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In der Schweiz geht die Revision des Heilmittelgesetzes auf die Zielgerade. Für den Apothekenmarkt bringt das Gesetz maßgebliche Änderungen mit sich, unter anderem werden etwa 600 Medikamente aus der Apothekenpflicht entlassen, gleichzeitig erhalten die Apotheker aber mehr Kompetenzen. In einem Interview kommentiert Fabian Vaucher, Präsident des Schweizer Apothekerverbandes, die Folgen des Gesetzes.
In der September-Ausgabe von „dosis - News aus der Gesundheitspolitik“ des Schweizer Apothekerverbandes setzt sich Pharmasuisse-Präsident Fabian Vaucher in einem Interview mit den bedeutsamen Neuerungen für die Apotheker auseinander und kommentiert weitere aktuelle Entwicklungen im Alpenland. Eine Zielsetzung der Revision des schweizerischen Heilmittelgesetzes aus dem Jahr 2016 ist, die Selbstmedikation zu erleichtern und die Fachkompetenzen der Abgabestellen für Arzneimittel (Drogerien, Apotheken) besser zu nutzen. Zu diesem Zweck wird es in der Schweiz in Zukunft nur noch vier statt wie bisher fünf Abgabekategorien geben.
- Die Abgabekategorie C (keine Rezept- aber Apothekenpflicht) wird aufgelöst. Die Arzneimittel werden aller Voraussicht nach überwiegend in die Abgabekategorie D (Abgabe auch außerhalb der Apotheke, aber mit Fachberatung) „umgeteilt“, mit der Konsequenz, dass Drogerien in Zukunft wohl einen Großteil der OTC-Arzneimittel abgeben dürfen.
- Es wird überprüft, welche Arzneimittel der Abgabekategorie D in die Abgabekategorie E (Verkauf in allen Geschäften) umgeteilt werden können. Die Arbeiten bzgl. der konkreten Umteilungen wurden bereits gestartet.
- Außerdem sollen Apotheker bestimmte rezeptpflichtige Arzneimittel der Abgabekategorie B auch ohne Rezept abgeben dürfen. Die Arzneimittel und Indikationen, die dafür in Frage kommen, muss der Bundesrat noch bezeichnen. Die Indikationenliste und die dazugehörenden (Triage-)Algorithmen werden von einer Fachexpertengruppe erstellt, in der unter anderem Vertreter der Apotheker- sowie der Ärzteschaft vertreten sind.
Gedacht wird hierbei an Arzneimittel zur Behandlung von häufig auftretenden Krankheiten und mit etablierten Wirkstoffen und einem anerkannten Therapieschema, Arzneimittel zur Weiterführung einer Therapie bei chronisch Kranken maximal über ein Jahr nach gesicherter Diagnose und Erstverschreibung durch einen Arzt, sowie Arzneimittel der Abgabekategorie C, die nach der „Umteilung“ in Gruppe B hochgestuft werden (z.B. Codein-haltige Arzneimittel, „Pille danach“).
Im Juni dieses Jahres hat der Schweizer Bundesrat die Ausführungsbestimmungen zum revidierten Heilmittelgesetz (HMG) in das Anhörungsverfahren (Vernehmlassung) geschickt. In „dosis - News aus der Gesundheitspolitik“ bezeichnet Pharmasuisse-Präsident Fabian Vaucher die Stoßrichtung der Vorlage zwar als „zeitgemäß und richtig“, warnt jedoch vor unbedachten Schritten, die die Patientensicherheit gefährden könnten.
„Nächstes Kapitel beim Rollenwandel der Apotheken“
Für die Patienten ergibt sich nach Einschätzung von Vaucher daraus die Konsequenz, dass sie eine größere Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen sollen. Die Bevölkerung solle medizinische Bagatellen selber als solche erkennen und auf die richtige Therapie zugreifen können. Für die Apotheken bedeute dies, dass ihre Infrastruktur und Kompetenzen in Zukunft noch besser genutzt werden. „Mit den erweiterten Abgabekompetenzen beginnt ein nächstes Kapitel beim Rollenwandel der Apotheken“, sagt Vaucher, „was einst vorab eine Abgabestelle für Medikamente war, mutiert damit noch stärker zu einer einfach zugänglichen Anlaufstelle, die eine umfassende Gesundheitsberatung und -versorgung sicherstellt.“
Fachberatung auch bei rezeptfreien Medikamenten
Mit der Umteilung von Medikamenten aus dem Fachhandel in Großhandelsgeschäfte ohne Möglichkeit zur Fachberatung will Vaucher sich jedoch nicht anfreunden. Er plädiert vielmehr dafür, dass der Kunde auch bei rezeptfreien Medikamenten eine Fachberatung in Anspruch nehmen können sollte. So ließen sich die Beschwerden und der Therapieansatz bzw. alle Faktoren, die zum Bezug eines solchen Produkts führen, nochmals analysieren.
Der Forderung der Großverteiler nach einer angeblich längst überfälligen Liberalisierung der Abgabe von Arzneimitteln erteilt der Präsident von Pharmasuisse aus Gründen des Patientenschutzes eine klare Absage. Auch aus Sicht der Versorgungssicherheit sieht er hier keinen Handlungsbedarf. „Mit dem dichten Apothekennetz, den langen Öffnungszeiten und dem Notfalldienst der Apotheken haben Patienten jederzeit Zugang zur medizinischen Erstversorgung in Apotheken“, betont Vaucher.
Bei Preisnachlässen nicht mitziehen
Außerdem nimmt er Stellung zu der gemeinsamen Geschäftstätigkeit von Migros und dem Ärztegrossisten und Versandhändler „Zur Rose“. Die Versandapotheke lockt mit Preisnachlässen von bis zu zwölf Prozent. Auf die Frage, wieso die übrigen Apotheken hier nicht nachzögen, gibt sich Vaucher gelassen: „Ob Zur Rose so hohe Preissenkungen überhaupt realisieren kann, muss sich erst einmal zeigen“, sagt er, denn der Spielraum für weitere Senkungen der Margen sei verschwindend klein, und fügt an „Tiefere Preise sind nur möglich, wenn gleichzeitig massiv mehr Medikamente verkauft werden. Das widerspricht aber dem Prinzip einer effizienten Gesundheitsversorgung wie auch dem Grundsatz „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“.
Einsparungen dank Billigstversand als Bumerang
Harsche Kritik übt der Präsident von Pharmasuisse zudem an den expliziten Aufrufen von Krankenkassen, bei „Zur Rose“ zu bestellen. „Ein solcher Aufruf ist für uns Apotheker deshalb ein Affront, weil er dem Anspruch, Patienten optimal zu versorgen, diametral widerspricht“, betont er. Auch die Krankenkassen wüssten eigentlich, dass Betreuung und Beratung durch den Apotheker die Therapietreue ihrer Versicherten maßgeblich verbessern könnten. Hohe Kosten entstünden vor allem dann, wenn die Therapietreue mangelhaft ist und in der Folge die Therapieziele nicht erreicht werden. Vaucher dazu: „Dann erweisen sich die dank Billigstversand erzielten Einsparungen in finanzieller und gesundheitlicher Hinsicht als Bumerang.“
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