Anonyme Briefe

Staatsanwaltschaft ermittelt zu Gewaltdrohungen im Zyto-Skandal

Karlsruhe - 09.01.2018, 11:15 Uhr

Der angeklagte Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. muss sich vor dem Landgericht weiter gegen heftige Vorwürfe verteidigen. Indes sind in dem Fall anonyme Drohbriefe aufgetaucht. (Foto: hfd)

Der angeklagte Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. muss sich vor dem Landgericht weiter gegen heftige Vorwürfe verteidigen. Indes sind in dem Fall anonyme Drohbriefe aufgetaucht. (Foto: hfd)


Im Fall der Bottroper Zyto-Apotheke soll eine anonyme Person Briefe verschickt haben, in denen Teilnehmern einer Demonstration am kommenden Mittwoch gedroht wurde. Die Polizei hat daher den Staatsschutz benachrichtigt. Außerdem sollen Apotheken-Mitarbeiter laut den Schreiben Morddrohungen erhalten haben, Anzeige wurde jedoch offenbar nicht gestellt. Derweil belastet eine weitere PTA den Apotheker Peter S. vor Gericht.

Im Bottroper Skandal um laut Anklage unterdosierte Arzneimittel hat eine anonyme Person Briefe unter anderem an die ehemaligen Mitarbeiter der Apotheke geschickt, die den Fall ins Rollen gebracht haben. Der Apotheker Peter S. sei „kein Mörder“, heißt es in einem DAZ.online vorliegenden Schreiben, über das zuerst das Recherchebüro Correctiv berichtet hatte: Es wettert gegen die Whistleblower, die Medienberichterstattung sowie die Ermittlungen gegen S. „Unsere Staatsanwaltschaft ist nicht in der Lage, eine saubere Razzia durchzuführen und möchte dennoch jemanden auf dem Scheiterhaufen brennen sehen“, erklärt die Person.

Gleichzeitig bedroht sie die Teilnehmer der Demonstrationen, die seit Herbst 2017 monatlich an den Zyto-Skandal erinnern sollen. Denn die derzeitigen Mitarbeiter der früheren Zyto-Apotheke „werden regelmäßig bedroht“, heißt es in dem Schreiben: Es gebe „Morddrohungen, Bombendrohungen usw.“, ein Beweisvideo liege vor. „Die Mitarbeiter haben ebenfalls Familien und einige Familienmitglieder verteidigen ihre Familien bis aufs Blut“, erklärt die unbekannte Person. Diese hätten „herausragende körperliche Eigenschaften“, heißt es in dem Schreiben. „Also bei der nächsten ach so stillen Demo, aufgepasst!“

Staatsschutz ist informiert

Von Drohungen gegen Mitarbeiter der Apotheke sei ihr nichts bekannt, erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen auf Nachfrage. „Meines Wissens liegen keine entsprechenden Anzeigen vor“, betont sie. Doch lägen Strafanzeigen in Bezug auf die Drohbriefe vor. „Wir haben ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet und prüfen derzeit noch den strafrechtlichen Gehalt der Briefe“, erklärt die Sprecherin. Falls eine Straftat anzunehmen ist, werde der Urheber der Briefe ermittelt.

Wie ein Sprecher der Polizei Recklinghausen gegenüber DAZ.online mitteilt, wurde auch der Staatsschutz über den Fall informiert – ob dort Ermittlungen aufgenommen werden hänge von der staatsanwaltschaftlichen Bewertung ab. Für die morgige Demonstration sehe die Polizei keine besonderen Gefahren, erklärt der Sprecher. „Wir gehen davon aus, dass die Veranstaltung am Mittwoch genauso friedlich verläuft wie die vorangegangene“, sagt er. Die Organisatorin der Demo Heike Benedetti betont, sie habe nie daran gedacht, die Demo nicht durchzuführen. „So eine armselige Drohung macht mir keine Bange“, erklärt sie auf Nachfrage. „Im Gegenteil, es werden – so wie es aussieht – noch mehr Menschen kommen.“

Weitere PTA belastet den Apotheker vor Gericht

Am gestrigen Montag wurde vor dem Landgericht Essen die Verhandlung gegen den Apotheker Peter S. fortgesetzt. Verhört wurde eine 43 Jahre alte PTA, die im Sommer 2017 nach zehn Jahren wegen der angespannten Lage gekündigt hat, wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtet. Während bislang nur die beiden Whistleblower gegen S. ausgesagt hatten und sechs weitere Apothekenmitarbeiter die Aussage verweigerten, beantwortete sie die Fragen – wie auch ein Fahrer, der gleichfalls am Montag geladen wurde.  

Laut WAZ erklärte die PTA, dass sie selbst beobachtet oder von Kollegen erfahren habe, dass der Zyto-Apotheker bei der Herstellung der Chemotherapien gegen Hygienevorschriften verstoßen habe: Beispielsweise sei die Sicherheitsschleuse zum Reinraumlabor offen gestanden oder S. habe die Räume teils in normaler Straßenkleidung betreten. Auch sei teils ohne Handschuhe mit den Zytostatika hantiert worden, erklärte die PTA laut WAZ. Vier Mitarbeiter hätten innerhalb kurzer Zeit im Reinraumlabor gearbeitet, doch teils die Apotheke von einem Tag auf den anderen verlassen, erklärte die PTA laut Correctiv  – die auch von Gerüchten über Unregelmäßigkeiten berichtete.

Fahrer kann nichts Schlechtes über Angeklagten sagen

Nach der Razzia und Festnahme von S. vor gut einem Jahr habe seine Mutter – die inzwischen die Apotheke wieder übernommen hat – den Mitarbeitern ein Schweigegebot aufgelegt. Ein Nebenklagevertreter hakte laut der Zeitung nach, ob die Apothekerin Sanktionen angekündigt habe, falls jemand redet. „Ich ging davon aus, dass direkt die fristlose Kündigung folgt, wenn jemand doch etwas erzählt“, zitiert die WAZ die PTA.

Der weiterhin in der Apotheke angestellte Fahrer erklärte laut Correctiv vor Gericht, er könne nichts Schlechtes über den Zytoapotheker sagen. Nach der Inhaftierung seien die Mitarbeiter zusammengerückt, sagte er. Er habe jedoch gehört, der Apotheker teils im Anzug im Labor war – gesehen habe er ihn so dort jedoch selber nicht.

Da der Fahrer in einer WhatsApp-Gruppe von Apothekenmitarbeitern war, beantragten Anwälte von Nebenklägern wie auch die Staatsanwaltschaft laut Correctiv die Beschlagnahme seines Handys – während die Strafverteidiger von S. dies als „Stimmungsmache“ ansahen. Die Richter lehnten die Beschlagnahme jedoch ab, da keine neuen Beweise zu erwarten seien – sondern nur Gerüchte, die ohnehin bekannt seien.

Der Apotheker selber schweigt selber weiterhin zu den Vorwürfen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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