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Zwei Erkältungssprays und einige Kombinationspräparate sind für Pharma-Ökonom Gerd
Glaeske Anlass, in der aktuellen Spiegel-Ausgabe zum Rundumschlag gegen
Pharmaindustrie und Apotheken auszuholen.
Auch das Thema Werbung für OTC-Arzneimittel spielt in dem Beitrag eine Rolle. Auffällig ist, dass der Spiegel den Vorwürfen des Apotheken-Kritikers offenbar uneingeschränkt folgt und den Apothekern zu wenig zutraut, meint DAZ.online-Redakteurin Bettina Jung.
Vornehmlich geht es in dem Spiegel-Beitrag „Nase läuft, Geschäft läuft“ um die Vermarktung von Erkältungsmitteln. Konkret werden zwei Erkältungssprays diskutiert. Es geht um die Bewerbung und die wissenschaftliche Datenlage der beiden Medizinprodukte „Viru Protect“ (STADA) und „Algovir“ (Hermes). Der Pharmazeut und Pharma-Ökonom Prof. Gerd Glaeske von der Uni Bremen beurteilt die Studienlage für diese beiden Präparate als „dürftig“. Ein weiterer Experte, Wolfgang Becker-Brüser vom „Arzneimitte-Telegramm“ rät von der Verwendung der Sprays aufgrund der unzureichenden Datenlage ab. Die Hersteller beider Produkte führen Untersuchungen an, welche die Verminderung der Viruslast durch die Anwendung der Mittel zeigen.
Medizinprodukte im Kreuzfeuer
Aber wie sieht es wirklich aus mit dem Wirksamkeitsnachweis der beiden Präparate? Das in den Gebrauchsinformationen von „Viru Protect“ und „Algovir“
beschriebene Wirkprinzip besteht aus einem Schutzfilm, der sich beim Sprühen
auf die Atemwege legt und diese so vor Virenbefall schützen soll. Es geht folglich um ein physikalisches Wirkprinzip, beide Erkältungssprays sind also Medizinprodukte. Dass aber Medizinprodukte gar keinen Wirksamkeitsnachweis erbringen müssen, wird in dem Beitrag nicht
erwähnt.
Die Voraussetzungen für den Marktzugang von Medizinprodukten unterscheiden sich deutlich von den Zulassungsanforderungen für Arzneimittel: Für ein nicht-invasives Medizinprodukt sind keine kontrollierten Phase III-Studien zum Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit erforderlich. So muss beispielsweise für ein Pflaster kein klinischer Nachweis erbracht werden, dass es die Wunde schützen kann.
„Apotheken legen wenig Wert auf Wissenschaft“
Auffällig ist aber, dass der „Spiegel“ die Kritik der beiden Experten aufnimmt und sich so zu einem Grundsatzurteil über die Apotheken hinreißen lässt. Nachdem Glaeske und Becker-Brüser ihre Theorien zur Wirksamkeit von Algovir und Viru-Protect breit erklärt haben, heißt es als Schlussfolgerung in dem Beitrag: „Auf wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege legt man in deutschen Apotheken offenbar wenig Wert." Zur „Begründung" zieht die Redaktion heran, dass die Sichtwahlregale voll mit Erkältungsmitteln seien, an denen die Apotheken zu viel Geld verdienen würden.
Doch damit nicht genug. Wie schon oft zuvor, erklärt Glaeske in dem Artikel auch noch, wie viel er vom unternehmerischen Handeln der Apotheker hält. „Apotheker sind dankbar, wenn Produkte stark beworben werden und so Kunden in die Apotheken treiben“. Damit beschreibt er zwar lehrbuchmäßig, wie Produktkommunikation in diesem Kanal der Gesundheitsbranche funktioniert. Doch handelt sich es dabei wirklich um ein „Spagat zwischen Ethik und Monetik“, wie er es beschreibt?
Was der Wunsch des Kunden nach einem bestimmten Produkt für eine Rolle in der Apotheke spielt, darauf geht der Beitrag allerdings nicht ein.
Dauerthema Kombipräparate
Die Frage nach dem Kundenwunsch stellt sich auch bei den wiederholt von Glaeske kritisierten Kombinationspräparaten wie Wick MediNait und Grippostad C. Aus seiner Sicht sollten die einzelnen darin enthaltenen Wirkstoffe lieber getrennt verabreicht werden.
Pharmakologisch betrachtet wäre diese Vorgehensweise korrekt. Sicherlich ist es sinnvoller, Symptome einzeln und gezielt zu behandeln. Eine Wirkstoffmischung birgt oft die Gefahr einer Übertherapie. Wie so oft traut Glaeske den Apotheker an dieser Stelle aber zu wenig zu. Denn sie können sehr wohl einschätzen, in welchen Fällen man dem Kundenwunsch nach einem Kombinationspräparat nachkommen sollte und wann besser ein Monopräparat zu empfehlen ist. Doch die Beratungskompetenz in den Apotheken wird im Spiegel-Beitrag leider nicht thematisiert, denn sie ist wahrscheinlich zu selbstverständlich und daher nicht spektakulär genug.
7 Kommentare
Wirksamkeit von ViruProtect
von Dr. Michael Gies am 25.02.2018 um 10:39 Uhr
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Wirksamkeitsnachweise bei Medizinprodukten
von Dr. Iris Hinneburg am 30.01.2018 um 11:57 Uhr
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Evidenznachweis
von Michael Mischer am 30.01.2018 um 11:56 Uhr
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Who is who?
von Dr. Elke Brüser am 30.01.2018 um 9:50 Uhr
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AW: Who is who
von florian becker am 30.01.2018 um 11:25 Uhr
Immer wieder der sog. Experte Glaeske
von Ratatosk am 29.01.2018 um 18:33 Uhr
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AW: Immer wieder der sog. Experte Glaeske
von Bernd Jas am 30.01.2018 um 16:24 Uhr
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