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Das Gutachten gefällt uns nicht, also reden wir nicht drüber. Ja, wo gibt’s denn sowas? Na klar, bei der ABDA! Unfassbar! Womit sie wieder mal gezeigt hat: Diskussion und Kommunikation sind noch immer Fremdwörter im Apothekerhaus. Es ist die Arroganz der Macht. Da hilft auch nicht, wenn der BAK-Präsident meint, Apotheker seien niemals Egoisten. Und während DocMorris kein Päckchenpacker sondern endlich eine Apotheke sein will (wie soll das gehen?), geht’s mit der Digitalisierung weiter voran – im Schneckentempo.
15. Januar 2018
Da wird mir auch ohne Glühwein richtig warm ums Herz: „Apotheker können niemals Egoisten sein“, hat unser Präsident der Bundesapothekerkammer vor winterlichem Alpenpanorama gesagt. Das geht runter – eben, wie Glühwein. Danke, Herr Kiefer! Und es stimmt, weitgehend, zumindest ein bisschen, also schon irgendwie, oder? Sinngemäß: Wer Apotheker ist, muss sich so aufopfern und selbst ausbeuten – da bleibt für Egoismus kein Raum mehr. Na ja, fast kein Raum mehr, zumindest nicht viel Raum. Als Apotheker hat man das Gemeinwohl im Visier! Allein schon die Botendienste (umsonst), die Rezepturen (nicht kostendeckend), der Kontrahierungszwang (ein Muss) und die Dienstbereitschaft (allzeit bereit, unterbezahlt auch nachts) – wo in aller Welt bliebe da Zeit für Egoismen? Mein liebes Tagebuch, das ist unsere „innere Haltung“ als Apotheker, oder bayrisch/österreichisch ausgedrückt: „Mia san mia, so simmer halt“. Vielleicht macht die ABDA eine Werbekampagne draus „Apotheker sind keine Egoisten“. Aber mal im Ernst, mein liebes Tagebuch, in seiner Eröffnungsrede hätte ich mir zum Honorargutachten schon ein paar Worte mehr als nur „Thema verfehlt“ und „nicht zu korrigieren“ gewünscht. Das Papier haben die Politiker und die Krankenkassen in Händen. Das Papier werden sie bei der jeder passenden und unpassenden Gelegenheit hervorholen und uns unter die Nase reiben. Das Papier kann man nicht aussitzen oder totschweigen. Wir hätten einfach gerne erfahren: Wie geht die ABDA nun damit um? Wie reagiert sie darauf? Gibt es ein Gegengutachten? ABDA, was nun?
16. Januar 2018
Oh, das war so eine Meldung in dieser Woche, irgendwie schräg und wohl dringend erklärungsbedürftig: „Zuwanderung entlastet Krankenversicherung“, verlautbarte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Was meint sie damit? Wie soll das gehen? Indem man EU-Bürger und Flüchtlinge in einen Topf wirft und von zugewanderten Neumitgliedern spricht, die jünger sind als der Durchschnitt aller gesetzlich Versicherten und weniger Leistungen in Anspruch nehmen als gleichaltrige bisherige Versicherte. Jung und weniger Leistungen – das ist für Pfeiffer ein doppelter Entlastungseffekt. Mein liebes Tagebuch, wenn junge EU-Bürger zuwandern, vor allem aus nördlichen und westlichen EU-Ländern, dann kann man davon ausgehen, dass sie hier Arbeit gefunden haben, Einkünfte erzielen und Sozialversicherungsbeiträge leisten. Die Situation von Flüchtlingen sieht dagegen anders aus: keine Beschäftigung, keine Einkünfte – sie sind auf Unterstützung durch den Staat und seine Sozialleistungen angewiesen. Da hätte man sich von Frau Pfeiffer doch eine bessere Differenzierung gewünscht. Oder sieht sie die GKV schon im Geld schwimmen vor lauter Zuwanderung?
Die Digitalisierung kriecht wie eine Schnecke, zumindest im
deutschen Gesundheitswesen. Erst jetzt, zum 1. April 2018 (kein Scherz), müssen
die Ärzte dank E-Health-Gesetz die Arzneimittelstammdaten in ihrer
Verordnungssoftware monatlich aktualisieren. Wow, welch ein Fortschritt! Mein
liebes Tagebuch, warum eigentlich nicht 14-tägig? Oder wöchentlich? Außerdem wird
ab April bei der Verordnung eines Arzneimittels die Pharmazentralnummer mit
aufs Rezept gedruckt – das soll dazu beitragen, dass die Verordnung
eindeutiger und die Bearbeitung in der Apotheke erleichtert wird. Die Kassenärztliche
Bundesvereinigung verspricht sich davon die Vermeidung von Fehlinterpretationen
seitens der Apotheke und weniger Rückfragen in den Arztpraxen. Und wir
Apothekers haben vielleicht eine Retax-Quelle weniger. Allerdings, was bringt
schon die PZN auf dem Rezept, wenn Aut idem nicht durchgekreuzt ist? Man könnte
sich noch mehr Eindeutigkeit bei den ärztlichen Angaben vorstellen...
17. Januar 2018
Nicht nur DocMorris, auch die ABDA, die Kassenärztliche
Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung wollen die Welt
ein wenig besser machen – durch Digitalisierung. Die drei Verbände der
Apotheker, Ärzte und Zahnärzte haben jedenfalls eine Absichtserklärung (heißt
heute „Letter of Intent“) unterschrieben, mit der sie deutlich machen, wo sie
zusammen langgehen wollen. Und da machen sie klar, dass Digitalisierung keinen
Selbstzweck haben soll. Mein liebes Tagebuch, es geht ihnen also nicht darum,
digital um jeden Preis zu sein, weil’s hip und modern ist oder weil die Welt
dadurch wie auch immer besser werden könnte. Was die drei Heilberufe in der
Digitalisierung sehen, das sind: „Instrumente zur Unterstützung der
heilberuflichen Tätigkeit“, sie sollen „dienenden Charakter haben“, sie sollen „keine
Entscheidungen von Ärzten und Apothekern ersetzen“, aber „den
Handlungsspielraum zum Wohle des Patienten erweitern“. Kann man so stehen
lassen, mein liebes Tagebuch. Und für die elektronische Patientenakte fordern
sie bundesweit einheitliche Standards und Schnittstellen. Die persönlichen
E-Gesundheitsakten verteufeln sie nicht, sie können sogar aus Sicht der Ärzte
und Apotheker eine „sinnvolle Ergänzung“ sein. So, und jetzt wär’s schön, wenn
endlich Taten folgen.
18. Januar 2018
Nachdenklich und vertrauensvoll will er sich darstellen, der Arzneipäckchenpacker aus den Niederlanden: DocMorris möchte sich sichtlich ein anderes Image geben und hat eine neue Werbekampagne aufgelegt, die das Versandhaus als vertrauenswürdige Apotheke positioniert. Das ist entlarvend, mein liebes Tagebuch: Ist man erst jetzt auf den Trichter gekommen ist, dass man eine Apotheke ist und dies auch noch groß herausstellen muss. Tja, eine echte deutsche Apotheke hat das nicht nötig: Sie ist eine Apotheke. Punkt. Was man aus der DocMorris-Kampagne auch herauslesen kann: Man möchte weg vom Erscheinungsbild eines Versenders. Das Wort „Versand“ klingt ja auch irgendwie, na ja, auf jeden Fall unpersönlich, hört sich nach Telefonstimme an und riecht nach Kartonagen und auf keinen Fall nach vertrauenswürdiger Apotheke. Und deshalb meine ich: Man kann noch so sehr damit werben, man sei eine Apotheke. Ein Versender schafft niemals die reale Nähe zum Menschen, zum Patienten und bleibt daher immer ein Versender. Und eine Apotheke ist eine Apotheke ist eine Apotheke. Von Mensch zu Mensch.
19. Januar 2018
Nein, sie lernen es nicht, sie können es – oder wollen es nicht können –, nichts wird besser. Diese ABDA! Wie kann man sich nur so von oben herab darstellen! Vertrauensaufbau sieht anders aus. Da veranstaltet sie eine berufspolitische Diskutier- und Fragestunde im Rahmen des Pharmacon im schönen Schladming vor Alpenpanorama, alles brav kanalisiert: Die Teilnehmer durften schriftlich Fragen einreichen (lebendiger geht’s einfach nicht, gell?), die dann das hohe Podium beantwortet. Eine echte Diskussion sieht anders aus. Aber da waren dann doch einige Apothekerinnen und Apotheker im Publikum, die den Begriff der Diskussion als Gespräch miteinander verstanden haben wollten, eben als Dialog, als Austausch von Argumenten, Meinungen und Ansichten. Aber beim Thema Honorargutachten war das der ABDA sichtlich nicht erwünscht, der Meinungsaustausch, die Beantwortung brennender Fragen: Warum hat die ABDA nur zögerlich, nur verhalten über das Gutachten informiert? Warum ging man nicht auf die Sorgen, die Angst der Apotheker ein? Warum beschäftigt sich man nicht öffentlich mit dem Inhalt des Gutachtens? Warum erklärt man nicht, was das Gutachten bedeutet, wie man damit umgehen will, welche Fehler es hat, welche Strategien dagegen geplant sind und ob man ein Gegengutachten in Auftrag gegeben hat oder geben wird? Fragen über Fragen!
Und vor allem: Die Apothekers sorgen sich im ganzen Land um ihre Zukunft, und ihre Berufsvertretung lässt sie einfach eiskalt abblitzen. Die harte Linie, auf die sich die ABDA verständigt hat: Das Gutachten habe derart viele falsche Prämissen, die unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen führen – das könne keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung sein. Also, im Klartext: Das Papier ist Schrott und deswegen reden wir erst gar nicht drüber. Die Ansicht des ABDA-Präsidenten Schmidt: „Wenn Sie das tun, sich mit einzelnen Vorschlägen des Textes auseinander zu setzen, dann sind Sie schon mittendrin“. Mein liebes Tagebuch, was ist das denn für eine Logik? Seit wann funktioniert unsere demokratische Diskussion nach diesem Muster: Wenn uns etwas nicht gefällt, dann reden wir nicht drüber? Nein, Herr Präsident, es ist ein Gebot der Stunde, das Papier zu analysieren, auseinanderzunehmen, auf die Fehler hinzuweisen und dagegen zu halten.
Mein liebes Tagebuch, wenn die ABDA glaubt, das sei die richtige Strategie, dann bitteschön. Aber ich bin dennoch überzeugt: Damit macht es sich unsere ABDA zu einfach. Klar, das Gutachten ist wirklich mehr als unsäglich. Aber es ist nun mal da, es liegt in den Schubladen des Wirtschaftsministeriums, der Gesundheitspolitiker, der Krankenkassen. Es gilt dort als neutrales Gutachten und es wird hervorgeholt werden und uns Apothekers um die Ohren gehauen, wenn wir auch nur den leisesten Vorstoß in Richtung Honorar machen. So zu tun, als gäbe es das Papier nicht oder es trotzig zu ignorieren, weil es uns missfällt, wird nicht helfen. Mein liebes Tagebuch, das erinnert mich an kleine Kinder, die sich beim Versteck-Spielen die Augen zuhalten und glauben, sie sind damit unsichtbar. Hallo, ABDA, wegschauen, totschweigen und aussitzen wird nicht helfen. Man muss schon darlegen, warum das Gutachten nicht gefällt, warum es einen falschen Ansatz hat. DAZ-Wirtschaftsexperte Thomas Müller-Bohn hat sich diese Arbeit gemacht, das Gutachten durchleuchtet, die Schwachstellen aufgedeckt – warum konnte das die ABDA nicht?
Ganz abgesehen davon: Die Apothekerinnen und Apotheker, die Mitglieder der ABDA, haben ein Recht darauf, mit ihren Sorgen gehört und ernst genommen zu werden. Auch wenn die ABDA-Spitze als Strategie (wie so oft) – ich empfehle den Kommentar von Thomas Müller-Bohn dazu –, das Nicht-drüber-Reden ausgegeben hat: Eine professionell agierende Berufsvertretung bringt ihren Mitgliedern Verständnis für die Sorgen, für die Zukunftsängste entgegen. Und, wie es Apothekerin Gabriela Aures in der Veranstaltung sagte: Sie hätte sich ein „Signal“ gewünscht, dass die ABDA für uns kämpft, dass sie was macht und zeigt: Wir sind bei Euch“. Mein liebes Tagebuch, das wäre wirklich das Mindeste gewesen, was man erwartet hätte. Das kann doch nicht so schwer sein. Oder vielleicht doch? Die Crux: Wir haben leider keine gelernten Profis, die uns vertreten, sondern Laiendarsteller.
Und zum Wochenausklang der kleine Fortsetzungs-Krimi. Unbedingt
die nächste Folge im Datenklau-Prozess lesen! Dieses Mal schildert ein Zeuge
aus dem Ministerium, der seinerzeit für die Apothekenbetriebsordnung zuständige
Jurist, wie ihm damals das Leck im Ministerium offenbar wurde.
16 Kommentare
???
von Christian Giese am 21.01.2018 um 17:51 Uhr
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SPD und Digitaliserung
von Frank ebert am 21.01.2018 um 17:14 Uhr
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Digitalisierung
von Karl Friedrich Müller am 21.01.2018 um 15:56 Uhr
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Spd
von Frank ebert am 21.01.2018 um 15:12 Uhr
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Schweigen ist gefährlich
von Reinhard Rodiger am 21.01.2018 um 12:25 Uhr
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Spitze Feder zurück ...
von Reinhard Herzog am 21.01.2018 um 11:34 Uhr
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AW: Spitze Feder zurück ... bleib einfach stehen ... es könnte sonst knallen.
von Christian Timme am 21.01.2018 um 11:59 Uhr
AW: Achtung, Schleuse!
von Reinhild Berger am 21.01.2018 um 13:14 Uhr
AW: Nochmal Spitze Feder zurück
von Wolfgang Müller am 21.01.2018 um 14:53 Uhr
AW: Zwei spitze Federn sind einfach mehr ...
von Christian Timme am 21.01.2018 um 16:17 Uhr
Wie begegne ich Vorurteilen?
von Christian Giese am 21.01.2018 um 11:09 Uhr
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Guten Morgen meine Lieben !
von gabriela aures am 21.01.2018 um 10:35 Uhr
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keine!
von Ulrich Ströh am 21.01.2018 um 9:19 Uhr
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Standes-Nicht-Vertretung
von Christian Timme am 21.01.2018 um 9:02 Uhr
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AW: Nur noch eine Frage ...
von Christian Timme am 21.01.2018 um 10:10 Uhr
Bitte schriftlich einzureichen ...
von Ulrich Ströh am 21.01.2018 um 8:58 Uhr
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