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Sachsen und Bayern
Immer mehr Apotheken sind demenzfreundlich
Demenz, was nun? Wird die Krankheit diagnostiziert, tauchen Fragen auf. Was passiert mit mir? Welche Hilfsangebote gibt es in meiner Stadt? Immer häufiger wird die Apotheke Anlaufstelle für solche Fragen. Das ist zumindest das Ziel des Projektes „Demenzfreundliche Apotheke“. Es sieht vor, die Offizin zur Vermittlungsstelle für lokale Hilfsangebote zu machen. Nach Bayern sind nun auch in Sachsen die ersten Apotheken demenzfreundlich.
Die Apotheke am Schmutterpark in Neusäß ist eine von 51 im Großraum Augsburg, die sich „demenzfreundlich“ nennen darf. Zusammen mit zwei PTA-Kolleginnen besuchte Irina Beitler ein Seminar der Alzheimer Gesellschaft Augsburg (AGA). In der Ganztags-Veranstaltung erhielten Teilnehmer Informationen zum Krankheitsbild und regionalen Entlastungs- und Betreuungsangeboten. Dazu Tipps zur Kommunikation mit Erkrankten. Die 50-jährige Apothekerin fühlt sich jetzt sicherer, wenn ihr das Thema Demenz im Berufsalltag begegnet. „Kleinigkeiten bringen oft große Erleichterung für Betroffene“, weiß sie. Patienten vergäßen schon mal, dass sie Kinder hätten. Verwirrung und Kränkung könnten entstehen, wenn der pflegende Sohn seinen Vater mit „Papa“ anspreche, dieser aber bestreite, Vater zu sein. Hört sie solche Geschichten von überlasteten Angehörigen, klärt sie über das Krankheitsbild auf. Zudem rät die Neusäßerin, „solch eine Situation nicht persönlich zu nehmen und künftig einfach den Vornamen zu verwenden.“
„85 Prozent der Betroffenen wissen
nicht, wie es für sie nach der Diagnose Demenz weitergeht“, zitiert Dr. Jens Schneider eine Studie des bayerischen
Demenz Survey. Der AGA-Vorstand hat das Projekt mit angestoßen. Deutlich weist
er auf das Potenzial hin, eine akute Beratungslücke zu füllen. „Demenzfreundliche Apotheken werden zu einem Anlaufpunkt für
niederschwellige Gesundheitsberatung im Quartier“,
so der Apotheker im Ruhestand. Damit könnten sie zeigen, dass ihnen die
Gesundheit ihrer Kunden ein Anliegen ist. Die Sensibilisierung der Mitarbeiter
hält er für besonders wichtig. Ungeschultes Personal reagiere vielleicht eher
ungehalten, wenn ein älterer Kunde dreimal hintereinander anrufe und dieselbe
Frage stelle. „Geschultes Personal kann hellhörig
werden und Betroffene an uns weitervermitteln“,
so der 75-Jährige. 2015 wurde das Augsburger Projekt für sein Engagement mit
dem Deutschen Apotheken-Award des DAV ausgezeichnet.
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Apotheken ins Hilfsnetzwerk Demenzberatung einzubinden, das findet auch Dr. Stefan Zeller, Direktor des Geriatriezentrums Ostsachsen, ausgezeichnet. Zeller und sein Team schulen regelmäßig ihre Netzwerk-Partner im Umgang mit der Krankheit: Polizei, Rettungskräfte und seit Anfang des Jahres, angelehnt an das Augsburger Modell, auch Apotheken. „Die Apotheken kamen in ihrer Hilflosigkeit auf uns zu“, berichtet der 48-jährige Mediziner. Zwei Seminare fanden bereits im Klinikum Görlitz statt. AGA-Vorsitzender Schneider sprach beim Auftakt im März vor zehn Apotheken. „Eine rundum gelungene Sache“, zieht Veranstalter Zeller Bilanz. Auch nach der zweiten Runde im November mit rund 40 Teilnehmern. Monatlich findet weiterhin ein „Runder Tisch“ zum gegenseitigen Austausch statt. Flyer und Broschüren erhalten die beteiligten Apotheken zur Auslage.
Konzept funktioniert nicht überall
Die Praxis zeigt allerdings, dass das Konzept nicht immer und überall funktioniert. Cornelia Thomas hat 2015 an einer Schulung teilgenommen. Doch in Gesprächen stößt die PTA beim Thema Demenz häufig auf Abwehr. „Trotz Stress haben Angehörige oft Hemmungen oder glauben, sie müssten alles alleine schaffen", stellt die Mitarbeiterin der Anna-Apotheke in Augsburg fest.
Für die geringe Resonanz erkennt sie noch einen weiteren Grund: „Durch unsere Innenstadtlage bedienen wir zu 70 Prozent Laufkundschaft.“ Sofern sie auf offene Ohren stößt, verweist Thomas an das Alzheimer-Telefon der AGA, das weitere Hilfe vermitteln kann.
Apothekerin Beitler hingegen kann im Berufsalltag häufig „demenzfreundlich“ auftreten. „Wenn ein langjähriger Kunde plötzlich anfängt, jede Woche Aspirin zu kaufen, beobachte ich das genau“, so Beitler. Kommen weitere Anzeichen hinzu, kann sie reagieren und auf lokale Hilfsangebote hinweisen. Einen Vorteil sieht sie im hohen Stammkundenanteil der Apotheke am Schmutterpark. „Ein vertrautes Verhältnis erleichtert es, das sensible Thema in Beratungen aktiv anzusprechen“, so die Apothekerin.
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