ZDF-Doku über Pharma-Whistleblower

„Die Aufdeckung des Arzneimittelskandals war eine Art Hölle“

Stuttgart - 24.10.2017, 07:00 Uhr

Der frühere Pharmareferent Peter Jebens brachte die Holmsland-Affäre ans Tageslicht. (Foto: ZDF)

Der frühere Pharmareferent Peter Jebens brachte die Holmsland-Affäre ans Tageslicht. (Foto: ZDF)


In einer TV-Dokumentation, die am heutigen Dienstagabend im ZDF ausgestrahlt wird, kommen Whistleblower aus dem Pharma- und Apothekenbereich zu Wort. Der Hinweisgeber für die Holmsland-Affäre sowie der ehemalige kaufmännische Leiter der Bottroper Zyto-Apotheke erzählen, wie sie zwischen ihrer Verantwortung für die Familie sowie die Patienten fast zerrieben wurden.

Dunkle Machenschaften bleiben oft unbekannt, wenn nicht mutige Menschen sprechen – wie es eine Dokumentation aus der Reihe „37°“ zeigt, die am heutigen Dienstagabend im ZDF läuft. Der Film schildert zwei Fälle: Jenen von Martin Porwoll, dem früheren kaufmännischen Leiter der Bottroper Zyto-Apotheke, in der laut Anklage mehr als 60.000 Rezepturen gepanscht worden sein sollen – und die Geschichte vom früheren Pharmareferenten Peter Jebens, der den Holmsland-Skandal ins Rollen brachte.

„Ohne diesen Hinweisgeber wären sicherlich die Ermittlungen nicht aufgenommen worden – denn die Mitarbeiter der Apotheke haben zwar vielleicht etwas gewusst und geahnt, sich mit ihrem Wissen aber nicht an die Behörde gewendet“, erklärt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen zum Zyto-Skandal in Bottrop in der Dokumentation. Porwoll schildert, dass er auch mit einem befreundeten Anwalt lange überlegt hat, wie die Gerüchte über gestreckte Krebsmittel überprüft werden können, bevor er Anzeige erstattet hat. „Ist das denn überhaupt richtig, was du machst“, habe er sich jeden Tag gefragt.

In der Doku schildert er, wie er zwischen der Verantwortung für die Patienten und seine eigene Familie abgewogen hat. Mit Rückhalt auch von einem befreundeten Anwalt entschloss er sich, zusammen mit einer Kollegin den Schritt zu tun. Doch es folgten Panikattacken, erzählt Porwoll – auch konnte er nicht mehr Autofahren. „Das hat mich fertiggemacht“, sagt er. Denn klar war, dass er seine Stelle verlieren würde – bis heute ist der Kaufmann arbeitslos, mehrere Firmen wollten ihn nicht einstellen.

Whistleblower werden oft unter Druck gesetzt

Gleichzeitig erfährt Porwoll unter Bottropern viel Dankbarkeit. „Viele haben wörtlich gesagt: Martin ist mein Held“, erzählt seine Frau. „Das ist doch selbstverständlich, das ist doch meine Pflicht“, sagt er selber. „Das hat mit Heldentum in meinen Augen nichts zu tun.“ 

Porwoll wurde nicht nur gekündigt, auch weiterhin wird er juristisch angegangen – da er in Interviews gesagt hatte, dass der Betrug ein offenes Geheimnis war. Und weiter: Eine namentlich nicht genannte Apothekerin kritisierte ihn gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: „Ich vermute, keiner hat etwas gewusst“, behauptete sie. Dabei hatte bereits schon vor Jahren ein Mitarbeiter die Vorwürfe zur Sprache gebracht, doch verwarf die Staatsanwaltschaft sie damals. Und zumindest Porwoll und eine PTA aus der Apotheke kannten die Gerüchte – und handelten.   

Wie lebte Peter Jebens nach der Holmsland-Affäre?

Auch für den Mikrobiologen und früheren Pharmareferenten Peter Jebens folgte eine schwere Zeit, nachdem er die „Holmsland-Affäre“ um zweifelhafte Zytostatika-Importe ins Rollen gebracht hat. „Für mich persönlich ist der Worst-Case eingetreten – dadurch, dass ich an die Öffentlichkeit gegangen bin und meine Erkenntnisse publik gemacht habe“, berichtet er in der ZDF-Doku.

Angetrieben hätte ihn, dass er Menschen unterstützen wollte, „die an einer unheilbaren Erkrankung leiden und die in einer Situation sind, in die jeder von uns jeder Zeit jeden Tag kommen kann“, erklärt er gegenüber dem ZDF. Doch verlief das Verfahren bislang weitgehend ergebnislos, viele Vorwürfe verjährten ohnehin. „In der Rückschau muss man sagen, dass die letzten zehn Jahre seit der Aufdeckung des Arzneimittelskandals für uns alle im Prinzip überwiegend eine Art Hölle dargestellt haben“, sagt Jebens. Seine erste Frau starb während der Ermittlungen – und auch ansonsten hatte er stark zu leiden. „Man hat mich ruiniert – mich, den Nestbeschmutzer“, erklärt Jebens im ZDF.

„Es ist absolut wichtig für unsere Gesellschaft, dass es solche Menschen gibt“, erklärt der Regisseur Daniel Harrich gegenüber DAZ.online. Mit seinen Eltern – gleichfalls Filmemacher – hat er sich schon mehrfach Medizinthemen gewidmet: So zum Contergan-Skandal, 2009 bei einem Arte-Themenabend „Wirkstoff Profit“, früheren Beiträgen über die Holmsland-Affäre oder dem ARD-Themenabend „Gefährliche Medikamente“ im Mai.

„Die Wahrheit und ihr Preis“: Die Dokumentation aus der „37°“-Reihe läuft am Dienstag, 24. Oktober 2017, um 22.15 Uhr im ZDF.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Sendung vom24.10.2017

von Gunda krushev am 24.10.2017 um 23:01 Uhr

Ich bin geschockt. So etwas in Deutschland. Ich hoffe diese panscher gehen für immer in den Knast und die Pharmaindustrie soll zahlen bis sie schwarz werden.den aufklärern meine Hochachtung und eine hohe Rente von der Pharmaindustrie.

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Wie wird eigentlich kontrolliert ? offensichtlich falsch !

von Ratatosk am 24.10.2017 um 18:23 Uhr

In jeder Kleinapotheke sind ununterbrochen Kontrollen für jede Kleinigkeit, Personal ist in jeder Menge ganz offensichtlich vorhanden.
Bei sensiblen Geschäften und vor allen wo wirklich der Rubel rollt, ist es unverständlich, daß dies so lange gut geht.
Kassennachschau und unangemeldete Kontrollen wurden gerade eingeführt. Bei diesen Riesenbeträgen hätte man schon mit einfachen Überschlagsberechnungen und ein paar Mengenkontrollen dies sicher aufdecken können. Man muß sich fragen, warum hier weder Behörden noch GKV hier keinerlei Interesse hatte ?!
Vor Jahren gab es ja den Fall der Herzkatheter, der auch nicht toll aufgegriffen wurde, als sich herausstellte daß hier eine gewisse Nähe zur GKV vorlag.
Jeder anständige Kollege/in ist froh, daß solche Kriminelle die alle anderen auf vielen Wegen schädigen endlich gestoppt werden.
Das Muster ist ja jetzt wohl klar, schauen wir mal welchen Eifer die GKV bei den anderen Großapotheken an den Tag legt, vor allem da diese sicher froh sind, wenn dort auch festgestellt wird, daß alles regulär läuft, da ja jetzt durch die Medien die Hatz auf alle Apotheken beginnen wird.

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Dokumentation

von Frank Ebert am 24.10.2017 um 8:39 Uhr

Ein weiteres spannendes Theama : Doc Morris-----Zuwendungen----SPD---EuGHurteil



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