Klinische Studie

Ein Schritt Richtung Immuntherapie gegen Typ-1-Diabetes

Stuttgart - 10.08.2017, 09:00 Uhr

So weit, dass Typ-1-Diabetiker ohne Insulin auskommen, ist man noch nicht,.Aber eine aktuelle Studie soll ein wichtiger Schritt sein.  (Foto: S.Kobold / Fotolia)

So weit, dass Typ-1-Diabetiker ohne Insulin auskommen, ist man noch nicht,.Aber eine aktuelle Studie soll ein wichtiger Schritt sein.  (Foto: S.Kobold / Fotolia)


Immuntherapien als Diabetes-„Impfung“ konnten bislang kaum überzeugende Ergebnisse vorweisen. Nun veröffentlichen Forscher Daten einer klinischen Studie unter 19 neu diagnostizierten Typ-1-Diabetikern, bei denen in einem Zeitraum von 12 Monaten eine Stabilisierung des Insulinbedarfs erreicht werden konnte. Laut einem deutschen Experten handelt es sich um einen wichtigen Schritt, doch noch nicht um einen entscheidenden Sprung auf dem Weg zur Abschaffung der täglichen Insulin-Spritzen für Typ-1-Diabetiker.

Das Fachblatt „Science Translational Medicine“ kündet es als Meilenstein an: In einer Placebo-kontrollierten klinischen Studie haben Wissenschaftler aus Großbritannien gezeigt, dass eine Immuntherapie für Typ-1-Diabetes sicher ist und positive Stoffwechseleffekte hat. In den vergangenen Jahren hatten Forscher schon mehrfach Diabetes-„Impfungen“ untersucht, die die zunehmende Zerstörung der Insulin-produzierenden Beta-Zellen in der Pankreas durch Autoantikörper aufhalten sollen.

Forscher um den Endokrinologen Mohammad Alhadj Ali von der Universität im britischen Cardiff untersuchten 27 Probanden, bei denen zuvor höchstens innerhalb von 100 Tagen Typ-1-Diabetes festgestellt worden war, im Rahmen einer Phase-1b-Studie. Sie erhielten über sechs Monate entweder ein Placebo oder in 2- oder 4-Wochen Intervallen eine Immuntherapie mit einer Präinsulin-Peptid-Präparation, welche unter die Haut injiziert wurde. Auch in einem sechsmonatigen Beobachtungszeitraum stellten sie keine schweren Nebenwirkungen fest – sowie auch keine Beschleunigung des Abbaus der Beta-Zellen, wie es zuvor teilweise befürchtet worden war.

Während der Insulinbedarf in der Placebo-Gruppe innerhalb eines Jahres um 50 Prozent anstieg, blieb der Bedarf bei den Patienten, die die Immuntherapie erhielt, laut der Studie stabil. Womöglich verlangsamte die Behandlung auch das Absterben der beta-Zellen, wie immunologische Marker im Blut der Versuchspersonen nahelegten. Laut den Forschern handelt es sich bei der Immuntherapie daher um eine mögliche Behandlungsoption für Typ-1-Diabetiker, wobei noch deutlich größere Studien zur Wirksamkeit notwendig seien. 

Laut deutschem Experten kein Durchbruch, aber wertvolle Daten

Der Direktor des „Center for Regenerative Therapies“ an der Technischen Universität Dresden, Ezio Bonifacio, begrüßt, dass die Forscher mit ihrer neuen Studie Patienten kurz nach Diagnose ihrer Erkrankung untersucht haben – also zu einem Zeitpunkt, wo die Behandlung in der klinischen Praxis wirklich helfen kann. Seiner Einschätzung nach ist die Untersuchung ein „wichtiger Schritt“, aber noch nicht der entscheidende Sprung. „Sie liefert allerdings wertvolle Daten, die Diabetes-Forscher benötigen, um ihre Strategien im Bereich der Immuntherapie gegen Typ 1 Diabetes verbessern zu können“, erklärte er zu der Veröffentlichung.

Seiner Einschätzung nach werden die aktuellen Ergebnisse das Leben von Patienten mit einem diagnostizierten Typ 1 Diabetes noch nicht verändern. „Wenn die Behandlung aber frühzeitig nach der ersten Diagnose erfolgt und ein Patient positiv auf die Peptid-Impfung reagiert, dann lässt sich womöglich ein Zustand bewahren, in dem sich in der Bauchspeicheldrüse noch einige insulinproduzierende Beta-Zellen befinden“, erklärte Bonifacio. „Diese können den Patienten noch etwas Insulin liefern, aber das würde leider nicht reichen, dass der Patient aufhören kann, täglich Insulin zu spritzen.“

Nach Ansicht des Dresdner Forscher liegt eine Einschränkung der Studie darin, dass die Impfungen nur mit einem Pro-Insulinpeptid erfolgt ist, um eine immunologische Toleranz zu erreichen. „Schaut man sich die Auswahl der Patienten an, dann hatte nur die Hälfte der getesteten Typ 1 Diabetes Patienten einen passenden genetischen Hintergrund, sagte Bonifacio. Nur bei diesen Patienten konnte das für die Immunisierung eingesetzte Peptid Immunzellen präsentiert werden. „In künftigen Versuchen werden daher vermutlich Peptid-Mischungen eingesetzt und an einer größeren Anzahl von Diabetikern erprobt werden“, erklärte Bonifacio.

Laut dem Forscher gibt es bei Typ-1-Diabetes eine längere asymptomatische Phase, in der der autoimmune Krankheitsverlauf über Jahre schwelt. Daher sei es vielversprechend, vor dem Einsetzen klinisch sichtbarer Symptome zu behandeln. So könnten möglichst viele insulinproduzierende Inselzellen gerettet werden, hofft Bonifacio.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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