert würden, Bei anderen Verfahren wie UV-Bestrahlung, Ozonisierung oder Elektrolyse könnten sonst Metaboliten mit einem möglicherweise höheren toxischen Potenzial für die Umwelt oder auch für den Menschen entstehen. Über das Trinkwasser kommen einmal in die Umwelt und das Grundwasser gelangte Stoffe unter Umständen nämlich auch wieder zum Menschen zurück.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Nachweisgrenze

von Karl Friedrich Müller am 26.07.2017 um 14:01 Uhr

Homöopathischartige Verdünnungen, die offensichtlich (umweltschädlich) wirken.
Nur mal so.

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AW: Nachweisgrenze

von Karl Friedrich Müller am 26.07.2017 um 14:12 Uhr

Jetzt werde ich gleich gekillt ;-))

Ingenieurtechnischen Anteil OK

von Andreas Grünebaum am 26.07.2017 um 9:09 Uhr

Auch wenn die Relevanz der knapp über der Messgrenze liegenden gefundenen Konzentrationen im Abwasser fraglich erscheint, ist es begrüßenswert, wenn die Aufbereitung des Abwassers im Allgemeinen in ökonomisch vertretbarer Weise verbessert werden kann. Schließlich gelangen auch ganz andere Chemikalien täglich in die Abwässer.

Was allerdings die Ökoreligiösen Nachsätze angeht: Die sachgerechte Entsorgung von Arzneimittel erfolgt eben nicht über die Apotheke, sondern über den später thermisch entsorgten Hausmüll. Das wäre den Haushalten z.B. über den Müllkalender nur deutlicher zu kommunizieren. Es ist abzulehnen, dass den Apotheken hier zusätzliche Kosten auferlegt würden.
Das Gerede über "kleinere Packungsgrößen" und "besser abbaubare Wirkstoffe" braucht man erst gar nicht kommentieren.

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