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Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzenverband) im Interview
Inhabergeführte Apotheke oder Kette? „Das ist nachrangig!“
Das politische Verhältnis zwischen Apothekern und dem GKV-Spitzenverband hat in den vergangenen Monaten erneut gelitten. Die Kassen fordern nach dem EuGH-Urteil Lockerungen für und Verträge mit Versandapotheken und möchten nach der Bundestagswahl das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufheben. Im Interview mit DAZ.online verrät Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes, warum er gerne mit Apothekenketten verhandeln möchte und warum Apotheker aus seiner Sicht keine Zusatzgelder für Präventionsleistungen bekommen sollen.
Rechtzeitig zum Wahlkampf haben auch die großen Krankenkassenverbände ihre politischen Forderungen für die nächste Legislaturperiode bekannt gegeben. Der GKV-Spitzenverband erklärt in einem Positionspapier, dass aus seiner Sicht das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufgehoben gehört. Warum er das fordert, erklärt der Verband nicht weiter. Außerdem beschwert sich der Kassenverband erneut über die Intransparenz beim Apothekenhonorar. Denn: Schon seit Jahren hat der Spitzenverband Probleme mit den von den Apothekern vorgelegten Zahlen zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken. DAZ.online hat beim Vize-Chef des Verbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, nachgefragt, was hinter diesen Forderungen steckt.
DAZ.online: Ohne Begründung fordern Sie in Ihrem Positionspapier zur Bundestagswahl die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Können Sie uns einen Grund für diese Forderung nachreichen?
„Die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb müssen so gestaltet werden, dass die Versorgung flächendeckend sichergestellt bleibt. "
Von Stackelberg: Die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes für Apotheken ist eine langjährige Forderung des GKV-Spitzenverbandes. Im Kern behindern die bestehenden Regelungen einen Wettbewerb um neue patientenorientierte Versorgungsmodelle und zementieren zudem die Überversorgung in Ballungsgebieten. Die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb müssen so gestaltet werden, dass die Versorgung flächendeckend sichergestellt bleibt. Daraus abzuleiten, das könne nur durch die Standortapotheke an der Ecke garantiert werden, greift entschieden zu kurz.
Großkonzern statt Apotheke: wie profitiert der Patient davon?
DAZ.online: Der GKV-Spitzenverband ist die politische Vertretung der Krankenkassen in Berlin. Die Krankenkassen wiederum kümmern sich um eine möglichst optimale Versorgung ihrer Versicherten. Wie können Versicherte davon profitieren, wenn sie ihre Arzneimittel aus den Händen eines Großkonzernes erhalten anstatt von einem unabhängigen Apotheker?
Von Stackelberg: Die Diskussion wird aus meiner Sicht derzeit viel zu sehr aus der Perspektive der Leistungserbringer geführt. Mein Eindruck ist, dass die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten leider kaum eine Rolle spielen. Hier muss die Diskussion vom Kopf auf die Füße gestellt und endlich aus Patientenperspektive gedacht werden. Wie die Versorgung in Zukunft konkret aussehen wird, sollte sich im Wettbewerb entscheiden. Ich gehe davon aus, dass die Vor-Ort-Apotheke auch künftig eine wichtige Rolle bei der Abgabe von Arzneimitteln spielen wird. Entscheidend ist, dass die Patientinnen und Patienten gut versorgt und beraten werden. Ob es sich nun um eine Kette oder eine inhabergeführte Apotheke handelt, ist dabei nachrangig. Ein Verbot, wie es heute durch das Mehr- und Fremdbesitzverbot für Apotheken gegeben ist, stellt jedoch eine Behinderung des Wettbewerbs dar.
„Das Mehr- und Fremdbesitzverbot für Apotheken stellt eine Behinderung des Wettbewerbs dar."
DAZ.online: Die Apothekenzahl ist auf dem tiefsten Stand seit 1988 angekommen. Der GKV-Spitzenverband hat das mehrfach als unbedenklich bezeichnet. Ab welcher Zahl würden auch Sie denn Alarm schlagen? Wie weit muss die Zahl noch sinken?
Von Stackelberg: Im internationalen Vergleich weist Deutschland nach wie vor eine hohe Apothekendichte auf. Die letzten OECD-Zahlen zeigen, dass wir uns im Mittelfeld bewegen. Insofern kann man bei der derzeitigen Entwicklung nicht von Weltuntergangsszenarien sprechen. Über die Frage, was eine bedarfsgerechte Versorgung ausmacht, diskutieren wir auch in anderen Versorgungsbereichen zum Beispiel bei den niedergelassenen Ärzten. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass es hier eine Bedarfsplanung gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Wunsch der Apothekerschaft ist, dass wir solche Modelle aus anderen Bereichen übernehmen.
Was stört an den Daten zum Apothekenhonorar
DAZ.online: Zum Apothekenhonorar. Sie stellen seit Jahren die von den Apothekern vorgelegten Daten zu ihrer wirtschaftlichen Lage infrage. Was stört Sie an den Daten?
Von Stackelberg: Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die regelmäßig vorgetragenen Forderungen der Apothekerschaft nach einer Erhöhung der Vergütung ohne aussagekräftige Daten für uns nicht nachvollziehbar sind. Die Veröffentlichungen der ABDA reichen hierzu nicht aus. Wir zweifeln nicht die Daten einzelner Apotheken an, die den Veröffentlichungen zugrunde liegen. Unklar ist aber sehr wohl, ob die betrachteten Apotheken wirklich repräsentativ für die gesamte Apothekenlandschaft in Deutschland sind. Wenn Sie sich erinnern, wurde die Aussagekraft der Daten auch im Jahr 2012, bei der Erhöhung des Festzuschlags auf 8,35 Euro, durch das BMWi angezweifelt. Insofern ist es erstaunlich, dass die Apotheker bisher keine Bemühungen unternommen haben, Klarheit hinsichtlich der Repräsentativität ihrer Daten zu schaffen. Die gleiche Diskussion hatten wir übrigens auch bei den Verhandlungen zum Apothekenabschlag nach § 130 SGB V, in denen seitens des DAV keine nachvollziehbaren Zahlen vorgelegt werden konnten. Seitens der Apothekerschaft bestand damals keine Bereitschaft, die im damaligen § 130 SGB V geforderten Datengrundlagen – eine standardisierte Leistungsbeschreibung sowie Betriebsergebnisse repräsentativ ausgewählter Apotheken – zu erarbeiten. Mittlerweile ist der Abschlag gesetzlich festgeschrieben.
„Dass im Rahmen des AMVSG erneut ohne empirische Grundlage eine neue Vergütung für Rezepturen festgelegt wurde, bleibt unverständlich.“
DAZ.online: Was erhoffen Sie sich denn vom Honorar-Gutachten des BMWi?
Von Stackelberg: Das Ziel des Forschungsprojekts des BMWi, endlich nachvollziehbare Informationen in diesem Gebiet zu schaffen, begrüßen wir ausdrücklich. Unverständlich bleibt, dass im Rahmen des AMVSG erneut ohne empirische Grundlage eine neue Vergütung für Rezepturen festgelegt wurde.
DAZ.online: Wie hoch sollte das Fixhonorar denn aus Ihrer Sicht sein?
Von Stackelberg: Die Frage, wie hoch ein Festzuschlag auszufallen hat, kann erst auf einer validen Datenbasis beantwortet werden. Insofern kann ich Ihnen hierzu derzeit keine Antwort geben
DAZ.online: Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung weigert sich der GKV-Spitzenverband, DocMorris vom Rahmenvertrag auszuschließen, obwohl dort ein Boni-Verbot vorgesehen ist. Warum?
Von Stackelberg: Wir haben das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 eingehend analysiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Rahmenvertrag nach der europarechtskonformen Auslegung keine Grundlage für eine Sanktionierung bietet. Diese europarechtskonforme Auslegung hat übrigens auch das Bundessozialgericht als erforderlich erachtet. Und dieses Ergebnis unserer rechtlichen Analyse ist für mich auch plausibel: Über den Rahmenvertrag kann nichts verboten werden, was der EuGH ausdrücklich erlaubt hat.
„Der Rahmenvertrag bietet nach der europarechtskonformen Auslegung keine Grundlage für eine Sanktionierung von DocMorris."
DAZ.online: Wollen Sie denn den Rahmenvertrag dahingehend ändern, dass Rx-Boni ausdrücklich erlaubt sind?
Von Stackelberg: Aus unserer Sicht ist der Gesetzgeber aufgefordert, auf das EuGH-Urteil zu reagieren. Gibt es einen geänderten gesetzlichen Rahmen, dann werden wir mit dem Deutschen Apothekerverband als unserem Vertragspartner besprechen, ob und welche Anpassungen im Rahmenvertrag erforderlich sind.
DAZ.online: Zuletzt soll DocMorris sogar Quittungen über nicht geleistete Zuzahlungen ausgestellt haben. Ihnen wird vorgeworfen, nicht vehement genug dagegen vorgegangen zu sein. Was sagen Sie dazu?
Von Stackelberg: Wir haben in der Tat einen Hinweis erhalten, dass DocMorris in der Vergangenheit hinsichtlich der gewährten Boni nicht die erforderliche Transparenz hergestellt hat. Dazu gibt es auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart. Als wir deswegen auf DocMorris zugegangen sind, hatte DocMorris bereits in Reaktion auf dieses Urteil Schritte eingeleitet, künftig mehr Transparenz über die gewährten Boni herzustellen.
Versandapotheken – ein seriöser Versorgungspartner?
DAZ.online: Darüber dass der GKV-Spitzenverband DocMorris und die Europa Apotheek Venlo (EAV) unbedingt im Rahmenvertrag halten will und die Kassen auch ausdrücklich sagen, dass sie Selektivverträge mit Versendern abschließen wollen, sind viele Apotheker verärgert. Sind Versandapotheken für Sie ein seriöser Versorgungspartner, wie jede andere Apotheke auch?
Von Stackelberg: Der GKV-Spitzenverband ist wettbewerbsneutral. Bezogen auf ausländische Apotheken weist uns der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V die Aufgabe zu, nach Anhörung Vertragsmaßnahmen nach § 11 dieses Vertrages zu ergreifen. Daher prüfen wir bei entsprechenden Hinweisen, ob die Voraussetzungen für solche Maßnahmen vorliegen. Und wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, dann ergreifen wir eben auch keine Maßnahmen. Das mag manch einer als Unterstützung verstehen. Für uns ist es die Ausübung unserer rahmenvertraglich verankerten Aufgabe.
„Hätte der Gesetzgeber die Ausweitung des pharmazeutischen Dienstleistungsangebots ausdrücklich gewünscht, hätte er entsprechende Vorschläge zum Vierten AMG-Änderungsgesetz aufgreifen können.“
DAZ.online: Ist es auch vielleicht Ihr politisches Ziel, einen Anbieter im Markt zu halten, der bestehende Gesetze immer wieder austestet und infrage stellt? Schließlich teilen Sie ja viele Ansichten mit den Versendern…
Von Stackelberg: Bitte haben Sie Verständnis, dass wir über mögliche Motive von einzelnen Marktteilnehmern nicht spekulieren werden. Fehlanreize des Gesetzes zu kritisieren, gehört für uns zum demokratischen Miteinander dazu. Das schließt aber auch ein, dass man sich an Recht und Gesetz hält, solange sie gelten.
DAZ.online: Ein Blick in die Zukunft. Die Apotheker wünschen sich, dass sie in Zukunft mehr pharmazeutische Dienstleistungen anbieten dürfen und dafür zusätzlich vergütet werden. Die Aufsichtsbehörden der Kassen vermissen dafür aber die gesetzliche Grundlage. Wie sehen Sie das? Sollten Apotheker das dürfen?
Von Stackelberg: Schon heute können Apotheken an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen teilnehmen. Hätte der Gesetzgeber die Ausweitung des pharmazeutischen Dienstleistungsangebots ausdrücklich gewünscht, hätte er entsprechende Vorschläge zum Vierten AMG-Änderungsgesetz aufgreifen können, was er nicht tat.
Sollen Apotheker Präventionsleistungen vergütet bekommen?
DAZ.online: Die ABDA bemüht sich derzeit wieder verstärkt darum, dass Apotheker Präventionsleistungen in der Apotheke vergütet anbieten dürfen. Wie kommentieren Sie diese Forderung?
Von Stackelberg: Die Krankenkassen arbeiten in der Prävention jeweils mit Fachkräften aus den verschiedenen Handlungsfeldern zusammen, also aus Sportwissenschaft, Oecotrophologie, Psychologie und Pädagogik. Die infrage kommenden Anbieter von Präventionskursen müssen über einen staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss passend zum Handlungsfeld, eine auf das jeweilige Präventionsprinzip bezogene Zusatzqualifikation und pädagogische Erfahrung verfügen. Hinzu kommt der Ausschluss von Werbung und Verkauf von Begleitprodukten wie Nahrungsergänzungsmittel, Diäten oder Medikamente zur Raucherentwöhnung – es geht schließlich um nachhaltige und langfristige Umstellungen des Lebensstils bei Gesunden. Das ist nichts, was mit einem Medikament oder einer Diät zu erreichen ist. Selbstverständlich können Apotheker ihre Kunden zu frei verkäuflichen Diäten, Medikamenten zur Raucherentwöhnung oder Nahrungsergänzungsmitteln beraten. Ebenso wenig wie die Krankenkassen aber die Kosten derartiger Produkte übernehmen, können sie eine darauf bezogene Beratung vergüten.
DAZ.online: Ist denn die Apotheke aus Ihrer Sicht der richtige Ort für Beratungsgespräche über Ernährungsfragen und Rauchentwöhnung?
Von Stackelberg: Gespräche zur vernünftigen Ernährung oder zum Rauchstopp sind überall sinnvoll – warum nicht auch in der Apotheke? In Bezug auf die langfristige Wirksamkeit versprechen wir uns am meisten von Programmen zur Einübung gesundheitsförderlicher und Überwindung gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen in Gruppen unter qualifizierter Leitung. Zur Frage der Eignung von Apothekern für diese Aufgaben verweise ich auf die Antwort zuvor.
DAZ.online: Was halten Sie vom Impfen in der Apotheke? Oder von Impfberatungen in der Apotheke?
„Vom Dispensierrecht für Ärzte halte ich wenig bis gar nichts.“
Von Stackelberg: Viele Apotheken bieten schon lange Impfberatungen an. Diese Aufgabe zählt zum Berufsbild des Apothekers. So steht es auch in der Bundes-Apothekerordnung: Apotheker dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Die Apotheker haben eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn Sie mich aber fragen, ob Apotheker impfen sollten, stelle ich Ihnen die Gegenfrage, was Sie vom Dispensierrecht für Ärzte halten.
DAZ.online: Wenig bis gar nichts. Und Sie?
Von Stackelberg: Ich sehe das auch so.
DAZ.online: Die Prävention ist für die Krankenkassen ein sehr wichtiges Thema. Die Kassen sind verpflichtet, gewisse Beiträge in die Prävention zu investieren. Warum spielen die Apotheker im Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes denn bislang keine Rolle?
Von Stackelberg: Auch hier muss ich mit einer Gegenfrage antworten: Warum sind Psychologinnen und Psychologen nicht autorisiert, Arzneimittel zuzubereiten und abzugeben? Wie in der Gesellschaft insgesamt herrscht auch im Gesundheitswesen eine funktionale Arbeitsteilung.
DAZ.online: Vielen Dank für das Gespräch!
12 Kommentare
Der Mann hat natürlich recht...
von Christian Becker am 28.08.2017 um 7:29 Uhr
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AW: Apothekensterben
von Holger am 28.08.2017 um 8:34 Uhr
online Krankenversicherung
von Hermine Minges am 27.08.2017 um 22:59 Uhr
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An die Kette ?
von Reinhard Rodiger am 26.08.2017 um 16:31 Uhr
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GKV - schäbig bis ins Mark betriebswirtschaftlich ignorant
von Ratatosk am 25.08.2017 um 18:55 Uhr
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Dann wollen wir mal hoffen,
von Rita Längert am 25.08.2017 um 11:31 Uhr
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AW: Dann wollen wir mal hoffen
von Christian Becker am 26.08.2017 um 11:07 Uhr
warum
von Karl Friedrich Müller am 25.08.2017 um 10:46 Uhr
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Letzte Frage
von Mathias Mallach am 25.08.2017 um 10:03 Uhr
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Apothekenketten
von Dr. Radman am 25.08.2017 um 9:59 Uhr
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Nachrangig
von Anita Peter am 25.08.2017 um 7:49 Uhr
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AW: Egal?
von Holger am 28.08.2017 um 8:39 Uhr
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