Lemtrada bei Multipler Sklerose

MS-Patient stirbt an Thrombozytopenie nach Alemtuzumab-Gabe

Stuttgart - 20.11.2017, 15:00 Uhr

Lemtrada löste eine therapierefraktäre Thrombozytopenie aus, woran ein 34-jähriger Multiple-Sklerose-Patient verstarb. (Foto: Genzyme)

Lemtrada löste eine therapierefraktäre Thrombozytopenie aus, woran ein 34-jähriger Multiple-Sklerose-Patient verstarb. (Foto: Genzyme)


Alemtuzumab in der Diskussion: Thrombozytopenie und Verschlechterung von MS

Nicht zum ersten Mal ist Alemtuzumab in der Diskussion aufgrund schwerer unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Anfang dieses Jahres hat Lancet Neurology zwei Fallberichte veröffentlicht, in denen MS-Patienten neue MRT-Läsionen und eine Verschlechterung ihrer MS-Symptomatik unter Alemtuzumab zeigten. Was die Kliniker allerdings nicht aufklären konnten, war, ob die im MRT neu aufgetretenen Läsionen bei den Multiplen Sklerotikern als Fortschreiten der MS zu werten waren oder als weitere, von der Multiplen Sklerose unabhängige, Autoimmunprozesse.

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Verschlechtert Alemtuzumab MS?

Die US-amerikanische Zulassungsbehörde hat dem Nebenwirkungsprofil von Lemtrada® Rechnung getragen; die FDA schränkt den Einsatz von Alemtuzumab auf MS-Patienten ein, die zuvor auf zwei oder mehrere Arzneimittel nicht ausreichend angesprochen haben. In Europa dürfen Neurologen Alemtuzumab freier anwenden: „Lemtrada® ist angezeigt zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (RRMS) mit aktiver Erkrankung“.

Wie wirkt Alemtuzumab bei Multipler Sklerose?

Der exakte Wirkmechanismus des humanisierten CD52-Antikörpers bei MS ist nicht vollständig geklärt. Vor allem CD3-T-Lymphozyten und CD19-B-Lymphozyten exprimieren das Glykoprotein. Durch Bindung von Alemtuzumab an die CD52-positiven Lymphozyten lösen sie eine komplementvermittelte Zytolyse aus. Die Forschung weist „in Richtung immunmodulatorischer Wirkung“, schreibt die Fachinformation zu Lemtrada. Hierdurch kommt es wohl zu einer Senkung der zirkulierenden B- und T-Zellen und einer sich anschließenden Repopulation, was die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schubs bei Multipler Sklerose verringert.

Diese modulierende Eigenschaft auf das Immunsystem durch Lemtrada® wird auch der Nebenwirkung ITP zugrunde gelegt. Denn die Reaktion der Blutplättchen auf Alemtuzumab ist keine typische arzneimittelinduzierte Immunthrombozytopenie, bei der die Antikörper nur in Anwesenheit des Arzneimittels binden. In solchen Fällen bindet das Arzneimittel reversibel direkt an ein Glykoprotein auf der Oberfläche der Thrombozyten und führt so zu einer Konformationsänderung dieses gebundenen Oberflächenproteins. Diese Konformationsänderung schafft so ein neues Epitop, das die Auto-Antikörperbildung auslöst. Wohingegen die durch Alemtuzumab ausgelöste Bildung von Autoantikörpern gegen Thrombozyten durch eine Fehlregulation des Immunsystems bewirkt wird.

Kommerzielle Interessen in der Historie machten Mabcampath® zu Lemtrada®

Alemtuzumab sorgte bereits früher für Aufsehen. Der CD52-Antikörper war seit 2001 als Mabcampath® für Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL) zugelassen. Nachdem der Hersteller Genzyme jedoch feststellte, dass Alemtuzumab auch bei Multipler Sklerose Wirksamkeit zeigt, hat Genzyme die Zulassung von Mabcampath® bei Leukämie zugunsten der Zulassung des Antikörpers bei MS zurückgegeben. Seit 2013 steht Alemtuzumab in Lemtrada® Patienten mit remittierend schubförmiger MS als therapeutische Option zur Verfügung.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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