Neue Empfehlungen der AkdÄ

Kassen wollen mit Biosimilars weiter sparen

Berlin - 31.07.2017, 17:40 Uhr

Die Produktion von Biologika und ihren Biosimilars ist komplex. Allgemeinen Ortskrankenkassen sehen Einsparpotenzial. (Foto: Boehringer Ingelheim)

Die Produktion von Biologika und ihren Biosimilars ist komplex. Allgemeinen Ortskrankenkassen sehen Einsparpotenzial. (Foto: Boehringer Ingelheim)


Bei Biosimilars sind sich Hersteller und Kassen einig: Das Sparpotenzial der Nachahmer biotechnologisch hergestellter Arzneimittel ist lange nicht ausgeschöpft. Laut Wissenschaftlichem Institut der AOK wird es nur zu einem Viertel genutzt. Doch viele Ärzte zögern offenbar bei der Verordnung. Nach einer neuen Empfehlung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gibt es dafür keinen Grund.

Biologika sind Proteine, die in einem komplexen biotechnologischen Prozess in  lebenden gentechnisch veränderten Mikroorganismen oder Zellen produziert werden. Seit einigen Jahren wächst ihre Bedeutung im Arzneimittelmarkt rasant, gleichzeitig sind die Produkte teuer. Laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) haben sich die Bruttoumsätze für Biologika in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. 2016 sei mehr als jeder fünfte Euro des gesamten GKV-Bruttoumsatzes für Fertigarzneimittel auf diese Gruppe entfallen (21,5 Prozent).

Viele Biologika genießen noch Patentschutz, sodass es keinen Preiswettbewerb gibt. Doch bei sieben ist dieser mittlerweile abgelaufen und gibt es Nachahmer – Biosimilars. Das erste Biosimilar in Europa wurde im Jahr 2006 zugelassen. Mittlerweile sind es 29 an der Zahl.

214 Millionen Euro theoretisches Einsparpotenzial

Das WIdO hat sich den Biosimilar-Markt nun genauer angeschaut. Dabei kam es zu der Erkenntnis, dass die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2016 rund 77 Millionen Euro mithilfe von Biosimilars eingespart haben. Laut WidO ist das jedoch nur ein Viertel des gesamten Potenzials. Bei konsequenter Umsteuerung vom Original auf ein Biosimilar hätten im vergangenen Jahr weitere 214 Millionen Euro eingespart werden können, so das WidO in einer Pressemitteilung.

Eine hundertprozentige Umstellung ist sicherlich unrealistisch – doch Potenzial gibt es allemal. Dass Patienten hierdurch nicht gefährdet sind, ist WidO-Geschäftsführer Helmut Schröder überzeugt: „Patienten können mit Biosimilars ohne Qualitätsverlust deutlich günstiger versorgt werden.“

Denn Biosimilars sind im Mittel rund ein Viertel preiswerter als die ehemals patentgeschützten Präparate. Wie häufig Ärzte auf Biosimilars umstellen, unterscheidet sich jedoch je nach Region und Wirkstoff deutlich. Rationale Gründe dafür gibt es nicht. Es ist eine Frage, wie die Ärzte informiert sind und ob es regionale Vereinbarungen über zu erzielende Quoten gibt.

AkdÄ: Austausch ist Sache des Arztes

Ein aktueller, erstmals erstellter Leitfaden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu Biosimilars vom 26. Juli 2017 zeigt nun, dass die Bedenken zu Unrecht so groß sind. Experten der AKdÄ haben den aktuellen Erkenntnisstand zum Thema analysiert und geben sodann Empfehlungen zum Einsatz von Biosimilars im Praxisalltag. Diese laufen letztlich darauf hinaus: „Biosimilars sind bezüglich der therapeutischen Wirksamkeit, der Verträglichkeit und der Sicherheit in allen zugelassenen Indikationen gleichwertig dem jeweiligen Referenzarzneimittel und können wie dieses eingesetzt werden“.

Die AkdÄ empfiehlt daher sowohl bei der Erstverordnung von Biologika als auch bei der Folgeverordnung zur Fortsetzung der Therapie jeweils die wirtschaftlichere Verordnungsalternative auszusuchen. Voraussetzung ist dabei, dass eine praxistaugliche Einzeldosisstärke (zur Vermeidung von Kosten durch Verwurf) und eine für die Behandlung geeignete Darreichungsform (zum Beispiel ein Applikationssystem wie ein Injektor, Pen, oder eine Fertigspritze) verfügbar sind, sowie dass eine Zulassung für die zu behandelnde Erkrankung vorliegt.

Nach Auffassung der AkdÄ ist die ausführliche Patienteninformation und -beratung durch den Arzt eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz von Biosimilars. Andernfalls könnten sachlich unbegründete Ängste die Adhärenz mindern. „Ein unabhängig von der ärztlichen Verordnung erfolgender Austausch im Sinne einer automatischen Substitution von Referenzarzneimitteln gegen Biosimilars ist daher abzulehnen“. Das heißt im Klartext: In die Hände von Apothekern will die AkdÄ den Austausch nicht so einfach legen wie bei Generika.  

WidO-Chef Schröder dürfte nun hoffen, dass sich die Ärzte die AkdÄ-Empfehlungen zu Herzen nehmen: „Angesichts der weiteren Biologika, die die pharmazeutische Industrie in der Forschungspipeline hat, muss das vorhandene Potenzial bei den Biosimilars ausgeschöpft werden“. Er stellt allerdings auch die Frage, warum Biosimilars im Durchschnitt nur ein Viertel weniger kosten als die Produkte der ehemaligen Patentschutzinhaber. „Es besteht aktuell die Gefahr, dass trotz Patentauslauf nur wenig Preiswettbewerb ausgelöst wird“, fürchtet Schröder. Bei Generika und ihren chemisch-synthetischen Originalen sind die Kassen tatsächlich ganz andere Preisunterschiede gewohnt.

Doch die Biosimilar-Hersteller verweisen hier darauf, dass die Biosimilar-Herstellung ungleich teurer und komplexer ist als die von Generika. Schröder setzt nun auf „neue Lösungsansätze für einen Wettbewerb nach dem Patentauslauf“, ohne diese genauer zu benennen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Apotheker wieder vom Schlitten gefallen?

von Dr Schweikert-Wehner am 31.07.2017 um 19:46 Uhr

Hab nur ich den Eindruck dass wir den Zug Biosimilars verpasst haben?
Ist unsere AMK nicht kompetent genug?
Ist die DPHG zu konservativ?
Gibt die ABDA das Geld an der falschen Stelle aus?
Oder warten wir, wie immer mal ab dass die Ärzteschaft die Themen besetzt und die Lorbeeren und die Vergütung kassiert?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.