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Pharmacon Schladming
Bei ADHS geht es nicht nur um Symptomlinderung
ADHS-Symptome, also Hyperaktivität, Impulsivität und leichte Ablenkbarkeit, lassen sich heutzutage mit Arzneimitteln gut in den Griff bekommen. Mit Guanfacin gibt es seit kurzem auch noch eine weitere Option. Das ist in den Augen von Professor Michael Huss, Kinder- und Jugendpsychiater von der Rheinhessen Fachklinik in Mainz, aber nicht alles. Viel wichtiger sei der Einfluss der Therapie darauf, wie die Betroffenen ihr Leben meistern.
Die Guideline der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zum Design klinischer Studien für Arzneimittel zur Behandlung von ADHS fordert seit einiger Zeit als Wirksamkeitsbeleg nicht nur Endpunkte zur Symptomkontrolle, sondern auch zur Funktionalität, also dazu wie die Patienten ihren Alltag bzw. ihr Leben meistern. Da geht es beispielsweise um den Schulerfolg, die Sozialkontakte oder darum, ob ein Arbeitsplatz gefunden wird.
Für Kinder- und Jugendpsychiater Professor Michael Huss geht diese Ergänzung, die da „ohne großes Aufsehen eingefügt wurde, in die absolut richtige Richtung. „Eine Pharmakotherapie soll nicht nur die Symptome verbessern, sondern auch die Funktionalität“, erklärte er in seinem Vortrag beim Pharmacon in Schladming. Denn ADHS sei eine „life long condition“ und man könne zwar die Symptome mittlerweile gut kontrollieren – die stellten ja oft vor allem in der Schule ein Problem dar. Aber ADHS-Patienten hätten oft auch später noch massiv Probleme, zum Beispiel im Arbeitsleben, bei der Organisation ihres Alltags. Zudem würden sie erwiesenermaßen öfter kriminell oder haben Suchtprobleme. Deswegen hält Huss bei der Therapie die Berücksichtigung der Funktionalität sogar für wichtiger als die reine Symptomkontrolle. Das sei allerdings auch mit mehr Aufwand verbunden.
Seit einiger Zeit ist mit Guanfacin ein weiteres nicht Stimulans in der ADHS-Therapie verfügbar. Aufgrund des etwas ungünstigeren Nebenwirkungsprofils im Vergleich zu Methylphenidat bewertet Huss die neue Substanz eher zurückhaltend. „Das wird Methylphenidat nicht vom Sockel stoßen“, erklärt er. Dennoch sieht er gewisse Konditionen oder Komorbiditäten wo Guanfacin eine gute Alternative zu Methylphenidat ist. So kann letzteres beispielweise Tic-Störungen, die gelegentlich als Komorbidität auftreten, verschlechtern. Bei Guanfacin ist das nicht der Fall. Die Stimulantien wirken zudem appetitmindernd – bei untergewichtigen Patienten ist das aber nicht erwünscht – auch die Blutdrucksteigerung ist nicht immer opportun. In solchen Fällen sieht Huss die Lücke für Guanfacin, das als α2-Blocker sogar den Blutdruck senkt. Von einem klinischen Pfad, wann man welches Mittel sinnvoll einsetzt, sei man aber weit weg.
Wie wirken die verfügbaren Arzneimittel?
Zudem könne man Guanfacin mit Methylphenidat kombinieren. In Deutschland sei es allerdings im Gegensatz zu den USA nur in der Monotherapie zugelassen. „Die Kombination ergibt Sinn“, sagt Huss. Warum das so ist? „Weil die beiden Substanzen unterschiedlich wirken, Guanfacin direkt, es verstärkt das Signal; Methylphenidat und Atommoxetin indirekt, sie reduzieren den Noise.“
Allerdings müsse man Patienten darauf hinweisen, dass die Wirkung zeitversetzt eintritt. „Das dauert zwei bis drei Wochen“, erklärt der Psychiater. Das sei zwar schneller als bei Atomoxetin, aber deutlich langsamer als bei Methylphenidat. Die Nebenwirkungen treten aber gleich auf. Vor allem seien hier Somnolenz, Sedation und Fatigue zu nennen. Das dürfe man auch nicht mit der Wirkung verwechseln, so Huss. Wenn die Patienten direkt nach der Einnahme ruhiger wirkten, sei das eine Nebenwirkung, aber noch nicht die Wirkung.
Zum Schluss wies Huss noch darauf hin, dass man in vielen Fällen die Eltern mit behandeln müsse. In 80 Prozent der Fälle sei ADHS genetisch bedingt. Er nehme sich mittlerweile die Freiheit heraus, die Eltern bezüglich einer Therapie anzusprechen, wenn er den Verdacht habe, sie könnten ebenfalls an ADHS leiden. „Und die nehmen das dankbar an, die haben alle eine Leidensgeschichte hinter sich“, schloss Huss.
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