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Psychotherapueten-Verband sieht Angebote skeptisch
Das Risiko einer Fehleinschätzung sei bei einer Videotherapie vergleichbar mit dem bei einer Therapie von Angesicht zu Angesicht, erklärt Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Hauptsache, die Grundlage der Psychotherapie ist eine sorgfältige Diagnostik vor Ort.“ Wichtig sei auch, dass es eine Möglichkeit gebe, auf Krisen zu reagieren – und, „dass durch die Verschlüsselung der Datenschutz sichergestellt ist“.
Im Allgemeinen werde zwischen begleiteten und unbegleiteten Angeboten im Internet unterschieden – „die Begleitung über Video-Chat ist nur eine Form“, sagt Hauth. Die Wirksamkeit von Online-Therapien sei mehrfach in Studien nachgewiesen worden. „Die Wirksamkeitsnachweise liegen sowohl für unbegleitete als auch für von Therapeuten begleitete Anwendungen vor.“ Vor allem Programme für Depressionen und Angsterkrankungen seien bislang untersucht worden. Manche Krankenkassen übernehmen auch die Kosten dafür.
Großer Vorteil: Zugänglichkeit
Der größte Vorteil solch einer Behandlung sei die Zugänglichkeit. „Wenn der nächste Therapeut zu weit entfernt ist, dann ist das einfach für die meisten Menschen nicht machbar“, sagt Hauth. Gerade im ländlichen Raum sei eine Online-Therapie eine gute Ergänzung. Patienten, die einen Großteil ihrer Zeit im Ausland verbringen –wie Martin Schulze-Vorberg – profitierten ebenfalls von der Flexibilität.
„MindDoc“ ist nicht die erste Therapie-Plattform im Netz. Bereits vor rund zwei Jahren ging zum Beispiel „Selfapy“ an den Start – ein Programm, das von Psychologen entwickelt wurde. Auch hier können sich Patienten via Webcam und Chat mit ihren Therapeuten vom Wohnzimmer aus unterhalten, auch hier gibt es Übungen. „Rund 40 Prozent unserer Patienten verzichten aber auf die Videofunktion, sie telefonieren lieber und bleiben anonym“, erklärt „Selfapy“-Mitgründerin Farina Schurzfeld.
20 Psychologen betreuen 4000 Menschen
Mehr als 4000 Menschen hätten das Programm schon durchlaufen, rund 20 Psychologen seien für die Plattform im Einsatz. Der Unterschied zu „MindDoc“? „Selfapy“ sieht sich als Ergänzung zu einer ambulanten Psychotherapie. Das Programm der Schön Klinik dagegen ist den Machern zufolge einer Therapie gleichgestellt. Das mache „MindDoc“ einzigartig in Deutschland, sagt Backes. Einen Zugang gibt es erst nach einem persönlichen Diagnosegespräch an einem der Klinikstandorte. Die beiden Anwendungen haben auch einiges gemeinsam: Menschen aus der Krise helfen und dabei lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz überbrücken. Laut DGPPN kann es in Deutschland sechs Monate dauern, bis man einen Platz bekommt.
Die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) sieht solche Ambitionen kritisch. „Es ist nicht die Aufgabe von Online-Plattformen, sondern der Politik, das Problem mit der Wartezeit zu lösen“, sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende der DPtV, Kerstin Sude. Bei den Angeboten im Netz fehle außerdem eine gesetzliche Grundlage. Denkbar wäre aus Sicht der DPtV, dass Online-Programme als verschreibungspflichtige Hilfsmittel eingesetzt werden. „Dort, wo die Wirksamkeit nachgewiesen wurde, da sehen wir gute Ergänzungschancen, aber keinen Ersatz.“
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