Krankenkassen zum Honorar-Gutachten

„Wir müssen sprechen“

Berlin - 22.12.2017, 07:00 Uhr

Der GKV-Spitzenverband sieht nach der Veröffentlichung des Honorar-Gutachtens Gesprächsbedarf und will mit den Apothekern über die Versorgungsstruktur und den Versandhandel sprechen. (Foto: dpa)

Der GKV-Spitzenverband sieht nach der Veröffentlichung des Honorar-Gutachtens Gesprächsbedarf und will mit den Apothekern über die Versorgungsstruktur und den Versandhandel sprechen. (Foto: dpa)


Kurz vor Weihnachten wir die Apothekenbranche derzeit noch einmal kräftig durchgeschüttelt: Das Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte am gestrigen Donnerstag das lang erwartete Honorar-Gutachten. Kaum ist das Papier in der Welt, kündigen die Krankenkassen Gesprächsbedarf an: Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes muss unter anderem darüber gesprochen werden, ob wirklich jede Apotheke notwendig ist.

Die Veröffentlichung des Gutachtens zum Apothekenhonorar durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) bewegt derzeit viele Apotheker. Geht es nach den Gutachtern, würde einerseits die gesamte Arzneimittelpreisverordnung umgestellt und andererseits jeder Apotheke im Schnitt 40.000 Euro weniger pro Jahr ausgezahlt bekommen. Die Gutachter empfehlen unter anderem, dass das Fixhonorar auf 5,84 Euro abgesenkt wird. Für viele Dienste sollen die Pharmazeuten aber auch mehr Geld bekommen, etwa für Notdienste, Rezepturen oder die BtM-Abgabe. Trotzdem würde unter dem Strich ein Minus von etwa 1 Milliarde Euro herauskommen, erst dann würde die Branche „kostendeckend“ geführt.

Dass es das Gutachten überhaupt gibt, liegt auch an den Krankenkassen. Die hatten nämlich jahrelang immer wieder moniert, dass die ABDA keine verlässlichen Zahlen zur wirtschaftlichen Situation der Apotheker vorlegen könne. Die ABDA reagierte teilweise, stellte das Zahlenwerk um. Aber die Kassen akzeptierten auch das nicht. Auch deswegen freut sich der GKV-Spitzenverband nun darüber, dass das Gutachten endlich das Licht der Welt erblickt hat. Ein Sprecher des Kassenverbandes erklärte gegenüber DAZ.online: „Nachdem die ABDA jahrelang die Einnahmesituation der Apotheken aus den Beitragsgeldern der gesetzlichen Krankenversicherung unter der Decke gehalten hat, freuen wir uns nun umso mehr über die neue Transparenz.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Frau Patzelt

von Dr.Diefenbach am 23.12.2017 um 12:04 Uhr

Danke für IHRE Einlassung.Ich kann mich nicht erinnern dass jemals so miserabel mit einem Beruf umgesprungen wurde.Eigentlich müssten statt 6 hier 600 Menschen ihre Wut rauslassen.Wenn ich bereits jetzt an das dumme Geschwätz der "Weihnachtsansprache"denke und daran,wie traurig und vor allem auch mit Existenzangst(!) erfüllt viele von uns diese Tage erleben dürften,dann verliert der Begriff "Gesellschaft"und "sozialer Umgang" miteinander immer mehr an Bedeutung.Ich tue mich schwer ,"fröhliche Weihnachten"zu wünschen.Gerade das haben die Menschen hinter(!)dem Tisch verdient."Danke",Politik.Danke für dieses Timing,diese widerliche Behandlung von Menschen 2.oder 3.Klasse?!Hauptsache die Diätenerhöhung IST durch.

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War doch glasklar,

von gabriela aures am 22.12.2017 um 14:04 Uhr

daß die Krakas dieses „völlig überraschende“ Ergebnis für sich nutzen - egal, wie und wann Einzelheiten oder jetzt das gesamte Machwerk öffentlich wurden.
Das Schweigen der Anderen ist zweitrangig.
Der Großhandel reicht seine Nachteile durch an die Apotheken, das hat Tradition und außerdem sind die GFs nicht existenziell bedroht.
Ergebnisorientiert ist es vermutlich egal, ob die ABDA schweigt oder sich ereifert - sie hat keine Chance gegen die übermächtigen Krakas.
Ebensowenig überrascht die billige Entschuldigung ( wir haben ja nichts gewußt, wir wurden ja nicht persönlich informiert, wir mußten es ja aus dem Internetz erfahren, mimimimi) mit der sie sich wiedermal um ihre Arbeit drückt.
Aber die Damen und Herren sind vermutlich dank ihrer Posten und Pöstchen so unabhängig vom RX-Honorar, daß die Zukunftssorgen der InhaberInnen UND der Angestellten für sie nur larmoyante Mißtöne sind.
Kennt man ja, hat man schon immer ausgesessen.

Wird das in Schladming thematisiert oder gibts lieber einen unverfänglichen Dia-Vortrag zum Protzbau ?


Und @Frau Patzelt :
Meine Sonne !
Die Befragung der Kunden schon vergessen ?
Kubikmeterweise Unterschriften - EINGELAGERT durch die ABDA.
Noch mehr Danke für nix.

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Milchmädchen im Spitzenverband der GKV

von P. Timm am 22.12.2017 um 10:04 Uhr

Wäre die Situation nicht so bedrohlich, könnte man über diese Milchmädchenrechnung lachen.

Weniger Apotheken = weniger Kosten? Der Bedarf und damit die Abgaben der Arzneimittel sinken dadurch nicht. Apotheken werden eingehen, andere müssen dafür wachsen um den Versorgungsbedarf abdecken zu können. Längere Öffnungszeiten, mehr Betriebskosten, mehr Personalkosten. Statt wenig Geld auf viele Apotheken wäre mehr Geld auf weniger Apotheken zu verteilen. Das ist keine Ersparnis. Mit einem steinzeitlichen System, in dem den Apotheken entgegen den Grundsätzen jeglicher freien Marktwirtschaft vorgeschrieben wird, wie viel Kostendeckung sie pro Abgabe erhalten dürfen, stehen Apotheken vor dem finanziellen Aus. Erst recht, wenn die Pauschale je Packung bei steigenden Kosten und gleichbleibender Abgabemenge auch noch reduziert wird.

Den Krankenkassen in ihren Glaspalästen geht es natürlich nicht um ihr Geld - sondern um das Geld ihrer lieben Versicherten. Selbstverständlich ziehen wir uns alle die Hosen mit der Kneifzange an. Die Versorgung ihrer Patienten, die bitteschön gar nicht erst die Leistungen der Kasse in Anspruch nehmen sollten, ist dann plötzlich zweitrangig.

Immer mehr wird geschimpft, die Apotheken müssen noch mehr, noch intensiver beraten. Wie schafft das eine Versandapotheke? Wie schafft das eine in der Pleitewelle übrig gebliebene Apotheke mit Schlangen anstehender Kunden von einem Dutzend Meter? Das Tagesgeschäft in der Apotheke: die Patienten brauchen sofort ihre Medikamente, spätestens am nächsten Tag. Rechtzeitig holen sich die wenigsten ihr Rezept vom Arzt, der nebenbei noch auf das diktierte Budget achten muss. Das schafft keine Versandapotheke. Dann denke man an Hilfsmittel und Medizinprodukte welche die Kassen mithilfe eines bürokratischen Monsters Abgabe für Abgabe einzeln genehmigen. Das schafft niemals eine Versandapotheke.

Das führt zum nächsten Punkt. Die Verwaltungskosten der Krankenkassen wiegen mehr als doppelt so hoch wie die Honorare der Apotheker. Bürokratie kann zentralisiert werden. Das dies Ersparnisse bringt, zeigte jüngst die Schaffung der Monsterlandkreise in Mecklenburg-Vorpommern. Der Markt an gesetzlichen Krankenkassen ist enorm und wüst. Es gibt so viele Kassen die sich allesamt eine teure Spitze leisten. Hier liegt doch das größte Einsparpotential. Dort fließt mehr Geld der geliebten Versicherten hin. In der Apotheke bekommen die Menschen ihre Produkte und ihre Beratung. Was bekommen sie für ihr Geld von den Krankenkassen? Zusatzbeiträge, Zuzahlungen, Frust über ständig wechselnde Rabattverträge, viel Bürokratie bei der Verwirklichung der eigenen Ansprüche, aufwendige Genehmigungsverfahren und abgelehnte Behandlungen.

Welches Ministerium prüft die Krankenkassen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin?

Wenn nicht mehr mit der Apotheke, kann man seinen Lebensunterhalt vielleicht mit dem Erfinden von Spielen sicherstellen - Monopoly in der GKV-Edition: für jede eingestampfte Apotheke gibt's einen neuen Glaspalast.

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Tsunami

von Karl Friedrich Müller am 22.12.2017 um 8:15 Uhr

Das Gutachten ist ein Auftragsgutachten, also nichts wert.

Die Zahlung und In Auftrag Gabe ist eine Veruntreuung von Steuergeldern. Wurden hier neutrale Vergabekriterien eingehalten, oder wurden da Amigos versorgt?

Die ABDA hielt es einmal mehr für unnötig, sich in irgendeiner Weise vorzubereiten. Das ist Arbeitsverweigerung. Oder wahrscheinlicher: Absicht. Steckt die ABDA im Punkt "Apothekenbereinigung" mit GKV und Regierung unter einer Decke? Was für Posten winken für die Zeit "danach"?

Jedenfalls ist die Absicht klar. Die Apotheken sollen auf Biegen und Brechen zerstört, die Versender mit Gewalt im Markt installiert werden. Dafür reicht nun Hetze nicht mehr und Vertrags und Gesetzesbrüche.

Da kommt ein gewaltiger Tsunami auf uns zu.
Vermögen weg, Altersversorgung weg (die GKV bedient sich da für sich gerne an den Beiträgen), Arbeitsplätze weg.

Und vor allem: Versorgung der Bevölkerung weg. Das können die Versender NIE UND NIMMER leisten!

Schaden vom Volk.....

Der Stand pennt. Die Führung abgetaucht, die Basis handlungsunfähig. Hier würden nur noch Einigkeit helfen. Und ein Streik, zumindest mal in einem Bundesland. Aber komplett.

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Wir müssen sprechen

von Michael Zeimke am 22.12.2017 um 7:45 Uhr

Wir müssen sprchen,ob alle Krankenkassen nötig sind.
Macht ja nichts , wenn Personal freigesetzt wird.
Bei Apotheken auch kein Problem !

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Die Geier auf der Stange

von Christiane Patzelt am 22.12.2017 um 7:29 Uhr

Wie schnell doch Bedarf nach Rationalisierung angekündigt wird. Wie schnell doch die freie, soziale Marktwirtschaft in Planwirtschaft gewandelt werden kann. Wie sehr in den Köpfen hängt „weniger Apotheken=weniger Kosten“. Wie schnell werden abertausende von Frauen geführte Betriebe wertlos, unverkäuflich, für unnötig befunden und alle finden das normal - unsere Hasser applaudieren sogar medial, denn nicht wenige in der Bevölkerung finden, wir haben mal so richtig was in die Fresse verdient, nur weil wir Apotheker vom Beruf her sind - voilá, mehr in die Fresse geht kaum!

Ich bedanke mich als Frrau und Mutter und als Apothekeninhaberin seit nunmehr 17 Jahren mal für dieses fantastische Weihnachten! Jetzt stellen Sie sich doch mal vor, wie uns Frauen ums Herz zumute ist, wenn wir mit der Waffe im Hals den Heiligabend feiern dürfen! Herzlichen Glückwunsch für dieses tolle Timing - ich weiß, es wird gern vergessen, dass auch wir HINTERM Thresen Menschen sind wie du und ich! Und wer hat denn eigentlich die 3,6 Mio Patienten gefragt, ob sie das wollen..? Aber wenn das Großkapital die Leiche fleddert, dann haben müssen alle anderen schweigen, oder was?

Frohe Weihnachten und danke für gar nichts!

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AW: Die Geier auf der Stange

von Frank Zacharias am 22.12.2017 um 9:26 Uhr

Das ist mir aus der Seele gesprochen.

Ich wünsche Ihnen trotz allem ein gesegnetes Weihnachtsfest.

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