Wer ist die Pharma Mall?

Der verlängerte Arm der Pharmaindustrie

München - 09.01.2018, 07:00 Uhr

Wer ist die Pharma Mall? Eigenen Angaben zufolge sind 19.300 Apoheken bei dem Bestellportal gemeldet, 1 Million Transaktionen gehen auf das Konto von Apothekern. (Abb.: Pharma Mall)

Wer ist die Pharma Mall? Eigenen Angaben zufolge sind 19.300 Apoheken bei dem Bestellportal gemeldet, 1 Million Transaktionen gehen auf das Konto von Apothekern. (Abb.: Pharma Mall)


Viele Apotheker haben tagtäglich mit der Pharma Mall zu tun. Aber wer steckt hinter dem Unternehmen? Die E-Commerce-Firma sieht sich selbst als Schnittstelle zwischen Pharmaunternehmen einerseits und Händlern, Apothekern und Kliniken andererseits. Ursprünglich als Testballon angesichts veränderter Vertriebswege gegründet, hat sich das Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Hersteller mittlerweile eine starke Position als Technologieanbieter im Arzneimittelvertrieb geschaffen – nicht zur Freude aller.

Christoph Windel stapelt eher tief als hoch: „Wir sind nur der verlängerte Arm der Pharmaindustrie“, stellt der Geschäftsführer des E-Commerce-Anbieters Pharma Mall im Gespräch mit DAZ online klar. „Wir stellen ausschließlich die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, damit Großhändler, Apotheker und Krankenhäuser sowie teilweise auch Ärzte Arzneimittel bei den Pharmaunternehmen bestellen können.“ Das trifft einerseits zu, gibt andererseits die Wahrheit nur zum Teil wider: Tatsächlich hat sich das Unternehmen in den rund 15 Jahren seines Bestehens still und leise eine starke Position an der Schnittstelle zwischen Arzneimittelherstellern und Kunden, also Apothekern, Händlern und Kliniken, geschaffen.

Die Ursprünge des Unternehmens gehen nach den Worten Windels dabei auf die Jahrtausendwende zurück. Mit der Blüte der New-Economy etablierten sich neue, elektronische Kommunikations- und Vertriebsinstrumente. Auch die Pharmaindustrie begann, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Bayer, Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline, die Merck-Pharma Deutschland, Novartis und das Logistikunternehmen Pharma Log beabsichtigten, sich ein Standbein im E-Commerce-Umfeld zu schaffen. „Die Unternehmen wollten sich für das verändernde Umfeld wappnen“, erklärt Windel – und gründeten 2002 als Gesellschafter das Gemeinschaftsunternehmen Pharma Mall. Dabei fokussierte sich die Firma, die Ihren Sitz in Sankt Augustin bei Bonn hat, von Beginn an auf die Technologie, die hinter den Bestellvorgängen, Retouren und der Abwicklung von Lagerwertverlusten steckt. „Standardisierung und Automatisierung wesentlicher Transaktionen und Customer-Service-Prozesse“ umreißt Pharma Mall seine geschäftlichen Aktivitäten selbst.

50 Prozent der Klinikapotheken bestellen noch per Fax

Während Arzneimittel damals vielfach noch per Telefon und Fax bestellt wurden, laufen diese Prozesse heute weitgehend elektronisch ab. Wobei es aus Windels Sicht durchaus noch Einiges zu tun gibt. So würden von den bis zu 600 Klinikapotheken in Deutschland etwa 50 Prozent ihre Medikamente immer noch auf dem alten, herkömmlichen Weg - per Fax - bestellen. Insofern hofft der Pharma Mall-Geschäftsführer, auch diese Gruppe künftig von den Vorzügen des elektronischen Bestellsystems überzeugen zu können, bei dem manuelle Prozesse entfallen und Bestellungen automatisch gebucht werden.

19.300 Apotheken sind angemeldet

Die Kommunikation mit den öffentlichen Apotheken läuft hingegen schon heute vielfach über elektronische Anbindungen aus dem Warenwirtschaftssystem der jeweiligen Offizin heraus. Über die sogenannte MSV-3-Schnittstelle können die Aufträge vollautomatisch an die Hersteller weitergereicht und abgewickelt werden. Darüber hinaus haben die Apotheker mit dem Pharma-Mall-Webportal die Möglichkeiten, über die jeweiligen Hersteller-Shops ihren Bedarf beim Produzenten zu bestellen. Zurzeit sind zirka 19.300 von 20.000 öffentliche Apotheken auf dem Portal angemeldet, die überwiegende Mehrheit davon nutzt die Services der Hersteller regelmäßig.

Mit den unterschiedlichen Technologien reicht die Marktabdeckung je nach Kundengruppe teilweise nahe an die 100 Prozent heran. Neben den öffentlichen Apotheken sind von den deutschlandweit 124 kleineren und großen Pharmahändlern alle an das Pharma-Mall-System angeschlossen. Zudem würden sich rund 120 Kliniken des EDI-Bestellsystems bedienen.

1 Million Transaktionen durch Apotheken

Unter dem Strich verzeichnet der Pharma-Mall-Webshop damit täglich 3000 bis 4000 Log-ins, die Zahl der jährlichen Transaktionen, zu denen neben den Bestellungen auch Retouren, Lagerwertverluste und elektronische Rechnungen gehören, beziffert Unternehmenschef Windel auf 2,5 Millionen. Rund 40 Prozent davon entfallen auf Apotheken, also etwa eine Million Transaktionen. 20 Prozent entfallen auf den Großhandel und weitere 40 Prozent auf Klinikapotheken.

Pharma Mall-Chef Christoph Windel (Foto: Pharma Mall)

Während die Nutzung der Pharma-Mall-Systeme für Großhändler, Apotheker und Kliniken kostenfrei ist, finanziert sich das Unternehmen durch regelmäßige Zuwendungen von Seiten der Gesellschafter, also der Pharmaunternehmen. Auf fünf bis sechs Millionen Euro beziffert Windel das jährliche Budget - nach seinen Worten genug, um den Betrieb mit den etwa 100 Beschäftigten kostendeckend betreiben zu können. „Es ist nicht unser primäres Ziel, einen hohen Gewinn zu erwirtschaften“, stellt der Geschäftsführer klar: „Das ist ein Service der Hersteller, den Sie ihren Kunden anbieten.“ Neben den Gesellschaftern nutzen weitere rund 35 pharmazeutische Hersteller die Services von Pharma Mall. Die meisten von ihnen sind multinationale Konzerne, von denen viele wiederum Tochtergesellschaften in Deutschland haben. Geht es nach Windel, muss es nicht bei dieser Zahl bleiben: „Wir sind offen für alle Hersteller.“

Was die Positionierung seines Unternehmens im Markt betrifft, gibt sich Windel hingegen zurückhaltend. Ob die Pharmahersteller zusammen mit Pharma Mall sukzessive einen Parallelvertrieb zum Großhandel aufbauen? „Wir sind nur ein Technologieanbieter, wir selbst handeln nicht mit Arzneimitteln“, betont der Manager. Was er von der Kritik von Apothekern hält, die im Großhandel nicht verfügbare Arzneien umständlicher und zu höheren Kosten bei Pharma Mall bestellen müssten? „Wir erhalten unterschiedliche Reaktionen.“ Und fügt erneut hinzu: „Wir sind nicht im warenwirtschaftlichen Prozess tätig.“

Expansion in andere europäische Länder

Hört man jedoch genau hin, wird deutlich, dass Pharma Mall mit seinen technischen Systemen in Zukunft eine noch größere Rolle im Pharmavertrieb spielen könnte. „Die Veränderung der Handelslandschaft macht vor dem pharmazeutischen Markt nicht Halt“, erläutert Windel und spielt damit insbesondere auf die zunehmende Bedeutung des Versandhandels in verschiedenen Branchen an. „Für uns ist klar, dass wir auf diese Veränderungen eine Antwort finden wollen und müssen.“ Vor diesem Hintergrund wird das Pharma-Mall-eigene Portal weiterentwickelt. Ab Januar 2018 werde die Plattform sukzessive auch in anderen Sprachen zur Verfügung stehen, beginnend mit Englisch. Französisch, Italienisch und Spanisch sollen folgen. Damit legt Pharma Mall den Grundstein, den Service der Hersteller auch auf andere europäische Länder ausweiten zu können.

In Windels Worten klingt das so: „Wir betreiben eine vorsichtige internationale Öffnung. Wir werden homogen wachsen, wo es erforderlich ist.“ Sein Ziel ist es, den Marktpartnern leistungsfähige elektronische Instrumente zur Abwicklung ihrer Transaktionen zur Verfügung zu stellen, so dass mittel- und langfristig die Mehrzahl der Transaktionen über diese Wege abgewickelt werden können.

Und doch scheint es in diesem Metier trotz aller Technologisierung eine gewisse Beharrung auf traditionelle Verhaltensweisen zu geben. So ist Windel überzeugt, dass das Telefon und die zwischenmenschliche Kommunikation im Arzneimittelhandel auch in Zukunft eine Rolle spielen werden. Medikamente seien eben besondere Produkte und oftmals erklärungsbedürftig.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

hannahbu@aol.com

von HBut am 09.12.2018 um 11:32 Uhr

Pharmamall beeinträchtigt die Arzneimittelsicherheit wegen deutlich verlängerte Lieferzeiten & keinen genauen Lieferterminen, d. h. Patienten müssen zT. ihre Therapie unterbrechen.
Pharmamall ist absolut unwirtschaftlich wegen eines deutlich höheren Zeitaufwandes für Bestellung/ Verbuchung/ Telefonieren und schlecheter Konditionen.

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PharmaMall nervt!

von Thomas Luft am 09.01.2018 um 23:50 Uhr

Auch ich bin in einer der „angeschlossenen“ Apotheken und finde PharmaMall einfach nur nervig:
-Bestellung via MSV3 ist zwar toll, da PharmaMall aber nur die Technik macht, laufen Bestellungen ins Leere und man erhält keine Info, dass Wäre tatsächlich vom Hersteller nicht lieferbar ist
-die Zeitdauer von Bestellung bis zum Eintreffen der Ware ist insbesondere am oder vor dem Wochenende zu lang
-die Konditionen der Hersteller im Direktvertrieb sind deutlich schlechter als die GH-Konditionen
-der erhöhte Handlingsaufwand trägt auch nicht zu meiner Begeisterung bei

Alles in allem einfach nur nervig und anstrengend.

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wir sind 1 von 19.300 angemeldeten Apotheken

von gerd reitler am 09.01.2018 um 19:19 Uhr

aber nicht, weil ich das freiwillig mache, sondern weil ich dazu genötigt bin, denn anders komme ich nicht an die Ware, die dem Großhandel vorenthalten wird.

Der Aufwand ist enorm, die Kostenseite für uns damit auch und die Lieferkonditionen sind hundsmiserabel.

Schreibt man die Industrie an, dann hat diese noch nicht einmal den Anstand zu antworten.

Pharma-Mall: das ist kein Serviceangebot sondern ein rotes Tuch

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