Interview mit der Charité Berlin (Teil 3)

Potenzial von Ketamin als antisuizidales Arzneimittel

Berlin / Stuttgart - 06.12.2017, 10:30 Uhr

Könnte Ketamin als akut antisuizidales Arzneimittel therapeutisch wertvoll werden? (highwaystarz / stock.adobe.com)

Könnte Ketamin als akut antisuizidales Arzneimittel therapeutisch wertvoll werden? (highwaystarz / stock.adobe.com)


Stellenwert von Ketamin bei Depressionen künftig

Wo sich Ketamin in der Zukunft therapeutisch positioniert, lässt sich schwer prognostizieren. Wird Ketamin eine Reserve-Methode für sehr schwer depressive Patienten bleiben, die auf anderen Wegen keine Linderung ihrer Beschwerden erreichen, oder wird Ketamin andere antidepressive Therapien ablösen?

„Das ist ein bisschen Kaffeesatz-Leserei: Was passiert mit dieser Substanz in den kommenden Jahren?“ Jede neue Intervention startet in der Regel bei Patienten, die schwere Erkrankungen haben oder therapieresistent sind. Wirkt das Arzneimittel und ist es in dieser Indikation einmal etabliert, wird es in aller Regel auch leichter erkrankten Menschen zugänglich. „Es würde mich nicht überraschen, wenn auch Ketamin diesen Weg beschreitet“, schätzt Bajbouj.

Ketamin als antisuizidales Arzneimittel?

Einen Ausblick gibt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie dann doch: So könne eine Teilindikation Ketamin noch im Besonderen wertvoll machen. „Es gibt eine schmale Evidenz – aber klinisch durchaus sehr relevant – die nahelegt, dass Ketamin besonders gut antisuizidal wirkt“. Hier könnte ein therapeutisches Fenster entstehen, bei dem Ärzte Ketamin, unabhängig von der Therapie schwerer Depressionen, einsetzen könnten: Für die akut antisuizidale Therapie.

Wirkt Ketamin besser als eine Elektrokrampftherapie? 

Für therapieresistente Depressionspatienten existiert eine weitere Reserve-Therapie: die Elektrokrampftherapie (EKT). Sprechen Patienten besser auf Ketamin oder auf die EKT an? Welches Unterschiede gibt es hinsichtlich des Therapieerfolgs?


Ketamin wirkt schneller, die EKT wirkt dafür bei mehr Patienten.

Prof. Dr. med. Malek Bajbouj, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité


EKT setzt Prof Bajbouj sehr häufig ein. Die Frage, welche Therapie effektiver ist – Ketamin oder EKT – lasse sich derzeit nicht abschließend beantworten, da auch hier die Studie zwar abgeschlossen, die Ergebnisse jedoch noch nicht publiziert seien. Dennoch kann Bajbouj bereits grob die Unterschiede umreißen: „Ketamin wirkt schneller, die EKT wirkt dafür bei mehr Patienten“. Welche Therapie bevorzugt Bajbouj bei therapieresistenten Depressionen? „Wenn wir Ketamin verwenden, dann in der Regel bei Patienten, die eigentlich EKT-Kandidaten sind, aber die vor der EKT noch einen anderen Therapieversuch wagen wollen“, sagt der Arzt. Allerdings sei diese Vorgehensweise Charité-spezifisch und von Klinik zu Klinik in Deutschland verschieden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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