Welt-Antibiotikatag 2017

Breitspektrum-Wissenslücken bei Antibiotika

Stuttgart - 17.11.2017, 17:00 Uhr

Was Antibiotika betrifft, gibt es in der Bevölkerung große Wissenslücken, ergab eine Umfrage des BAH. (Foto: dpa)

Was Antibiotika betrifft, gibt es in der Bevölkerung große Wissenslücken, ergab eine Umfrage des BAH. (Foto: dpa)


Resistenzen und Unwissenheit bei Antibiotika: Die Bundesbürger sind resistent – nicht gegen Antibiotika. Aber gegen die Information, wogegen Antibiotika wirken. Bakterien? Viren und Bakterien? Nur Viren oder gegen nichts? Nicht einmal die Hälfte weiß die richtige Antwort. Was wissen die Deutschen über Resistenzen? Und wie viele therapieren sich eigenmächtig mit alten Antibiotika aus der Hausapotheke? Der BAH hat die Bundesbürger zu ihrem Verhalten bezüglich Antibiotika befragt.

Ein kleines Rätsel zu Beginn – oder ein kleiner Anflug von Nostalgie: Multiple-Choice-Fragen wie im ersten Staatsexamen.

Wogegen wirken Antibiotika?

a. Ausschließlich gegen bakterielle Infektionen.

b. Gegen virale Infektionen.

c. Gegen bakterielle und virale Infektionen.

d. Weder gegen bakterielle noch gegen virale Infektionen.

A, b, c oder d? Wenn Sie sich für Antwort a, somit die bakteriellen Infektionen entschieden haben, befinden Sie sich in der Bundesrepublik in überschaubarer Gesellschaft. Denn knapp 60 Prozent der Bundesbürger wissen die korrekte Antwort nicht, dass Antibiotika ausschließlich bei bakteriell bedingten Infektionen helfen. Bei Resistenzen scheint das Wissen nur wenig profunder: 28 Prozent halten die richtige Aussage, dass ein zu früh abgesetztes Antibiotikum beim nächsten Mal unter Umständen nicht mehr wirkt, für falsch. Diese erschreckenden Lücken zu Antibiotika hat eine repräsentative Telefon-Umfrage des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) zutage gefördert. Insgesamt nahmen 1000 Bundesbürger an der Befragung teil.

Quelle: Deutscher Gesundheitsmonitor des BAH / Durchführung: The Nielsen Company

Das offensichtliche Nichtwissen zu Antibiotika erstaunt, auch der BAH gibt sich gegenüber DAZ.online „überrascht“ ob der Hauptaussagen zu Wirkspektrum und Resistenzen bei Antibiotika. Gerade für Apotheker ist das Wissen, dass Antibiotika naturgemäß ausschließlich Bakterien treffen, wohl eine so tief verankerte Tatsache, wie die, dass die Erde rund ist. Und tatsächlich meint man, diese Information hat sich mittlerweile breit rumgesprochen. Allerdings: Wer als Apotheker in einer öffentlichen Apotheke noch einmal kurz in sich geht, kommt wahrscheinlich rasch zu dem Schluss: „Nein, diese Information zu Antibiotika hat sich noch nicht konsequent durchgesetzt“. Warum? Es stehen täglich einfach zu viele Patienten mit Halsschmerzen und Erkältungen am HV, die „gleich noch zum Arzt wollen und ein Antibiotika holen".

Frauen und Bildungsniveau: Sieger bei Fragen zu Antibiotika

Zurück zur Umfrage: Wie so oft – man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt durchaus informierte und weniger informierte Bürger. Wer also weiß, wogegen Antibiotika helfen? Der BAH fand, dass sich Frauen bei dieser, die Gesundheit betreffenden Frage, firmer zeigten als Männer: Immerhin die Hälfte der weiblich Befragten wusste, dass eine Behandlung mit Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen sinnvoll ist; bei den Männern schaffte hingegen nur ein Drittel der Befragten die richtige Zuordnung.

Ob das Kreuz richtig gesetzt wurde, hängt auch vom Bildungsniveau ab. Aufgesplittet nach Schulbildung beziehungsweise abgeschlossenem Studium, wissen 32 Prozent der Hauptschüler, dass Antibiosen ausschließlich Bakterien treffen. Bei Akademikern nehmen knapp 70 Prozent die naturwissenschaftliche Hürde fehlerfrei.

Selbstmedikation mit Antibiotika

Nun könnte man der Breitspektrum-Wissenslücke zu Antibiotika entschuldigend entgegenhalten: Vielleicht hat das Gros der Bevölkerung respektive der repräsentativ Befragten einfach noch nie eine Antibiose benötigt und weiß deshalb nicht über deren Einsatzgebiete Bescheid. Dem ist jedoch nicht so: 84 Prozent der Umfrageteilnehmer (843 Bundesbürger von 1000) bestätigen, bereits Antibiotika eingenommen zu haben – nur wusste wohl nicht jeder auch automatisch, wogegen das Arzneimittel überhaupt wirkt.

Dieses Unwissen hat allerdings diese Erkrankten offenbar aber auch nicht davon abgehalten, sich nach Eigendiagnose auch schon mal Antibiotika ohne ärztliche Verordnung einzuwerfen. „Ich habe mal Antibiotika eingenommen, ohne dass diese vom Arzt verschrieben wurden.“ Diese Aussage unterschreiben zehn Prozent, also 84 der 843 Antibiotika-Einnehmer. Antibiotika-haltige Arzneimittel unterliegen in Deutschland der Verschreibungspflicht. Aus welchem Antibiotikapool die Bundesbürger sich versorgten, bleibt spekulativ – seien es Restbestände und übriggebliebene Tabletten früherer Antibiosen oder Mitbringsel aus Urlaubsländern, in denen Antibiotika freiverkäuflich sind.

Quelle: Deutscher Gesundheitsmonitor des BAH / Durchführung: The Nielsen Company

Deutsche horten Antibiotika

Und dass die Hausapotheke oder die unergründlichen Tiefen des Badschrankes so manchen antibiotischen Schatz bergen, zeigt die Frage des BAH zum Vorrat zu Hause: Ein Viertel der Deutschen hortet Antibiotika. In der Tat kommen Experten zunehmend zu dem Schluss, dass die Aussage „Bei Antibiotika immer die Packung zu Ende nehmen“ nicht in jedem Fall angebracht ist. Allerdings sollte die Information zur begrenzten Therapiedauer seitens des Arztes oder des Apothekers nicht dazu verleiten, im häuslichen Arzneimittelschrank eine bunte Antibiotika-Sammlung anzulegen. Bei derart manifesten Wissenslücken zu absoluten Antibiotikabasics wissen die meisten Patienten – das zeigt die Apothekenpraxis – nicht, dass nicht jedes Antibiotikum automatisch gleich ein Penicillin ist. Dass es gar verschiedene Penicilline gibt, von Cephalosporinen, Fluorchinolonen, Makroliden ganz zu schweigen. Zudem hält sich hartnäckig der Irrglaube, dass man Antibiotika grundsätzlich nie in Kombination mit Milch nehmen darf – und zwar alle. Und hier munter angebrochene Antibiotikapackungen beim nächsten Infekt in Eigentherapie einzunehmen, ist in der Tat unverantwortlich. Die Empfehlung der Apotheke sollte also künftig darauf abzielen, nicht die Packung bis zum Ende zu nehmen, sondern übrige Tabletten zu entsorgen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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