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Während Sanicare kürzlich die Zusammenarbeit mit dem langjährigen kaufmännischen Leiter, Detlef Dusel, beendet hat, eskaliert die Auseinandersetzung um die Versandapotheke derzeit. Nachdem Dusel eine Klage der Witwe des früheren Betreibers Volkmar Schein als „völlig bescheuert“ bezeichnet hatte, unterstellt sie ihm, ihren Mann als „Totalversager“ hingestellt zu haben – und thematisiert Vorwürfe wegen Rezeptbetrugs gegen ihren Mann, die die Staatsanwaltschaft Saarbrücken untersucht hat.
Im Streit um die Versandapotheke Sanicare und die BS Apotheken OHG, die die Apotheke betreibt, wird wohl in absehbarer Zeit keine Ruhe einkehren. Nach dem Tod des Sanicare-Gründers Johannes Mönter hatte sie im Jahr 2013 der Saarländische Apotheker Volkmar Schein übernommen – und dabei auf vielfältige Weise mit dem Kaufmann Detlef Dusel zusammengearbeitet, der auch kaufmännischer Leiter von Sanicare wurde. Im September 2014 stieg der Apotheker Christoph Bertram mit 50 Prozent der OHG-Anteile in die Apotheke ein, später überließ ihm Schein weitere 45 Prozent.
Insbesondere seit dem Suizid Scheins im Sommer 2016 hat sich der juristische Streit um die Geschäfte zugespitzt. Die Witwe Ingrid Schein will vor Gericht die Geschäftsunfähigkeit ihres Mannes nachträglich feststellen lassen, um die Übertragung der Anteile für unwirksam erklären zu können. Gleichzeitig argumentiert sie, die Übertragung der Markenrechte und Domain von Sanicare an ein von Bertram geführtes Unternehmen namens Mercator Services, hinter dem auch Dusel steht, sei unzulässig gewesen. Sie argumentiert, Sanicare sei durch die Abhängigkeit von der Firma „fremdgesteuert“, und hat sich diesbezüglich an die Apothekerkammer Niedersachsen gewandt.
„Jetzt spricht Witwe Ingrid Schein“
Gleichzeitig geht sie dagegen vor, dass der frühere leitende Apotheker von Sanicare, Heinrich Meyer, mit 5 Prozent als Gesellschafter der OHG eingestiegen ist: Die Kammer habe dem bereits seit 17 Jahren für Sanicare tätigen Meyer die Betriebserlaubnis nicht genehmigen dürfen, argumentiert Schein – da ihrer Ansicht nach ihre Zustimmung nötig gewesen sei. Dusel hatte die Klage laut der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) als „völlig bescheuert“ hingestellt, da Meyer eine halbe Million Euro in die Apotheke eingebracht habe und Schein durch die Vorgänge nicht betroffen sei.
Obwohl die Anwälte Scheins sich bereits vielfach gegenüber Medienvertretern geäußert hatten, veröffentlichten die NOZ sowie am heutigen Dienstag das Branchenportal „Apotheke Adhoc“ zwei Artikel mit der Überschrift „Jetzt spricht Witwe Ingrid Schein“. Hiernach hätten Bertram, Dusel und ein weiterer Apotheker ihren Mann schon bei der Übernahme von Sanicare zu Geschäften gedrängt, die er nicht überblickt hätte – und in die sie selber nicht eingeweiht worden wäre. Schon Ende 2013 sei ihr Mann „völlig verzweifelt“ gewesen, sagte Schein gegenüber dem Branchendienst.
Witwe thematisiert Vorwürfe wegen Rezeptbetrugs
Ab Anfang 2014 habe Volkmar Schein „massive“ Überlastungs- und Überforderungssymptome gezeigt, erklärt die Witwe. „Wenn du zu einem Anwalt gehst, mache ich dich fertig!“, soll Dusel laut Ingrid Schein im Juni 2015 ihrem Mann gesagt haben – und ihn als „Totalversager“ hingestellt haben. Nachdem sie schon befürchtet hatte, dass ihr Mann seinem Leben ein Ende setzen könnte, habe er sich im November 2015 in die stationäre Behandlung begeben, erklärte seine Witwe nun.
Dabei thematisierte sie auch Vorgänge, über die DAZ.online seit Monaten wusste – aber aufgrund des Suizids Scheins nicht berichtet hatte: Die Staatsanwaltschaft hatte 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen möglichen Rezeptbetrugs gegen ihren Mann eingeleitet. Er wurde beschuldigt, im Zeitraum 2010 bis Anfang 2014 in seiner früheren Apotheke im Saarland „in einer Vielzahl von Fällen“ zum Nachteil mehrerer Krankenkassen bei ihm eingereichte Rezepte beispielsweise durch Übermalen mit Tipp-Ex manipuliert zu haben, erklärte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken auf Nachfrage von DAZ.online. So habe Schein „eine größere Menge an Arzneimitteln verausgabt als tatsächlich geschehen“, warf sie ihm vor. Bei Durchsuchungen mehrerer Räumlichkeiten wurde „umfängliches Beweismaterial“ sichergestellt.
Verfahren wurden wegen des Todes eingestellt
Allerdings erwies sich wegen des verwendeten Datenformats der Apothekensoftware die Auswertung als schwierig, weshalb die Ermittlungen lange kaum vorangingen. „Der Beschuldigte hatte prinzipiell seine Mitwirkungsbereitschaft bekundet, was sowohl die strafrechtlich relevante Schadensermittlung als auch die zivilrechtliche Schadenswiedergutmachung gegenüber den geschädigten Kassen anbetraf“, erklärte die Staatsanwaltschaft. Wie ein Sprecher der in dieser Angelegenheit federführenden Techniker Krankenkasse (TK) auf Nachfrage mitteilte, gab es Versuche, sich außergerichtlich zu einigen, doch aufgrund des Todesfalls konnten diese nicht abgeschlossen werden. Der von Seiten der TK veranschlagte Schaden sei relativ gering gewiesen, erklärte der Sprecher. Die Kasse hätte aufgegeben, Forderungen gegenüber der Erbin zu realisieren.
Dusel habe ihren Mann auch in dieser Sache „massivst“ unter Druck gesetzt, erklärte Schein laut NOZ. „Das Verfahren wurde später ohne eine Zahlung eingestellt“, zitiert die Zeitung ihren Anwalt – ohne jedoch zu erwähnen, dass der Grund für die Einstellung der Suizid war. Eine Anfrage von DAZ.online an die Anwälte Scheins blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Dusel wehrt sich gegen die Vorwürfe
Nach eigener Darstellung war Dusel bis zum Schluss ein langjähriger, enger Freund Scheins – welcher selber auch nie juristisch gegen ihn vorgegangen sei, wie der Unternehmensberater gegenüber DAZ.online betont. Er bestreitet auch, dass Schein nicht geschäftsfähig gewesen sei. Bis kurz vor seinem Tod habe es mehrfach geheißen, er sei bald genesen, erklärt Dusel.
Gleichzeitig bestreitet er mehrere der ihm in den Mund gelegten Zitate. „Da fehlen mir echt die Worte“, erklärt Dusel angesichts der Vorwürfe, er habe Schein einen „Totalversager“ genannt und betont, auch gerichtlich hiergegen vorgehen zu wollen. „Die machen Story-Building – das ist wie in billigen US-amerikanischen Fernsehserien“, sagt er. Die Geschäftsverhältnisse mit Schein seien immer partnerschaftlich gewesen, gleichzeitig sei seine Ehefrau durchaus auch informiert gewesen. Bertram habe Sanicare durch seine Einlagen in das Unternehmen gerettet – Schein habe Eigenentnahmen in Millionenhöhe getätigt, erklärt Dusel.
Auch um die Wogen zu beruhigen, sei das Geschäftsverhältnis mit der BS Apotheken OHG inzwischen beendet worden: Derzeit ist Dusel freigestellt, bis Ende des Jahres scheidet er ganz aus dem Unternehmen aus – wird aber über weitere Firmen durchaus noch mit der Apotheke zu tun haben.
Abfindung wird vor Gericht verhandelt
Am kommenden Freitag gibt es angesichts einer vertraglichen Vereinbarung, nach der Dusel eine Abfindung in Höhe von rund einer halben Million Euro erhält, einen Gerichtstermin: Der frühere kaufmännische Leiter hatte sich die Ansprüche hierauf per Klageerhebung gesichert, wie auch Gesellschafter Meyer auf Nachfrage erklärt. Zahlungsprobleme seien jedoch nicht der Grund, erklärt er: „Die OHG ist natürlich solvent“, sagt Meyer. „Dies ist eine bewusste Entscheidung, da wir uns derzeit mit einem Gesellschafter beziehungsweise dessen Rechtsnachfolgerin im Streit befinden.“ Einen Nachfolger für Dusel solle es nicht geben: Er habe seine Aufgabe, das Unternehmen umzustrukturieren, sehr gut gemacht – nun benötige die Versandapotheke den Posten eines kaufmännischen Leiters nicht mehr.
Kammer prüft weiterhin
Wie die Apothekerkammer Niedersachsen auf Nachfrage erklärte, prüft sie derzeit weiterhin die Angelegenheiten um Sanicare. Wie Meyer betonte, habe diese mit der Anerkennung seiner Betriebserlaubnis festgestellt, dass die Voraussetzungen hierfür „uneingeschränkt“ vorlagen. „Sofern noch Fragen offen sind, werden wir sie der Kammer gegenüber beantworten.“
Gleichzeitig habe die OHG zukünftig weiterhin Zugriff auf die Markenrechte, auch wenn ein derzeit laufender Vertrag zu Jahresende ausläuft. „Es ist unerfreulich, dass einseitig von einer prozessbeteiligten Partei Medienberichte lanciert werden – und vieles vermischt wird“, erklärt der Apotheker gegenüber DAZ.online. „Am Ende muss man annehmen, dass es ihr einzig und allein darum geht, eine Vermögensposition abzuleiten – aber dem stehen Forderungen gegen die Erbin entgegen.“ Die Gerichte werden in Sachen „Sanicare“ offensichtlich noch einiges aufzuarbeiten haben.
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