Mehrwertsteuer

EU: Neue Steuer-Regeln für grenzüberschreitenden Handel?

Berlin - 04.10.2017, 14:00 Uhr

Die EU-Kommission will den Steuerbetrug beim grenzüberschreitenden Online-Handel erschweren. (Foto: photocrew, nmann77 / stock.adobe.com)

Die EU-Kommission will den Steuerbetrug beim grenzüberschreitenden Online-Handel erschweren. (Foto: photocrew, nmann77 / stock.adobe.com)


In der EU-Kommission bastelt man derzeit an einer europaweiten Reform der Mehrwertsteuer. Die EU will vermeiden, dass mit dem grenzüberschreitenden (Online-)Handel Steuern hinterzogen werden. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller hat zum Start der Diskussion klargestellt, dass er sich für Deutschland eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wünscht.

Der EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat am heutigen Mittwoch in Brüssel einen Vorschlag zu einer EU-weiten Reform der Mehrwertsteuer-Regelungen vorgestellt. Ein Entwurf der Kommissions-Ideen wandert schon seit Tagen durch die Medien. Den Medienberichten zufolge ist einer der Hauptgründe für eine europaweite Neuregelung, dass die jetzigen Steuersysteme mit der „Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft“ nicht mithalten könnten.

Konkret soll die EU einen Steuertrick anprangern, der insbesondere den grenzüberscheitenden Warenverkehr betrifft: Demnach können Unternehmen den Fiskus „austricksen“, wenn sie Waren oder Dienstleistungen über mehrere Länder innerhalb der EU verteilen beziehungsweise verschieben.

Die Süddeutsche Zeitung erklärt, dass Steuerexperten diesen Trick als „Karussell-Betrug“ deklarieren. Dabei führen Händler Ware mehrwertsteuerfrei aus dem Ausland ein und verkaufen diese dann mit Steuer weiter. Anstatt den Steuerbetrag abzuführen, taucht der Betrüger mit der vom Kunden gezahlten Steuer unter. Die Händler profitieren also davon, dass Lieferungen über die EU-Binnengrenzen umsatzsteuerfrei sind. Den Berichten zufolge beschwert sich die EU über jährliche Schäden von 50 Milliarden Euro.

EU: Steuererhebung dort, wo der Kunde wohnt

Die EU-Kommission will das jetzt ändern, indem sie die Steuererhebung je nach Wohnort des Kunden festlegt. Für alle grenzüberschreitenden (Online-)Händler soll künftig also die Mehrwertsteuer gelten und auch gezahlt werden, die am Wohnort ihrer Kunden erhoben wird. Bis es zu einer solchen Reform kommt, ist es aber noch ein weiter Weg: Alle EU-Mitgliedstaaten müssen steuerpolitische Fragen nämlich einstimmig beschließen.

Auch für den Apothekenmarkt könnte eine solche Neuregelung Konsequenzen haben. Denn seit Jahren wird den EU-Versandapotheken vorgeworfen, vom Mehrwertsteuergefälle bei Arzneimitteln zu profitieren. Die Versender hingegen dementieren vehement und behaupten, die Steuer schon heute regelkonform in Deutschland abzuführen. Einigen sich die EU-Staaten auf die Steuerreform, wäre dann aber selbst EU-rechtlich geklärt, dass EU-Versandapotheken die höhere Mehrwertsteuer zahlen müssen, wenn sie an Kunden in Deutschland ausliefern.

Wie hoch ist die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel in den EU-Staaten?

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sieht in der Reform aber noch eine andere Chance: Seit Jahren gibt es auch im deutschen Gesundheitswesen Forderungen nach einer ermäßigten Umsatzsteuer auch auf Arzneimittel, auch die Apotheker fordern die Absenkung der Steuer. Dem schließt sich der BAH nun an. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH, erklärte: „Dass auf Arzneimittel 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden, ist unverhältnismäßig und belastet sowohl unser Gesundheitssystem als auch die privaten Haushalte massiv.“ Die neue Bundesregierung müsse das derzeitige System daher überdenken.

Kortland fügte hinzu, dass auf Lebensmittel als Gegenstände des täglichen Bedarfs „zu Recht“ mit nur 7 Prozent versteuert würden. „Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass in Deutschland auf Produkte wie Tierfutter, Taxifahrten und Schnittblumen 7 Prozent erhoben werden, während auf Arzneimittel, die zumeist täglich benötigt werden und nicht selten lebensnotwendig sind, 19 Prozent anfallen.“ Eine solche Maßnahme würde zu Einsparungen in Höhe von 4 Milliarden Euro für die Krankenkassen führen. Das wiederum biete Raum für Beitragssatzsenkungen und ein verbessertes Leistungsangebot.

Quelle: Europäische Kommission / Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V.

Deutschland erhebt in Europa den dritthöchsten Steuersatz auf Arzneimittel. Einen höheren Prozentsatz nehmen nur der dänische (25) und der bulgarische (20) Fiskus. Alle anderen EU-Staaten nehmen entweder gar keine Umsatzsteuer auf Medikamente oder eine reduzierte. Einige Länder, wie etwa das Vereinigte Königreich, Frankreich oder Kroatien, machen die Steuerpflicht davon abhängig, ob das Präparat von der Krankenversicherung erstattet wird. In anderen Ländern wird die Mehrwertsteuer nur auf OTC- und nicht auf Rx-Arzneimittel veranschlagt (s. Grafik).



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.