Weltweite Untersuchung

Nicht mehr als fünf Minuten beim Arzt, dafür aber mehr Verschreibungen

Remagen - 20.11.2017, 07:00 Uhr

Wie viel Zeit nehmen sich Ärzte für ihre Patienten? (Foto: gina sanders / stock.adobe,com)

Wie viel Zeit nehmen sich Ärzte für ihre Patienten? (Foto: gina sanders / stock.adobe,com)


Kürzere Beratung, mehr Antibiotika

Die Wissenschaftler analysierten auch den damit verbundenen Outcome für die Gesundheitssysteme und fanden folgende Schlüsselergebnisse: Die Länge der Konsultation war signifikant assoziiert mit den nationalen pro-Kopf-Ausgaben für das Gesundheitswesen, der Hausarztdichte, der Zufriedenheit der Ärzte mit der Betreuung der Patienten sowie den Krankenhauseinweisungen wegen Diabetes (aber nicht wegen Asthma oder COPD).  

Demgegenüber wurde keine signifikante Assoziation gefunden mit der Anzahl der Arztkonsultationen pro Patient in einem bestimmten Jahr, der Zahl der veranlassten diagnostischen Tests, der Anzahl der Besuche in der Notfallversorgung und auch nicht mit der Zufriedenheit der Patienten. Kürzere Beratungen waren eher mit einer Vielzahl von Verschreibungen pro Patient verbunden (Polypharmazie), außerdem mit einem übermäßigen Einsatz von Antibiotika und einer schlechten Kommunikation mit den Patienten, fügen die Forscher an. 

Stress und Burnout bei den Ärzten

In weniger als fünf Minuten könne nicht viel mehr erreicht werden als die Erfassung und das Management des Krankheitsstatus insgesamt, meinen die Wissenschaftler. Bei solch kurzen Beratungszeiten müsse deshalb mit negativen Auswirkungen auf die Patientenversorgung gerechnet werden. Außerdem erhöhten sie die Arbeitsbelastung und den Stress bzw. das Burnout unter den Ärzten. Bei vielen bleibe das Gefühl zurück, vor allem multimorbide Patienten nicht angemessen betreut zu haben. 

Trotz des erheblichen Umfangs der ausgewerteten Daten und deren Reichweite halten die Forscher ihre Ergebnisse für überwiegend deskriptiv. Die Qualität der Beweise bewerten sie bei weniger als der Hälfte der eingeschlossenen Studien mit „gut“. So hätten die Untersuchungen keine einheitliche Definition für die Bemessung der Dauer der Arztbesuche verwendet. Außerdem seien die Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen sowie zwischen öffentlichen und privaten Praxen nicht berücksichtigt worden.  

Etablierter Qualitätsstandard

Die durchschnittliche Dauer einer Arztkonsultation ist ein etablierter Qualitätsstandard, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und vom Internationalen Netzwerk für die rationale Anwendung von Arzneimitteln (International Network for Rational Use of Drugs, INRUD) eingesetzt wird, um den sicheren und kosteneffektiven Einsatz von Arzneimitteln zu fördern. Sie sollte regelmäßig berichtet und in Zukunft als essenzieller Standard für die Qualität von Gesundheitsdienstleistungen überall in der Welt akzeptiert werden, empfehlen die Autoren.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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