Parallelimporte in der Kritik

Kohlpharma wehrt sich gegen „unseriöse und tendenziöse” Berichterstattung

Berlin - 28.07.2017, 17:40 Uhr

Ein Geschäftsmodell mit Nebenwirkungen für andere Staaten? Der Parallelhandel mit Arzneimitteln steht einmal wieder in der Kritik. (Foto: Kohlpharma)

Ein Geschäftsmodell mit Nebenwirkungen für andere Staaten? Der Parallelhandel mit Arzneimitteln steht einmal wieder in der Kritik. (Foto: Kohlpharma)


Kohlpharma wehrt sich gegen Vorwürfe, sein Geschäftsmodell des Arzneimittel-Parallelhandels sorge für Engpässe in Rumänien. Das Recherche-Netzwerk Correctiv und das RTL-Nachtjournal haben über diese Engpässe berichtet und das Unternehmen und seine Lobbyarbeit aus dem Saarland hierfür mitverantwortlich gemacht.

Am gestrigen Donnerstag hat das RTL Nachtjournal spezial über Lieferengpässe in Rumänien berichtet. In dem Beitrag klagt ein Vater, dass das Epilepsie-Arzneimittel für seinen Sohn nicht erhältlich ist. Der Beitrag entstand durch gemeinsame Recherche mit Correctiv, das seinerseits den Artikel „Die Medikamente der Anderen“ veröffentlichte. Die Botschaft: In Staaten wie Rumänien fehlen lebenswichtige Medikamente, weil sie von Ländern wie Deutschland günstig aufgekauft werden, um den Preisunterschied auszunutzen. Und das werde auch noch durch den Gesetzgeber gefördert, denn Apotheken sind hierzulande gehalten, wirtschaftliche Importe abzugeben. Der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung schreibt eine Importquote von 5 Prozent vor.

Kritik an der Importförderung gibt es schon lange. Die kommt von den Originalherstellern, wie von Apothekern – und sogar von Krankenkassen. Die AOK Baden-Württemberg macht die Quote regelmäßig zum Thema. Aus ihrer Sicht sind die geringen Einsparungen den Aufwand nicht wert. Auch im Zusammenhang mit Arzneimittelfälschungen wird regelmäßig Kritik laut. Kohlpharma wehrt sich beständig gegen Versuche, die gesetzliche Förderung zu kippen. Und tatsächlich hält der Gesetzgeber bislang an der Förderung der Importe fest, mögen einzelne Abgeordnete auch Zweifel an ihr äußern. Daran hat sich auch nichts geändert, seit es hierzulande günstige Arzneimittel gibt, die in andere Länder exportiert werden.

Kohlpharma: Rumänischer Großhandel voll lieferfähig

Im Beitrag des RTL Nachtjournals und von Correctiv kommt Kohlpharma nicht gut weg. Doch das Unternehmen aus dem Saarland kontert nun mit einer siebenseitigen Pressemitteilung. Der Tenor: Die Berichte seien unseriös sowie tendenziös, sie basierten auf falschen Behauptungen und seien zudem interessengeleitet konstruiert. Falsch sei bereits der Ausgangspunkt: Die im den Beitrag genannten Präparate Trileptal, Humira und Avastin sind laut Kohlpharma nach schriftlicher Bestätigung eines marktführenden rumänischen Großhändlers in den letzten Monaten voll lieferfähig gewesen. „Dem Hauptvorwurf des Beitrages, dass der Arzneimittelimport somit unmittelbar zu Knappheiten in Rumänien führt ist damit jedwede Basis entzogen“.

Sodann nimmt Kohlpharma zu weiteren Punkten der Berichte Stellung. Ein Beispiel: In der rumänischen Apotheke im Fernsehbeitrag werde kein Originalrezept vorgelegt, sondern lediglich eine Kopie. Darauf sei Trileptal in zwei Wirkstärken verordnet, nämlich 300 mg und 600 mg für denselben Patienten. „Das ist keine sinnvolle Medikation und lässt vermuten, dass es sich um ein Fake- Rezept handelt“, behauptet das Merziger Unternehmen. Verschwiegen werde zudem, dass Trileptal mit dem Wirkstoff Oxcarbazepin in Deutschland generisch ist und dieser Wirkstoff von zahlreichen generischen Firmen zu deutlich geringeren Preisen angeboten werde.

Politische Fürsprecher ohne Interessenskonflikte

Auch die Lobby-Verstrickungen weist Kohlpharma zurück. So wird dem Unternehmen vorgehalten, Anfang 2014 mit Oliver Luksic einen Berater verpflichtet zu haben, der sich bestens auf dem europäischen Medikamentenmarkt auskennt. Der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete und Spitzenkandidat für die saarländische FDP sei im europäischen Parlament als Lobbyist für den europäischen Dachverband der Arzneimittel-Importeure (EAEPC) registriert.

Doch Kohlpharma weist die Behauptung, Oliver Luksic sei für das Unternehmen tätig, zurück. Tatsächlich arbeite er für den EAEPC, einen Interessenkonflikt habe er aber nicht. Seine Partei sei weder im Saarländischen Landtag noch im Bundestag vertreten und auch als Bundestagsabgeordneter sei er nie im Bereich Gesundheit tätig gewesen.

Den ebenfalls als Kohlpharma-„Fürsprecher“ genannten FDP-Politiker und früheren Europa-Abgeordneten aus dem Saarland, Jorgo Chatzimarkakis, nimmt das Unternehmen ebenfalls in Schutz. „Es ist mehr als normal, dass sich Abgeordnete für die wichtigen Arbeitgeber und deren Arbeitsplätze in ihren Herkunftsregionen einsetzen, sofern das lauter ist“.

Recherchebüro widerspricht Kohlpharma

In einer Stellungnahme erklärte Correctiv, die Behauptungen von Kohlpharma seien bis auf ein Detail – der Kohlpharma-Geschäftsführer Jörg Geller ist anders als von Correctiv zunächst geschrieben erst seit 2010 im Amt – nicht zutreffend beziehungsweise nicht stichhaltig. So lägen dem rumänischen Gesundheitsministerium Meldungen über Lieferprobleme vor. Auch die Kohlpharma-Darstellung in Bezug auf das im Beitrag gezeigte Rezept sei falsch: „Es handelt sich um ein echtes Rezept und die Verordnung unterschiedlicher Wirkstärken ist bei Mangelpräparaten nicht unüblich“, erklärt Correctiv. Der Patient benötige die Dosierung von 300 mg, notfalls könne er über das Rezept die 600 mg-Tabletten halbieren.

Andere der nach Ansicht von Correctiv „irreführenden Behauptungen“ von Kohlpharma laufen ins Leere, erklärt das Recherchebüro, da es beispielsweise einige unterstellte Aussagen gar nicht aufgestellt habe. Für bedenklich hält Correctiv, dass der Reimporteur in seiner Presseerklärung den Namen des jungen Patienten aus dem Beitrag genannt hat, der darum gebeten habe, nicht namentlich erwähnt zu werden. „Wir fordern die Firma auf, den Namen aus der Pressemitteilung zu löschen und sich für diesen schwerwiegenden Verstoß zu entschuldigen“, erklärt Correctiv.

Letztlich lässt sich vor allem eines sicher sagen: Das Thema Arzneimittel-Importe ist und bleibt ein Dauerbrenner, das sicherlich auch in der kommenden Legislaturperiode spannend bleiben wird.

Update: Die Stellungnahme Correctivs wurde nachträglich in den Artikel aufgenommen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Engpässe gewollt !

von Ratatosk am 28.07.2017 um 18:31 Uhr

Sind schon in D immer mehr Produkte nicht lieferbar sind, was die Ministerialen in D noch nicht mitbekommen haben, ist es unausweislich, daß der zusätzliche Import aus ärmeren Ländern natürlich betroffen sind. Wie stark, darüber kann man diskutieren. Es zu leugnen in Politik und GKV zeigt, daß das Trumpsche Prinzip des Postfaktischen Lügens gerne angenommen wurde.

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