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Seit einem Jahr haben multimorbide GKV-Patienten das Recht auf einen papiernen Medikationsplan, ausgestellt vom Arzt. Wie oft der Plan in den vergangenen zwölf Monaten genau abgerechnet wurde, lässt sich dank einer sehr komplizierten Vergütungsmethodik nicht sagen. Recherchen von DAZ.online und einer aktuellen Umfrage der Handelskrankenkasse zufolge ist der Medikationsplan im ersten Jahr allerdings gefloppt.
Der Gesetzgeber hatte den Medikationsplan Ende 2015 mit dem sogenannten E-Health-Gesetz beschlossen. So wirklich digital ist an dem Plan derzeit allerdings nicht viel: Die infrage kommenden Patienten erhalten von ihrem Arzt auf eigenen Wunsch einen papiernen Medikationsplan, den sie mit sich führen und auf eigenen Wunsch vom Apotheker ergänzen lassen können. Teilnehmen dürfen alle Patienten, die länger als zwei Wochen lang mindestens drei verordnete Arzneimittel gleichzeitig anwenden. Vergütet werden für die Erstausstellung und die weitere Beratung derzeit lediglich die Ärzte. Ein umfassendes Medikationsmanagement, das auch die Beteiligung des Apothekers und das sogenannte „OTC-Wissen“ einschließt, ist derzeit laut Gesetz nicht vorgesehen.
Um festzustellen, wie oft der Medikationsplan in seinem ersten Jahr von den Patienten abgerufen wurde, könnte man rein theoretisch die bei den Kassen dafür abgerechneten Honorare zählen. Schließlich ist jede ärztliche Leistung mit einem eigenen Abrechnungscode im Einheitlichen Bewertungsmaßstab festgelegt. Beim Medikationsplan ist dies allerdings schwierig. Denn in ihren Vergütungsverhandlungen vor etwa einem Jahr haben sich Kassen und Ärzte darauf geeinigt, dass die Erstellung des Plans bei Chronikern in der sogenannten Chroniker-Pauschale pauschal mit vergütet wird. Die Chroniker-Pauschale ist eine Abrechnungsziffer, die die Kassenärzte pro behandeltem Chroniker einmal pro Quartal abrechnen können. In den Abrechnungen dieser Pauschale lässt sich nicht feststellen, ob im Rahmen der Behandlung auch ein Plan ausgestellt wurde.
Komplexe Abrechnungssystematik
Trotzdem gibt es ausreichend Indizien, die darauf hinweisen, dass der Plan in seinem ersten Jahr schlichtweg gefloppt ist. Da wäre zunächst die Zahl der Abrechnungen für Nicht-Chroniker. Im Gegensatz zu den Chronikern gibt es für Nicht-Chroniker bei den Kassenärzten nämlich eine eigene, auch tatsächlich vergütete Abrechnungsziffer für den Medikationsplan. Und diese wurde im vierten Quartal 2016, in dem der Plan an den Start ging, GKV-weit etwa 65.000 Mal abgerechnet. Das erklärte eine Sprecherin des AOK-Bundesverbandes gegenüber DAZ.online.
Wie aussagekräftig ist diese Zahl? Zunächst ist es so, dass der Wert keineswegs mit der Zahl der Nicht-Chronikern übereinstimmen muss, die einen Medikationsplan erhalten haben. Schließlich kann der Plan pro Patient auch mehrfach abgerechnet, eventuell sogar von verschiedenen Ärzten mehrfach ausgestellt worden sein. Zahlen für die ersten drei Quartale des laufenden Jahres liegen außerdem noch nicht vor. Rechnet man die 65.000 Abrechnungen auf ein Jahr hoch, ergeben sich etwa 250.000 ausgezahlte Vergütungen für den Medikationsplan. Schon im Mai 2016 hatte der AOK-Bundesverband allerdings bekanntgegeben, dass alleine im AOK-System etwa 7,5 Millionen Menschen Anspruch auf den Plan hätten. Vor diesem Hintergrund wirken die 250.000 Abrechnungen – auch wenn sie für Nicht-Chroniker erfolgten – recht überschaubar.
hkk-Umfrage: Medikationsplan wird schlecht kommuniziert
Dass der Medikationsplan in Papierform bei den Patienten bislang nicht gut angenommen wird, zeigt auch eine aktuelle Umfrage der Handelskrankenkasse (hkk). Anhand einer Zufallsstichprobe hat die Kasse 1000 Versicherte zum Plan befragt, 324 von ihnen haben geantwortet. Aus der Befragung geht zunächst hervor, dass nur etwa 38 Prozent der Versicherten, die eigentlich einen Anspruch auf und Bedarf an einem Medikationsplan hätten, ihn auch wirklich erhalten haben.
Die Umfrage zeigt auch, dass die Patienten, die den Plan wirklich erhalten haben, alles andere als zufrieden sind. Ein Viertel der Befragten mit Medikationsplan gab demnach an, nicht oder nur unzureichend über den Sinn des Plans aufgeklärt worden zu sein. Knapp 21 Prozent erklärten, dass sie vom verantwortlichen Arzt weder über den Nutzen noch über die Einnahmemodalitäten der verordneten Medikamente informiert wurden.
OTC-Wissen wird eher selten abgefragt
Die Apotheker hatten sich in den vergangenen Monaten mehrfach über den Status Quo beim Medikationsplan beschwert. Aus Sicht der ABDA sollten die Apotheker am Plan beteiligt werden, unter anderem, um ihr OTC-Wissen einzubringen. Des Weiteren fordert die ABDA ein umfassendes Medikationsmanagement mit Hilfe des Planes. Die hkk-Befragung zeigt, dass das OTC-Wissen bislang in der Tat nur eine untergeordnete Rolle spielt: 51,6 Prozent aller Befragten mit Medikationsplan wurden nicht gefragt, ob sie sich zusätzlich rezeptfreie Arzneimittel in der Apotheke gekauft hätten.
Beschwerden hinsichtlich des Medikationsplanes gab es auch, weil die Kommunikation zwischen den Heilberuflern im derzeitigen Konstrukt nicht vorgesehen ist. So ist es möglich, dass ein Patient bei mehreren Ärzten verschiedene Medikationspläne erhält. Die hkk-Umfrage bestätigt: 43 Prozent aller Befragten mit Medikationsplan wurden nicht darauf hingewiesen, den Plan auch zum Besuch anderer Ärzte mitzunehmen und gegebenenfalls ergänzen zu lassen. Und: 32,5 Prozent der Befragten, die auch von anderen Ärzten als dem Ersteller des Medikationsplans Medikamente verordnet bekamen, wurden nicht nach dem Dokument gefragt. Sofern der Medikationsplan bei diesen Arztkontakten überhaupt eine Rolle spielte, wurde dieser bei 14,3 Prozent der befragten Patienten nicht ergänzt.
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