Berufsgericht

Apotheker darf trotz tödlicher Fehlabgabe weiterarbeiten

Stuttgart - 19.10.2017, 17:45 Uhr

Das Berufsgericht für Heilberufe am Verwaltungsgericht Münster verhandelte den Fall eines Apothekers, der ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte, woraufhin die Patientin verstorben war. (Foto: picture alliance / dpa )

Das Berufsgericht für Heilberufe am Verwaltungsgericht Münster verhandelte den Fall eines Apothekers, der ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte, woraufhin die Patientin verstorben war. (Foto: picture alliance / dpa )


Vor zwei Jahren verstarb die Patientin eines Apothekers aus dem Kreis Minden-Lübbecke, nachdem er ihr ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte. Das Landgericht Bielefeld hatte im Januar eine Haftstrafe auf Bewährung in eine Geldstrafe abgemildert – nun erhielt der Apotheker einen Verweis und eine Geldstrafe vom Berufsgericht. Er darf weiterhin arbeiten. 

Ein Mitte 40-jähriger Apotheker aus dem Kreis Minden-Lübbecke durfte am gestrigen Mittwoch aufatmen: Zwar verhängte das Berufsgericht für Heilberufe am Verwaltungsgericht Münster einen Verweis und eine Geldstrafe von 1000 Euro, doch behält er seine Approbation und darf weiterhin arbeiten. Denn eine 78-jährige Patientin des Apothekers war verstorben, weil er ihr ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte. „Einen schlimmeren Fehler kann man eigentlich nicht begehen – das ist der Worst-Case“, sagte ein Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe gegenüber DAZ.online. 

Nachdem das Amtsgericht Minden den Apotheker im vergangenen Jahr zu einer Haftstrafe von 14 Monaten auf Bewährung verurteilt hatte (Az. 25 Ls 5/16), hatte das Landgericht Bielefeld die Strafe im Januar in eine Geldbuße von insgesamt 7200 Euro umgewandelt, wie sie in erster Instanz auch die Staatsanwaltschaft gefordert hatte (Az. 11 NS 92/16). Laut dem Bielefelder Urteil hatte die Tochter der später Verstorbenen bei dem Apotheker den Phosphatbinder Renvela® 800 mg (Sevelamercarbonat) bestellt, mit dem eine Nierenerkrankung ihrer Mutter behandelt werden sollte. An einem Samstag wollte der Apotheker es ausliefern – doch während er auf die Lieferung wartete, war er offenbar kurz eingenickt. Außerdem hatte er den Computer bereits heruntergefahren, sodass er nach Ankunft der Lieferung die Bestellung nicht erneut prüfte, sondern versehentlich den Calciumkanalblocker Veramex® retard 240 mg (Verapamil) zur Wohnung seiner Patientin brachte. 

Die Richter machten mildernde Umstände geltend

Doch am nächsten Montag bemerkte er, dass eine Packung Sevelamercarbonat auf dem Nachlieferungs-Tisch übriggeblieben war: Aufgrund des Verdachts auf Falschabgabe rief er einige Stunden später in der Wohnung der Seniorin an – und erreichte deren Tochter. Als er sie nach dem Namen des ausgelieferten Medikaments fragte, nannte sie ihm den Namen – und sagte dem Apotheker, dass ihre Mutter zwischenzeitlich verstorben sei. 

„Für den Angeklagten brach eine Welt zusammen“, heißt es im Urteil des Landgerichts Bielefeld. Er fuhr am frühen Abend zur Wohnung der Seniorin und eröffnete der Tochter, dass es zu einer Fehlabgabe gekommen war, die den Tod verursacht haben könnte. Dies hatten ihm schon die Richter in Bielefeld hoch angerechnet – wie nun auch jene beim Berufsgericht in Münster. 

Das berufsrechtliche Verfahren hatte der Vorstand der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vor einigen Monaten beschlossen, nachdem das Urteil in Bielefeld rechtskräftig geworden war. Das Berufsgericht hatte so darüber zu befinden, ob der Pharmazeut neben der Verletzung der allgemeinen Strafrechtsnorm auch seine Berufspflichten als Apotheker verletzt hat. Außerdem ging es um die Frage, ob der durch sein Verhalten entstandene Vertrauensschaden und der Ansehensverlust für die Apothekerschaft allgemein auch eine berufsgerichtliche Reaktion erfordert.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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