Lungenentzündung

Impfstoffe statt Antibiotika

Remagen - 24.11.2017, 12:15 Uhr

(Foto: Richard Villalon / stock.adobe.com)

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Bei einer bakteriellen Lungenentzündung sind spezifische Immunzellen essentiell für die Genesung. Dies konnte ein Forscherteam aus Zürich zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden belegen. Ihre Arbeit bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer Impfstoffe, die den zunehmenden Antibiotika-Resistenzen entgegenwirken könnten.

Wie eine Lungenentzündung verläuft, hängt vor allem vom allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten sowie vom Erregertyp ab. Typische, durch Pneumokokken hervorgerufene Lungenentzündungen treten meist während der kalten Jahreszeit auf und zwar vorrangig bei älteren oder bereits vorerkrankten Personen. Oftmals geht ein Infekt im Hals- oder Rachenbereich voraus. Die klassische Pneumonie beginnt mit Schüttelfrost und hohem Fieber. In der Regel stellt sich schon nach kurzer Zeit Husten ein, der anfangs trocken, später schleimig ist. Die Atmung ist meist oberflächlich, angestrengt und schnell, und die Patienten klagen häufig über Brustschmerzen, vor allem beim Einatmen. Bei einigen Patienten kommt noch eine Atemnot hinzu. Der Sauerstoffmangel, der hieraus entstehen kann, ist an einer bläulich-violetten Verfärbung von Lippen, Nase, Zehen- oder Fingernägeln zu sehen (Zyanose).

Atypische Pneumonien

Eine Lungenentzündung kann aber auch ganz untypisch verlaufen. Solche Formen werden zum größten Teil durch Viren und/oder Mykoplasmen hervorgerufen. Der Stamm Mykoplasma pneumoniae bewirkt vor allem im Schul- und Jugendalter Infektionen der oberen und tieferen Luftwege. Im Gegensatz zur Pneumokokken-Pneumonie entwickeln sich die Beschwerden viel langsamer. Die Ausbildung des vollen Krankheitsbildes dauert meist mehrere Tage. Die Patienten sind im Allgemeinen jünger und gesünder als bei der klassischen Lungenentzündung. Die atypische Lungenentzündung ist geprägt durch Kopf- und Gliederschmerzen. Der Husten ist trocken und langanhaltend (unproduktiver Reizhusten) und der Allgemeinzustand der Betroffenen in der Regel wenig beeinträchtigt.

Unterschiedliche Immunabwehr in Lunge und Nasen-Rachen-Raum 

Ein Forscherteam vom Universitäts-Kinderspital Zürich und der Universität Zürich (UZH) hat sich zusammen mit Wissenschaftlern von entsprechenden Einrichtungen in Rotterdam und Utrecht speziell mit Mykoplasmen als Erreger der atypischen Lungenentzündung befasst. Das Team konnte zeigen, dass sich die Immunabwehr nach einer Infektion in der Lunge und den oberen Atemwegen wesentlich unterscheidet. Die Ergebnisse wurden im Journal of Infectious Diseases veröffentlicht.

B-Zellen nehmen Schlüsselrolle ein

Für ihre Experimente kultivierten die Wissenschaftler die Bakterien mit einem Fluoreszenzstoff und konnten die Erreger in der Lunge und den oberen Atemwegen auf diese Weise während der Infektion erstmals visuell verfolgen.

Sie stellten fest, dass die B-Zellen essentiell für die Heilung sind, denn die von ihnen produzierten Antikörper eliminieren die Mykoplasmen in der Lunge. Die Forscher fanden eine deutliche Zunahme und Aktivierung von B-Zellen in den lokalen Lymphknoten und mehr IgM- und IgG-Antikörper in der Lunge. Dadurch werden die Erreger innerhalb von Wochen zerstört. Im Gegensatz dazu fanden sie in den oberen Atemwegen IgA-Antikörper. Die B-zellen wurden nicht aktiviert, wodurch der Erreger in dieser Umgebung überleben konnte. Die bakterielle Besiedlung blieb im Nasen-Rachen-Raum wochenlang bestehen.

Experimente mit Mäusen ohne B-Zellen lieferten letztlich den Beweis, dass die in die Mäuse transferierten Antikörper die Bakterien in der Lunge effektiv zerstörten, den Erreger in den oberen Atemwegen aber nicht eliminieren konnten.

Grundstein für die Entwicklung von Impfstoffen

Die Ergebnisse bestätigen nach Meinung der Wissenschaftler klinische Beobachtungen bei Kindern, deren obere Atemwege im Anschluss an eine Infektion mit Mykoplasmen trotzdem besiedelt blieben. „Dies sind die ersten Daten, die beweisen, dass die durch Antikörper vermittelte Immunantwort bei Lungeninfektionen mit Mykoplasmen essentiell ist“, erklärt der Infektiologe Patrick Meyer Sauteur.

Die Resultate könnten helfen, spezifische Impfstoffe zu entwickeln, die das Immunsystem auf die Abwehr vorbereiten und eine Infektion verhindern würden, meint er, und bezeichnet sie deshalb als Grundstein für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Mykoplasmen. Dies sei besonders wichtig in einer Zeit, in der es aufgrund der starken Zunahme von Resistenzen in gewissen Weltregionen für Kleinkinder oft keine geeigneten Antibiotika gegen Mykoplasmen mehr gebe, betont Meyer Sauteur.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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