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Recherchen der SZ
Die „Paradise Papers“ und Pharmakönig Engelhorn
Der frühere Vorstandschef von Boehringer Mannheim, Curt Engelhorn, hat seinen Erben nicht nur ein Milliardenvermögen hinterlassen – sondern auch einen millionenschweren Steuerskandal. Nachdem seine Töchter im Jahr 2013 nach wenigen Tagen in Untersuchungshaft freikamen und 145 Millionen Euro Steuern nachzahlten, wird der Fall durch neue Enthüllungen nun vielleicht erneut angegangen.
Curt Engelhorn zahlte offenbar nur äußerst ungerne Steuern. Als der langjährige Chef von Boehringer Mannheim im Jahr 1997 seine Anteile in Höhe von 40 Prozent für rund 19 Milliarden Mark an Hoffmann-La Roche verkaufte, löste er einen erheblichen Steuerskandal aus: Da er das Vermögen ins Ausland transferiert hatte, blieben die Einnahmen steuerfrei. Gleichzeitig brockte Roche sich durch die Übernahme erheblichen Ärger ein, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ im Jahr 2007 schrieb. „Der damalige Inhaber der Gruppe, Curt Engelhorn, hatte im Laufe der Jahre ein Firmensystem entwickeln lassen, bei welchem über interne Verrechnungspreise die Kosten für die Produkte in Deutschland, die Gewinne vor allem in einer Schweizer Holding anfielen“, schrieb die Zeitung.
Auch bei der Übergabe des Vermögens trickste die Familie des vor gut einem Jahr verstorbenen „Pharma-Königs“ offenbar kräftig – und nutzte hierzu die Rechtsform von Trusts. Vorwürfe um hinterzogene Schenkungssteuer in Höhe von 440 Millionen Euro ließen sich auch aufgrund der komplizierten Verflechtungen nie ganz klären, so dass die Töchter Elisabeth und Carolin Engelhorn vergleichsweise glimpflich davonkamen: Sie wurden zwar im Oktober 2013 vorübergehend in München in Untersuchungshaft genommen, kamen jedoch schnell frei. Sie gestanden laut „Süddeutscher Zeitung“ (SZ), Steuern in Höhe von 145 Millionen Euro hinterzogen zu haben, welche sie nachzahlten. Hinzu kamen für beide Töchter Strafen in Höhe von je 2,1 Millionen Euro.
„Paradise Paper“ bringt unbekannte Trusts zum Vorschein
Nachdem im Frühjahr letzten Jahres die über die SZ veröffentlichten „Panama Papers“ Einblicke in die „Nichtstun-Firma“ von Stefano Pessina sowie Graumarktgeschäfte von Sanofi-Aventis ermöglichten, werfen die am gestrigen Sonntag veröffentlichten „Paradise Papers“ nun auch etwas Licht auf die verborgenen Trusts der Familie Engelhorn. Neben 44 den Finanzermittlern bekannten Trusts beinhalten die „Paradise Papers“ Informationen zu 38 weiteren Trusts oder Briefkastenfirmen, berichtet die SZ.
Nach diesen Unterlagen griffen die Engelhorns schon seit Mitte
der 1990er-Jahre auf die Hilfe der Kanzlei Appleby zurück, welche
Offshore-Geschäfte abwickelt. „Es ist ein wahnsinniges Vermögen in
verschiedenen Trusts geparkt“, hieß es laut SZ schon damals aus
Ermittlerkreisen. „Es können zehn, aber auch 100 Trusts sein.“ Die Zeitung sprach
nun mit einem namentlich nicht genannten Steuerexperten, der an den Ermittlungen
beteiligt gewesen sein soll. „Mich überrascht nicht wirklich, dass es so groß
ist“, erklärte dieser laut SZ zu den neuen Enthüllungen.
Nehmen die Behörden erneut die Ermittlungen auf?
Unklar ist, inwiefern die Finanzbehörden die „Paradise Papers“ nun zum Anlass nehmen, den Fall neu aufzurollen. „Es wäre möglich, dass wir bei relevanten neuen Erkenntnissen wieder ermitteln“, erklärte Gerhard Wipijewski, Betriebsprüfer und Vorsitzender der Bayerischen Finanzgewerkschaft, gegenüber der SZ.
Engelhorn war offenbar stolz auf seinen Coup: Er habe die „Steuerfalle“ erfolgreich vermieden, erklärte er laut „Manager Magazin“. Der SZ zufolge lagen 2009 allein in einem seiner Trusts Werte von 470 Millionen Euro, in einem weiteren Trust im Jahr 2010 gut 500 Millionen Euro. „Mehrfache Anfragen an den Stiefsohn, die Witwe und die Töchter Engelhorns blieben unbeantwortet“, schreibt die Zeitung.
Aufgrund der Enthüllungen der SZ, des „International Consortium of Investigative Journalists“ sowie vieler weiterer Medien kündigten Politiker aus vielen Ländern an, derartige Steuer-Konstruktionen überprüfen zu wollen. Laut der französischen Nachrichtenagentur AFP erklärte der Kanzleramtsminister und geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU), es müsse womöglich auch auf EU-Ebene Veränderungen geben. „Wir müssen uns damit auseinandersetzen“, zitiert die Nachrichtenagentur ihn. „Wir sind jedenfalls entschlossen, das zu tun.“
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