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Wer ist die Pharma Mall?
Der verlängerte Arm der Pharmaindustrie
Viele Apotheker haben tagtäglich mit der Pharma Mall zu tun. Aber wer steckt hinter dem Unternehmen? Die E-Commerce-Firma sieht sich selbst als Schnittstelle zwischen Pharmaunternehmen einerseits und Händlern, Apothekern und Kliniken andererseits. Ursprünglich als Testballon angesichts veränderter Vertriebswege gegründet, hat sich das Gemeinschaftsunternehmen mehrerer Hersteller mittlerweile eine starke Position als Technologieanbieter im Arzneimittelvertrieb geschaffen – nicht zur Freude aller.
Christoph Windel stapelt eher tief als hoch: „Wir sind nur der verlängerte Arm der Pharmaindustrie“, stellt der Geschäftsführer des E-Commerce-Anbieters Pharma Mall im Gespräch mit DAZ online klar. „Wir stellen ausschließlich die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, damit Großhändler, Apotheker und Krankenhäuser sowie teilweise auch Ärzte Arzneimittel bei den Pharmaunternehmen bestellen können.“ Das trifft einerseits zu, gibt andererseits die Wahrheit nur zum Teil wider: Tatsächlich hat sich das Unternehmen in den rund 15 Jahren seines Bestehens still und leise eine starke Position an der Schnittstelle zwischen Arzneimittelherstellern und Kunden, also Apothekern, Händlern und Kliniken, geschaffen.
Die Ursprünge des Unternehmens gehen nach den Worten Windels dabei auf die Jahrtausendwende zurück. Mit der Blüte der New-Economy etablierten sich neue, elektronische Kommunikations- und Vertriebsinstrumente. Auch die Pharmaindustrie begann, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Bayer, Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline, die Merck-Pharma Deutschland, Novartis und das Logistikunternehmen Pharma Log beabsichtigten, sich ein Standbein im E-Commerce-Umfeld zu schaffen. „Die Unternehmen wollten sich für das verändernde Umfeld wappnen“, erklärt Windel – und gründeten 2002 als Gesellschafter das Gemeinschaftsunternehmen Pharma Mall. Dabei fokussierte sich die Firma, die Ihren Sitz in Sankt Augustin bei Bonn hat, von Beginn an auf die Technologie, die hinter den Bestellvorgängen, Retouren und der Abwicklung von Lagerwertverlusten steckt. „Standardisierung und Automatisierung wesentlicher Transaktionen und Customer-Service-Prozesse“ umreißt Pharma Mall seine geschäftlichen Aktivitäten selbst.
50 Prozent der Klinikapotheken bestellen noch per Fax
Während Arzneimittel damals vielfach noch per Telefon und Fax bestellt wurden, laufen diese Prozesse heute weitgehend elektronisch ab. Wobei es aus Windels Sicht durchaus noch Einiges zu tun gibt. So würden von den bis zu 600 Klinikapotheken in Deutschland etwa 50 Prozent ihre Medikamente immer noch auf dem alten, herkömmlichen Weg - per Fax - bestellen. Insofern hofft der Pharma Mall-Geschäftsführer, auch diese Gruppe künftig von den Vorzügen des elektronischen Bestellsystems überzeugen zu können, bei dem manuelle Prozesse entfallen und Bestellungen automatisch gebucht werden.
19.300 Apotheken sind angemeldet
Die Kommunikation mit den öffentlichen Apotheken läuft hingegen schon heute vielfach über elektronische Anbindungen aus dem Warenwirtschaftssystem der jeweiligen Offizin heraus. Über die sogenannte MSV-3-Schnittstelle können die Aufträge vollautomatisch an die Hersteller weitergereicht und abgewickelt werden. Darüber hinaus haben die Apotheker mit dem Pharma-Mall-Webportal die Möglichkeiten, über die jeweiligen Hersteller-Shops ihren Bedarf beim Produzenten zu bestellen. Zurzeit sind zirka 19.300 von 20.000 öffentliche Apotheken auf dem Portal angemeldet, die überwiegende Mehrheit davon nutzt die Services der Hersteller regelmäßig.
Mit den unterschiedlichen Technologien reicht die Marktabdeckung je nach Kundengruppe teilweise nahe an die 100 Prozent heran. Neben den öffentlichen Apotheken sind von den deutschlandweit 124 kleineren und großen Pharmahändlern alle an das Pharma-Mall-System angeschlossen. Zudem würden sich rund 120 Kliniken des EDI-Bestellsystems bedienen.
1 Million Transaktionen durch Apotheken
Unter dem Strich verzeichnet der Pharma-Mall-Webshop damit täglich 3000 bis 4000 Log-ins, die Zahl der jährlichen Transaktionen, zu denen neben den Bestellungen auch Retouren, Lagerwertverluste und elektronische Rechnungen gehören, beziffert Unternehmenschef Windel auf 2,5 Millionen. Rund 40 Prozent davon entfallen auf Apotheken, also etwa eine Million Transaktionen. 20 Prozent entfallen auf den Großhandel und weitere 40 Prozent auf Klinikapotheken.
Während die Nutzung der Pharma-Mall-Systeme für Großhändler, Apotheker und Kliniken kostenfrei ist, finanziert sich das Unternehmen durch regelmäßige Zuwendungen von Seiten der Gesellschafter, also der Pharmaunternehmen. Auf fünf bis sechs Millionen Euro beziffert Windel das jährliche Budget - nach seinen Worten genug, um den Betrieb mit den etwa 100 Beschäftigten kostendeckend betreiben zu können. „Es ist nicht unser primäres Ziel, einen hohen Gewinn zu erwirtschaften“, stellt der Geschäftsführer klar: „Das ist ein Service der Hersteller, den Sie ihren Kunden anbieten.“ Neben den Gesellschaftern nutzen weitere rund 35 pharmazeutische Hersteller die Services von Pharma Mall. Die meisten von ihnen sind multinationale Konzerne, von denen viele wiederum Tochtergesellschaften in Deutschland haben. Geht es nach Windel, muss es nicht bei dieser Zahl bleiben: „Wir sind offen für alle Hersteller.“
Was die Positionierung seines Unternehmens im Markt betrifft, gibt sich Windel hingegen zurückhaltend. Ob die Pharmahersteller zusammen mit Pharma Mall sukzessive einen Parallelvertrieb zum Großhandel aufbauen? „Wir sind nur ein Technologieanbieter, wir selbst handeln nicht mit Arzneimitteln“, betont der Manager. Was er von der Kritik von Apothekern hält, die im Großhandel nicht verfügbare Arzneien umständlicher und zu höheren Kosten bei Pharma Mall bestellen müssten? „Wir erhalten unterschiedliche Reaktionen.“ Und fügt erneut hinzu: „Wir sind nicht im warenwirtschaftlichen Prozess tätig.“
Expansion in andere europäische Länder
Hört man jedoch genau hin, wird deutlich, dass Pharma Mall mit seinen technischen Systemen in Zukunft eine noch größere Rolle im Pharmavertrieb spielen könnte. „Die Veränderung der Handelslandschaft macht vor dem pharmazeutischen Markt nicht Halt“, erläutert Windel und spielt damit insbesondere auf die zunehmende Bedeutung des Versandhandels in verschiedenen Branchen an. „Für uns ist klar, dass wir auf diese Veränderungen eine Antwort finden wollen und müssen.“ Vor diesem Hintergrund wird das Pharma-Mall-eigene Portal weiterentwickelt. Ab Januar 2018 werde die Plattform sukzessive auch in anderen Sprachen zur Verfügung stehen, beginnend mit Englisch. Französisch, Italienisch und Spanisch sollen folgen. Damit legt Pharma Mall den Grundstein, den Service der Hersteller auch auf andere europäische Länder ausweiten zu können.
In Windels Worten klingt das so: „Wir betreiben eine vorsichtige internationale Öffnung. Wir werden homogen wachsen, wo es erforderlich ist.“ Sein Ziel ist es, den Marktpartnern leistungsfähige elektronische Instrumente zur Abwicklung ihrer Transaktionen zur Verfügung zu stellen, so dass mittel- und langfristig die Mehrzahl der Transaktionen über diese Wege abgewickelt werden können.
Und doch scheint es in diesem Metier trotz aller Technologisierung eine gewisse Beharrung auf traditionelle Verhaltensweisen zu geben. So ist Windel überzeugt, dass das Telefon und die zwischenmenschliche Kommunikation im Arzneimittelhandel auch in Zukunft eine Rolle spielen werden. Medikamente seien eben besondere Produkte und oftmals erklärungsbedürftig.
3 Kommentare
hannahbu@aol.com
von HBut am 09.12.2018 um 11:32 Uhr
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PharmaMall nervt!
von Thomas Luft am 09.01.2018 um 23:50 Uhr
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wir sind 1 von 19.300 angemeldeten Apotheken
von gerd reitler am 09.01.2018 um 19:19 Uhr
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