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Temperatur-Studie
Die kritischen Transportwege der Versandapotheken
Mag Kunden von Versandapotheken nach jüngster Rechtsprechung auch ein Widerrufsrecht beim Arzneimittelkauf zustehen: Die zurückgeschickten Arzneimittel wieder in den Verkehr zu bringen, dürfte in der Regel unzulässig sein. Darauf verweist nicht nur die ABDA. Auch eine Temperatur-Studie eines Pharma-Dienstleisters verdeutlicht, warum dies so ist.
Diese Woche veröffentlicht der Verbraucherzentrale Bundesverband ein aktuelles – und noch nicht rechtskräftiges – Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg. Demnach dürfen Versandapotheken in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Verbrauchern im Fernabsatz zustehende Widerrufsrecht nicht generell ausschließen. Das Gericht räumt ein, dass das bei Arzneimitteln problematisch sein kann. Doch der Gesetzgeber müsse für eine klare Regelung sorgen, wolle er für diese spezielle Ware das Widerrufsrecht ausschließen.
Die ABDA kann das nachvollziehen: Unter Berücksichtigung der neueren europarechtlichen Vorgaben aus der Verbraucherrechterichtlinie, die in § 312g Abs. 2 BGB umgesetzt worden sind, habe das Gericht diesen Ausschluss „zutreffenderweise“ für unzulässig gehalten, erklärte ein ABDA-Sprecher gegenüber DAZ.online. Das früher zur Rechtfertigung eines solchen Ausschlusses geltende „rechtliche Verderben“ könne nach neuer Rechtslage so nicht mehr herangezogen werden. Der Sprecher weist allerdings darauf hin, dass Versandapotheken den Widerruf für ursprünglich versiegelte Arzneimittel, die geöffnet wurden, nach wie vor ausschließen können. Dies werde ab 2019 besonders relevant sein, wenn die EU-Fälschungsrichtlinie greifen wird und Verpackungen mit besonderen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet sein müssen.
Der ABDA-Sprecher betonte zudem, dass die Frage des Widerrufsrechts zu trennen ist von der Frage, ob die zurückgeschickten Arzneimittel überhaupt noch einmal in den Verkehr gebracht werden dürfen. „Dies dürfte regelmäßig aufgrund nicht sicherzustellender unversehrter Qualität unzulässig sein“, so die Auffassung der Standesvertretung.
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Arzneimittel die zum Verbraucher und gegebenenfalls wieder zurück zur Versandapotheke geschickt werden, in der Regel einen unkontrollierten Weg hinter sich haben. Kritisch ist zum Beispiel die Einhaltung von Temperaturvorgaben. Schon im Jahr 2015 hatte die Apothekerkammer Nordrhein in Stichproben festgestellt, dass hierauf beim Arzneimittelversand offenbar kein besonderes Augenmerk gelegt wird.
Temperaturvorgaben um 20°C unterschritten
Diese Annahme jetzt auch durch eine diese Woche veröffentlichte Studie gestützt. Hinter der Studie steht der in der Nähe von Stuttgart angesiedelt Dienstleister EIPL (European Institute for Pharma Logistics), ein Dienstleistungsunternehmen, das an der pharmazeutischen Lieferkette beteiligte Firmen berät. Dieser hat Anfang des Jahres zum einen verschiedene Arzneimittel online bei nicht genannten Versandapotheken bestellt. Zum anderen hat er zur gleichen Zeit selbst 100 mit Temperatur-Sensoren ausgestattete Test-Päckchen verschickt. Und zwar über die fünf von Online-Apotheken standardmäßig gewählten Paketdienstleister. Weil er die Empfänger bewusst falsch angab, wurden die Pakete als unzustellbar zurück an die EIPL GmbH gesendet. Auf diese Weise sollten die Temperaturbedingungen beim Transport über die Paketdienste nachvollzogen werden.
Nun präsentiert das in Apotheken- und Großhandelskreisen eher unbekannte Unternehmen seine Auswertung. Sie zeigt: Auch temperatursensible Medikamente werden von den Online-Apotheken nur in normalen Versandkartons geliefert – und sind damit unzureichend geschützt vor zu tiefen oder zu hohen Temperaturen. Zudem wurden die Temperaturbedingungen in vielen Fällen nicht eingehalten. Als Beispiel nennt EIPL den Paracetamol-Saft von Stada, der laut Beipackzettel nicht unter +8°C zu lagern (und damit zu transportieren) ist. Die zeitgleich mit demselben Dienstleister versandten Test-Päckchen mit den Temperatur-Sensoren zeigen, dass die Pakete während der Auslieferung Temperaturen von bis zu -12°C ausgesetzt waren – und das in bis zu 48 Stunden Versandzeit. In einem Fall wurde der temperatursensible Paracetamol-Saft sogar mit kühlpflichtigen Medikamenten geliefert – zusammen mit einem Kühl-Akku in der Verpackung.
Kostenersparnis vor Qualität?
„Vom Hersteller haben wir die klare Aussage erhalten, dass dieses Produkt in solch einem Fall keinesfalls mehr verwendet werden soll“, sagt EIPL-Geschäftsführer Christian Specht. „Denn laut Hersteller kann die Wirksamkeit dann nicht mehr garantiert werden.“ Für Specht sind die Ergebnisse der Studie in der gegenwärtigen Versandhandels-Diskussion nicht zu unterschätzen, denn hier wird seines Erachtens zu viel über die Kosten und zu wenig über Qualität gesprochen: „Aus unserer Sicht zeigt der Feldtest deutlich auf, dass das Konzept der Online-Versandapotheken nicht aufgeht. Denn beim jetzigen Versandweg über die herkömmlichen Paketdienstleister bleiben die Transportqualität und damit die Patientensicherheit ganz klar auf der Strecke“.
Versandapotheken müssten also letztlich die Konsequenz ziehen, zurückgeschickte Arzneimittel zu vernichten. Ob dies tatsächlich immer geschieht, ist schwerlich zu kontrollieren.
5 Kommentare
Kritische Transportwegw
von Ratatosk am 31.07.2017 um 10:08 Uhr
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A. Peter vrs U.Ströh
von Heiko Barz am 29.07.2017 um 11:24 Uhr
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Skandal
von Anita Peter am 28.07.2017 um 17:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Skandal?
von Ulrich Ströh am 28.07.2017 um 19:27 Uhr
AW: Skandal
von Nicht-so-schnell am 30.07.2017 um 12:30 Uhr
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