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Wie viel Mehrkosten verursacht eine Direktbestellung?

Süsel - 10.01.2018, 07:00 Uhr

Welche Mehrkosten entstehen in der Apotheke durch Direktbestellung
von Einzelpackungen? (Foto: alfexe / stock.adobe.com)                               

Welche Mehrkosten entstehen in der Apotheke durch Direktbestellung von Einzelpackungen? (Foto: alfexe / stock.adobe.com)                               


Direktbestellungen einzelner Arzneimittel sind manchmal unvermeidbar, zum Beispiel weil der Großhandel aufgrund von Kontingenten nicht bevorratet ist. DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn hat nachgerechnet: Eine solche Lieferung führt in der Apotheke zu zusätzlichen Kosten von etwa drei Euro, wie eine Kalkulation mit geschätzten Annahmen zeigt. Wer kompensiert diese Belastung?

Die Logistik von Apotheken und Großhandel wurde über Jahrzehnte bestens durchorganisiert. Mit ihr können sogar die im Apothekenalltag häufigen Einer-Bestellungen effektiv und effizient abgewickelt werden. Darum dürften viele Apotheker skeptisch gegenüber Direktbestellungen von Kleinstmengen sein. Günstigere Konditionen können die Nachteile allerdings kompensieren. Auch wenn die Apotheken bei einigen Rx-Arzneimitteln keine Wahl zwischen Direktbezug und Großhandelslieferung haben, stellt sich die Frage, wie der Direktbezug auf das wirtschaftliche Ergebnis der Apotheken wirkt.

Typisch für kontingentierte Rx-Arzneimittel

Es geht dabei um Rx-Arzneimittel, die der Hersteller nur direkt anbietet oder die beim Großhandel (zeitweilig) nicht lieferbar sind und die der Hersteller dann kontingentiert an Apotheken liefert. Vielfach werden solche Bestellungen über die Plattform Pharma-Mall abgewickelt, an der viele Arzneimittelhersteller beteiligt sind. Oft werden Einzelpackungen für einen bestimmten Patienten bestellt. Viele dieser Arzneimittel sind Hochpreiser, die die meisten Apotheken nicht vorrätig halten. Solche Bestellungen lassen sich typischerweise nicht bündeln, sondern eine oder sehr wenige Packungen werden meistens sofort benötigt. Wenn das Arzneimittel nur direkt lieferbar ist, hat die Apotheke keine Wahl. Es geht hier also nicht darum, die Apotheke bei einer wirtschaftlich relevanten Entscheidung zu unterstützen, sondern die Folgen für die Apotheke zu ermitteln.

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Zusätzlicher Aufwand

Eine solche Direktbestellung erübrigt keinen Großhandelsauftrag. Die sonstigen logistischen Abläufe in der Apotheke werden davon nicht tangiert. Dass eine Großhandelslieferung eine Packung weniger enthält, führt allenfalls zu marginalen Vereinfachungen. Diese werden hier vernachlässigt. Sämtlicher Aufwand für die Direktbestellung fällt also zusätzlich an. Dieser Aufwand hängt wesentlich von den organisatorischen Rahmenbedingungen ab. Die Pharma-Mall vereinfacht das Vorgehen im Vergleich zum früher üblichen Procedere von Direktbestellungen. Dies betrifft überwiegend die Bestellung, die wie beim Großhandel elektronisch erfolgen kann. Doch auch in diesem Fall führt jede Bestellung zu einer einzelnen Lieferung, die im Wareneingang als eigenständiger Vorgang bearbeitet wird, und zu einer einzelnen Rechnung, die verbucht und bezahlt werden muss

Welche Kosten fallen konkret an? 

Als Orientierung für eine Kalkulation wird die Studie „Profil und Effizienz des vollversorgenden Großhandels“ genutzt, die das Institut für Handelsforschung 2008 im Auftrag des Großhandelsverbands Phagro erstellt hat. Darin wird der Arzneimittelbezug in Apotheken in vier Schritte gegliedert. Die „Ermittlung des Bestellbedarfs“ ist hier jedoch anders zu interpretieren. Typischerweise wird eine Defektmeldung des Großhandels bearbeitet und die Möglichkeit zur Direktbestellung festgestellt. Dafür werden 2 Minuten angesetzt. Für das „Auslösen der Bestellung“ wird mit der heutigen Technik nur noch 1 Minute veranschlagt, damals wurden 2 Minuten angesetzt. „Empfang und Einlagerung der Lieferungen“ in der damaligen Studie sind auf die hier betrachtete Einzelbestellung nicht übertragbar. Für das Annehmen, Auspacken und Verarbeiten eines Paketes werden 3 Minuten kalkuliert. Ein Kommissionierautomat verspricht dabei keine Entlastung. Das „Prüfen der Lieferscheine“ und das „Prüfen/Begleichen der Rechnungen“ wurde damals mit 6 Minuten veranschlagt und wird für die hier betrachtete kleine Bestellung auf 4 Minuten reduziert. So ergeben sich insgesamt 10 Minuten Zeitaufwand für PKA bei der Bearbeitung einer Direktlieferung in der Apotheke. Bei einem Tarifgehalt von 1886 Euro für PKA (mittlere Tarifgruppe, 7. bis 9. Berufsjahr), 13 Monatsgehältern, 22 Prozent Sozialabgaben und Beiträgen sowie 1653 jährlichen Arbeitsstunden betragen die Personalkosten 30 Cent pro Minute. Für 10 Minuten sind daher Kosten von 3 Euro zu kalkulieren. Dieser Betrag gilt für die Lieferung eines Artikels. Er steigt nur geringfügig, wenn zwei oder drei Artikel geliefert werden.

Kosten können noch deutlich höher sein

Angesichts der grob geschätzten Annahmen für den Zeitbedarf sind die Kosten von 3 Euro zwar nur ein Orientierungswert, aber diese Kosten ergeben sich allein schon aus dem Ablauf der Lieferung. Darüber hinaus können weitere Nachteile entstehen. Die für den Patienten nicht nachvollziehbare zeitliche Verzögerung gegenüber der gewohnten Versorgung könnte ihn so verärgern, dass er künftig als Kunde verloren geht. Dass andere Apotheken ebenso betroffen sind, weiß der Patient bis dahin noch nicht. Außerdem kann die Nachlieferung zusätzliche Kosten für den Boten und für Terminabsprachen mit dem Patienten oder dem behandelnden Arzt verursachen. Denn nicht immer ist der Liefertermin planbar. Die kalkulierten Kosten sind daher als Minimum zu betrachten und gelten für den Fall, dass der ganze Ablauf plangemäß gelingt. Im Einzelfall können sie viel höher sein.

Unter welchen Bedingungen wären die Kosten akzeptabel?

Die ermittelten 3 Euro betragen fast die Hälfte des Rohgewinns aus dem Festzuschlag von 6,86 Euro, der nach Abzug des Kassenabschlags für ein Rx-Arzneimittel entsteht. Der dreiprozentige umsatzabhängige Aufschlag darf nicht zur Deckung dieser Kosten herangezogen werden, weil dieser für umsatzabhängige Beiträge und für die wertabhängigen Risiken von Verfall, Bruch, Verlust, Retaxation und Zahlungsausfall anzusetzen ist. Fast den halben Festzuschlag für die zusätzliche Logistik aufzuwenden, erscheint allerdings betriebswirtschaftlich als unhaltbar. Aus kaufmännischer Sicht ist dies nur akzeptabel, wenn die zusätzlichen Kosten durch bessere Einkaufskonditionen kompensiert werden. Ob die Konditionen des Herstellers besser als die des Großhandels sind, kann nur in der jeweiligen Apotheke geprüft werden. 

Möglicher Ausgleich durch Herstellerkonditionen

Falls sich die Konditionen nicht unterscheiden, hängt die Bewertung davon ab, wie häufig solche Fälle vorkommen. Seltene Einzelfälle wären als nicht kostendeckende Gemeinwohlpflicht zu betrachten. Sie würden in die Mischkalkulation für die Erfüllung des Versorgungsauftrags eingehen. Ein weiteres Argument für die durch das Honorargutachten in Frage gestellte Mischkalkulation.

Wenn solche Fälle allerdings durchschnittlich einmal pro Arbeitstag vorkommen, entstehen bereits zusätzliche Kosten von 900 Euro jährlich. Eine solche Belastung ist angesichts des Kostendrucks im Gesundheitswesens langfristig nicht akzeptabel. Spätestens dann wären Hersteller, die das Großhandelssystem nicht nutzen, aufgefordert, den zusätzlichen Aufwand der Apotheken durch zusätzliche Einkaufsvergünstigungen mindestens in der genannten Größenordnung zu kompensieren.

Möglicher Ausgleich durch rechtliche Neuregelung

Falls sich dies nicht durchsetzen sollte, wäre an die Regelung in § 8 Arzneimittelpreisverordnung zu erinnern. Demnach dürfen unvermeidbare Beschaffungskosten für Arzneimittel, die üblicherweise weder in Apotheken noch beim Großhandel vorrätig sind, mit Zustimmung des Kostenträgers gesondert berechnet werden. Dabei geht es zwar um Gebühren, die der Apotheke in Rechnung gestellt werden. Doch dem Sinn dieser Regel folgend läge es bei einer Neugestaltung der Arzneimittelpreisverordnung nahe, einen neuen pauschalen Zuschlag für nur direkt lieferbare Arzneimittel einzuführen. Die Kostenträger würde das nicht freuen. Doch irgendjemand muss die Belastung der Apotheken kompensieren, die sie selbst nicht zu verantworten haben und die sie wegen des Kontrahierungszwangs nicht vermeiden können.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

099996371

von Helge Killinger am 10.01.2018 um 17:48 Uhr

Retaxe kommen natürlich, aber die lege ich Einspruch ein. Der Liefervertrag für Ersatzkassen sieht die Abrechnung von Beschaffungskosten (bis 9,-€ ohne Genehmigung) von nicht im GH vorrätigen AM vor. Die Beschaffungskosten werden nicht genauer definiert. Der Primärkassenvertrag By zählt Beschaffungskosten beispielhaft auf. Bei einigen BKKen würde die Retax nach Nachweis der entstandenen Kosten (kleine Exceltabelle mit einzelnem Prozessschritt, Zeitabsatz und PKA-Stundenlohn wie im Artikel) zurückgenommen. Einzig bei der AOK By führte dies nicht zum Erfolg und liegt jetzt zur Prüfung beim LAV.
Ich kann jeden nur ermutigen, dass auch so zu handhaben.
Ceterum cenceo PharmaMall esse delendam!

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Kostenfaktor vergessen

von Friedemann Ahlmeyer am 10.01.2018 um 12:29 Uhr

Die Rechnung für einen Einzelartikel muss auch vom Steuerberater noch verbucht werden. Bei einem Stundensatz von 60 € und geschätzten 2 Minuten sind dies dann nochmals 2 € Kosten. Somit addieren sich die Kosten (ohne die zusätzlichen Kosten für die Abholung/Botendienst) auf 5 €.
Bei jeder erzwungenen, weil der Großhandel nicht ausreichend beliefert wird, pharma-mall Bestellung balle ich die Fäuste in der Tasche.

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099996371

von Helge Killinger am 10.01.2018 um 11:19 Uhr

Bei uns werden direkt bestellte Kontingentarzneimittel auf der Packung gekennzeichnet und mit obiger PZN und 3,-€ gegenüber dem Kostenträger abgerechnet. Liefervertraglich zumindest bei den Ersatzkassen gedeckt.

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AW: 099996371

von A.Dömling am 10.01.2018 um 14:16 Uhr

Meinen sie Artikel die über Pharmamall bestellt wurden? Wie sieht es mit Retaxen für diese Liefergebühren aus?
Danke

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