Erstaunlicher Nebeneffekt

Valsartan fördert die Wundheilung bei Diabetikern

Remagen - 09.11.2017, 09:00 Uhr

Fußpflege hilft schlecht heilenden Wunden vorzubeugen, die sich bislang schlecht in den Griff bekommen lassen. (Foto: kzenon / stock.adobe.com)

Fußpflege hilft schlecht heilenden Wunden vorzubeugen, die sich bislang schlecht in den Griff bekommen lassen. (Foto: kzenon / stock.adobe.com)


Antihypertonika zur Wundheilung? Das klingt zunächst abwegig. Trotzdem konnten Forscher von der Universität Baltimore im Tierexperiment zeigen, dass der AT1-Antagonist Valsartan als Gel die Wundheilung bei Diabetikern fördert.

Viele Diabetiker haben mit schlecht heilenden chronischen Wunden an den Füßen zu kämpfen. Die Gründe dafür sind noch nicht erforscht, aber es ist bekannt, dass das Renin-Angiotensin-System (RAS) bei Diabetikern und älteren Erwachsenen an der gestörten Wundheilung beteiligt ist.

Ausgehend von dieser Erkenntnis begannen Peter Abadir von der University School of Medicine in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland, und sein Team, mit Gelformulierungen der Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten Losartan und Valsartan sowie des ACE-Hemmers Captopril zu experimentieren. Diese blockieren das Renin-Angiotensin-System und verstärken den Blutfluss in der Wunde. Die Idee war, sie direkt auf die Wunden aufzubringen, um dort, wo die Wirkung erwünscht ist, eine besonders hohe Konzentration zu erzielen.  „Unsere Strategie, die Biologie, die den chronischen Wunden bei Diabetes und bei älteren Menschen zugrunde liegt, direkt anzugreifen, unterscheidet sich beträchtlich von anderen bisherigen Ansätzen zur Wundheilung“, sagt der Senior-Autor der Studie Jeremy Walston. Sie erwies sich als richtig, wie in der Publikation ihrer Untersuchungen im Journal of Investigative Dermatology (doi: 10.1016/j.jid.2017.09.030) nachzulesen ist.  

Zunächst testeten die Wissenschaftler fünfprozentiges topisches Losartan an Mäusen in drei verschiedenen Phasen der Wundheilung, der inflammatorischen Phase über bis zu drei Tage nach Wundentstehung (Gruppe 1), in der proliferativen Phase ab dem siebten Tag (Gruppe 2) sowie von Tag eins an über beide Phasen bis zum Wundverschluss (Gruppe 3). Die schnellste Wundheilungsrate wurde bei den Mäusen in Gruppe 2 beobachtet.

Einprozentiges Valsartan-Gel wirkte am besten

Im nächsten Schritt verglichen sie die Wirkung verschiedener Konzentrationen von Losartan und Valsartan bei jungen diabetischen und älteren Mäusen während der Proliferations/Remodeling-Phase der Wundheilung, in der offenbar der größte Erfolg zu erwarten ist. Hier wurde die beste Wirkung mit einem Prozent Valsartan erzielt. Insgesamt zeigte die Hälfte der Mäuse, die das einprozentige Valsartan-Gel bekommen hatten, eine komplette Wundheilung, gegenüber lediglich zehn Prozent in der Vergleichsgruppe mit einem Wirkstoff-freien Gel. Die schlechtesten Ergebnisse ergaben sich mit zehn Prozent Losartan,  was der Erst-Autor der Studie Abadir einer toxischen Wirkung zuschreibt. 

Was waren die Effekte?

Folgerichtig wurden die weiteren Experimente an der Haut von älteren und diabetischen Schweinen dann mit dem einprozentigen Valsartan-Gel durchgeführt. Die Schweinehaut ist der menschlichen sehr ähnlich. Verglichen mit der Placebo-Gruppe heilten die Wunden in der Valsartan-Gruppe der Versuchstiere erheblich schneller. Nach 50 Tagen waren alle zwölf Wunden verschlossen, in der Placebo-Gruppe dagegen keine einzige. In histologischen Untersuchungen stellte sich außerdem heraus, dass Valsartan die Dicke der Epidermis verstärkte und die Neubildung von Kollagen in der darunter liegenden Dermis förderte. Zusätzlich wurde die Ausrichtung der Kollagenfasern verbessert. „Das topische Gel löst wahrscheinlich eine Kaskade positiver biologischer Effekte aus, die die Heilung chronischer Wunden erleichtert und beschleunigt“, vermutet Walston.

Keine systemische Wirkung

Als bemerkenswert hebt Abadir hervor, das zu Anfang der Behandlung lediglich eine sehr geringe Konzentration an Valsartan im Blut der Schweine feststellbar war (1 bis 50 Nanomol), und dass der Wirkstoff dort im weiteren Verlauf der Behandlung gar nicht mehr gefunden wurde. Dies deutet darauf hin, dass er nur dort wirkt, wo er wirken soll, ohne dass mit unerwünschten systemischen Wirkungen, etwa auf den Blutdruck, gerechnet werden muss

Großes Potenzial gegen chronische Wunden

Nun habe man die Wirksamkeit am Tier nachgewiesen und könne zur Testung am Menschen übergehen, meint Walston. Er hofft, dass entsprechende Arzneimittel schon in einigen Jahren verfügbar sein könnten. „Die FDA hat in den letzten zehn Jahren kein einziges Mittel zur Wundheilung zugelassen“, betont Abadir. „Wir glauben, dass diese Arzneimittel, die schon seit mehr als zwei Jahrzehnten verfügbar sind, ein großes Potenzial für die wirksame Heilung chronischer Wunden besitzen, die bei Diabetikern und älteren Patienten häufig vorkommen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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