Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern

Apotheker diskutieren über Prüfvorschriften

Rostock - 13.11.2017, 09:05 Uhr

Dr.
Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: tmb)

Dr. Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: tmb)


Beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern am Samstag ging es nicht um Politik, sondern um die Frage, wie apothekengerecht die Prüfvorschriften sind. Offenbar interessierte das Thema sehr, wie die große Teilnehmerzahl zeigte.

Der Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern fand am 11. November in Rostock-Warnemünde wieder in der bewährten Verbindung mit der Scheele-Tagung statt. Anders als sonst war dagegen das Thema gewählt. Politiker werden in Mecklenburg-Vorpommern schon seit einigen Jahren nicht mehr zum Apothekertag eingeladen. Doch nun ist die Kammer noch einen Schritt weiter gegangen und hat ein unpolitisches, im engsten Sinne pharmazeutisches Thema gewählt: „Wie apothekengerecht sind unsere Prüfvorschriften?“ Dass der weitaus größte Teil der etwa 270 Besucher der Scheele-Tagung auch zum Apothekertag kam, spricht für dieses Vorgehen. Bei der Scheele-Tagung ging es um das Thema „Zwischen Missbrauch und Medizin: Von Cannabis auf Rezept bis zur Therapie chronischer Entzündungen“. Die drei Vorträge am Samstagnachmittag thematisierten allein das Thema Cannabis. 

In einem Grußwort zur Scheele-Tagung betonte Prof. Dr. Stefan Laufer, Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, dass in dieser Veranstaltung gelinge, was oft als unmöglich bezeichnet werde: Praxis und Wissenschaft würden zusammengeführt. Bei der Eröffnung des Apothekertages erklärte Kammerpräsident Dr. Dr. Georg Engel, die Apotheken seien „24 Stunden 7 Tage“ immer da und unverzichtbar. Um diese Versorgung vor Ort zu sichern, fordere die Kammer das Rx-Versandverbot. Die Apotheker seien auch Ansprechpartner für Arzneimittel, die die Industrie nicht anbieten könne oder wolle. Die Qualität der dabei verwendeten Ausgangsstoffe war das Thema der fünf Impulsvorträge und der Diskussion beim Apothekertag.

NIR und weitere Perspektiven

Auch einige Identitätsreaktionen des Arzneibuches, die sich eher an Apotheken richten, erfordern Geräte, die in den meisten Apotheken nicht vorhanden sind, konstatierte Dr. Andreas Toman, Pinguin-Apotheke, Rostock. Doch lasse die Apothekenbetriebsordnung andere Methoden zu, wenn sie zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Dazu gehöre die Nahinfrarot (NIR)-Spektroskopie – zu unterscheiden von der viel teureren Infrarot (IR)-Spektroskopie.

Darüber berichtete Dr. Alexander Wolter, Geschäftsführer von HiperScan, Dresden. Das von seinem Unternehmen angebotene „Apo-Ident“-Gerät für die NIR-Spektroskopie werde in etwa 2000 Apotheken eingesetzt. Die Prüfung erfordere keine Probenvorbereitung und dauere nur zwei Minuten. Wesentlich für das Ergebnis seien das chemometrische Modell zur Auswertung und die validierte Datenbank mit Vergleichsspektren. Da die Apotheker die Verantwortung haben, müssten sie gegenüber der Überwachungsbehörde darlegen können, dass sie mit der Dokumentation zur Validierung umgehen können. Obwohl ein Vortrag eines im Wettbewerb stehenden Anbieters bei einem Apothekertag erstaunen mag, geriet dieser nicht zu einer Werbeveranstaltung. Allerdings wurde ein alternatives Angebot eines anderen Unternehmens zur NIR-Spektroskopie nicht angesprochen.

Prof. Dr. Andreas Link, Greifswald, Vizepräsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, machte deutlich, dass auch andere Technologien langfristig Potenzial für den Einsatz in der Apotheke bieten. NMR-Geräte, die ohne Vergleichssubstanz arbeiten, könnten in zehn Jahren erschwinglich werden. Doch Link zeigte auch die Grenzen einiger Verfahren auf, beispielsweise bei Wirkstoffen, die in mehreren Formen mit unterschiedlichen Schmelzpunkten und IR-Spektren kristallisieren.

Streit um alternative Methoden

Dr. Holger Reimann, Eschborn, Leiter des NRF-Labors, beschrieb den Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) als apothekentaugliche Alternative zu vielen Arzneibuchmonografien für die Anwendung an vorgeprüfter Ware. Dabei würden einfache instrumentelle Prüfungen bevorzugt. Reimann warb für einen risikobasierten Ansatz, bei dem das Restrisiko kalkulierbar sein müsse. 

Dem widersprach Dr. Andreas Schieweck, Leiter der Arzneimittelüberwachung in Schwerin. Vorgeprüfte Ware sei der Normalfall und rechtfertige daher keine Einschränkung der Identitätsprüfung. Außerdem betrachte er wirkstofffreie Salbengrundlagen nicht als risikoarm, weil eine Untermischung mit einem Wirkstoff bei einer eingeschränkten Prüfung nicht erkannt werde. Schieweck konstatierte ein Versäumnis in der Apothekenbetriebsordnung, die keine Lieferantenprüfung vorsehe. Wie die Industrie sollten auch Apotheken ihre Lieferanten bewerten, bevor sie dort einkaufen. Schieweck betonte, dass Apotheken im Rahmen ihres QMS unbedingt Prüfvorschriften für die einzelnen Stoffe festlegen müssten, damit PTA überhaupt prüfen könnten. Doch für Schieweck seien viele Alternativverfahren nicht geeignet, weil eine veröffentlichte Validierung fehle. In der Diskussion räumte Schieweck ein, dass die Gesetze einige „Grauzonen“ lassen, die von den Überwachungsbehörden der Bundesländer unterschiedlich ausgelegt würden.   

Fazit 

Als Fazit stellte Engel fest, dass neue analytische Methoden auch in der Apotheke Fortschritt bringen. Um den Austausch unter den Kammermitgliedern zur Prüfung von Ausgangsstoffen zu fördern, werde die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern auf ihrer Internetseite ein Forum dafür einrichten. Weitere Details vom Apothekertag und einen Bericht von der Scheele-Tagung finden Sie in der nächsten DAZ.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Anderes Thema

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 14.11.2017 um 9:52 Uhr

Lieber Kollege Müller,
vielen Dank für Ihr Interesse an meinem Beitrag. Es war wirklich so, wie ich es geschrieben habe. Fundamentamentale Änderungen zur Herstellung/Prüfung waren kein Thema beim Apothekertag MV. Stattdessen ging es darum, wie die Apotheker mit den jetzt bestehenden Anforderungen umgehen sollen. Das hat die Kollegen offensichtlich angesprochen. Das wurde bei der Veranstaltung deutlich. Das Thema mag dort auch besonders relevant sein, weil die Aufsicht dort vielleicht noch etwas strenger als anderswo ist. Es ging um die Probleme in den Apotheken mit den geltenden Regeln. - Die Regeln grundlegend zu ändern, ist ein anderes Thema. Ich finde Ihre Ausführungen dazu sehr interessant. Es gibt viele Facetten, die ausführlich zu diskutieren wären. Doch dann wären wir wieder in der Politik. - Und um auf Ihr PS einzugehen: Natürlich werde ich weiter auch meine wirtschaftswissenschaftliche Seite in meine Beiträge einbringen.
Beste Grüße
Thomas Müller-Bohn

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Gefährliche "Pharmazeutische" Identitätsstifung durch Irrelevantes

von Wolfgang Müller am 13.11.2017 um 12:43 Uhr

Lieber Kollege Müller-Bohn,

haben Sie hier wirklich alle entscheidenden Aspekte dieser Veranstaltung zumindest angerissen? Ist wirklich von keiner Seite die entscheidende Möglichkeit in die Diskussion eingebracht worden, die WE-Prüfungen endlich auch bei uns: einfach ganz abzuschaffen?

Was spätestens schlüssig möglich und wirtschaftlich zwingend notwendig erscheint, seitdem die Pharma-Rohstoff-Lieferanten eine Qualitätssicherung inklusive Zertifizierung in Verantwortung einer Qualified Person durchführen müssen. Was eben seit einiger Zeit praktisch den Vorschriften für Fertigarzneimittel-Hersteller entspricht.

Sie wissen ja, dass ich die wirtschaftliche Situation von typischen bis durchschnittlichen Apotheken inkl. Nachwuchs-Problematik im Vergleich zu den sehr großen Betrieben eher sogar als noch viel bizarrer und desaströser einschätze als Sie und Ihre Mit-Autoren des letzten diesbezüglichen Gutachtens. Ich halte daher einen Apothekertag mit solch einem Thema keineswegs für "nicht politisch" und nur "rein pharmazeutisch".

Im Gegenteil: Er bringt den Willen oder eben NICHT-Willen der berufspolitischen Apothekerschaft zur Sanierung der ganz normalen Präsenz-Apotheken durch Kostenmanagement perfekt zum Ausdruck. Oder eben die schwer zu begreifende, lebensferne, wirtschaftlich Existenz-bedrohende Beflissenheit im Unwichtigen und von niemandem sonst Gewollten (außer von denen, die fantastisch dran verdienen und sich damit spreizen können, natürlich).

Für mich genau DAS politische Thema, das die Apotheker SELBST in die Hand nehmen können und müssen, gerade wegen des EuGH-Urteils und evtl. ja nun doch ausbleibender Fixhonorar-Erhöhungen: In Zukunft konsequent nur noch sinnvolle, auskömmliche und vom Kunden überhaupt gewünschte Pharmazie anzubieten.

Ansonsten sind solche Tagungen, Gremien, Gesprächsrunden, Gruppierungen, Verbände, Vereine etc. ja nur noch Interessenvertretungen zur Förderung des Friedhofs-Effekts.

Beste Grüße,
Wolfgang Müller

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AW: Gefährliche "Pharmazeutische"

von B. Schäfer am 13.11.2017 um 19:18 Uhr

Wenn (vernünftigerweise) ein Evidenznachweis der Wirksamkeit von Arzneistoffen gefordert ist, kann auch gleichermaßen ein vernünftiges Risikomanagement im Rahmen der Rezeptur gemessen an knallharten Kennzahlen gefordert werden. Wie viele Ausgangsstoffe stimmen denn pro Jahr nicht mit den deklarierten (bereits geprüften) überein und wieviele Patienten müssen deswegen hospitalisiert werden oder erleiden sonstige Schäden? Steht der Aufwand denn in irgendeinem relevanten Verhältnis zum Nutzen?
Wenn sie mich nach dem wirklichen Risikopotential in der Rezeptur der öffentlichen Apotheke fragen, dann ist das die Wald und Wiesen Apotheke im 1000 Seelen Dorf, die alle 15 Jahre mal homogene und stammveriebene Kapseln für ein totkrankes Kind herstellen muss. Wenn Sahnehäubchenquallität, dann doch bitte in dafür spezialisierten Zentrallaboratorien. Ich finde es auch schade, wenn das pharmazeutische Wissen der Arzneimittelprüfung- und herstellung mehr und mehr verloren geht, zumal dass unser eigentliches Handwerk ist, aber die Digitalisierung sägt gerade am Stamm unseres Berufszweiges und wir scheiden währenddessen mit ner Nagelschere Mandalas in die Blätter der Baumkrone (und streiten uns dabei noch wie scharf die Schere sein muss).

AW: Denken nicht in Wirklichlkeit die meisten heimlich so?

von Wolfgang Müller am 13.11.2017 um 21:09 Uhr

Es ist ganz sicher so, wie Sie sagen. Faszinierend ist - gerade was das "Patientenwohl" betrifft -, dass die arme Wald- und Wiesen-Apotheke die Herstellung einer hochbrisanten Zubereitung, von der Sie absolut keine Routine-Ahnung hat, nicht verweigern DARF. Und sie ja mangels entsprechender standespolitischer Grundlagen und Organisation in Deutschland (anders als in diesbezüglich zivilisierten Ländern) auch gar nicht an andere, spezialisierte Apotheken abgeben KANN. Andererseits aber auch noch wertvolle Zeit mit den Gedanken um die Mal-So-Nebenbei-"Bewältigung" (oder was auch immer) von Ausgangsmaterilal-"Prüfungen" verschwenden muss. Zeit , die besser zum Wirkstoffmischungs-Homogenisieren verwendet werden müsste.

Übrigens: Wenn der Nonsens endlich abgeschafft sein sollte, wird unser pharmazeutisch-analytisches Wissen ja keinesfalls schneller untergehen. Warum auch, kann es doch woanders, wo es hingehört, weiter in angemessener Würde TATSÄCHLICH gepflegt werden. Was abnehmen wird, ist lediglich der Hass auf diese (Fake-)Disziplin bei denen, die dazu (oder um es zu umgehen zu was auch immer, Sie wissen schon, was ich meine) von ihren eigenen Standes-"Kolleg*innen" gezwungen werden.

Und das sagt keine analytische bzw. QS-Pfeife, sondern ein unter normal-professionellen Umständen eher unerschrockener alter Analytik-Fahrensmann (u. a. mindestens 1000 eigene ECHTE DCs, einige davon als Analytik-Assi) und selber ehemals blindwütiger QM-Pionier (verantwortlich für die erste ISO-9001-Zertifizierung eines deutschen Pharma-Unternehmens 1995, ist mir immer noch peinlich; beeindruckt aber vielleicht meine Gegner). Der die sinnlose, wichtigtuerische Verquatschung dieser Disziplinen in der Öffentlichen Apotheke nur noch absurd findet.

PS Von den Müller-Bohn´schen Qualifikationen brauchen wir die wirtschaftswissenschaftliche momentan 1000-mal dringender.

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