Spinale Muskelatrophie

Nusinersen: Ausmaß des Zusatznutzens? Erheblich!

Stuttgart - 01.02.2018, 16:15 Uhr

Das erste Orphan Drug mit G-BA bescheinigtem „erheblichem" Zusatznutzen: Nusinersen in Spinraza® bei Spinaler Muskelatrophie. (Foto: Biogen)

Das erste Orphan Drug mit G-BA bescheinigtem „erheblichem" Zusatznutzen: Nusinersen in Spinraza® bei Spinaler Muskelatrophie. (Foto: Biogen)


Beträchtlicher und nicht quantifizierbarer Zusatznutzen für „mildere“ Formen der SMA

Nur einen „beträchtlichen" Zusatznutzen bescheinigt der G-BA Patienten mit Chronisch Infantiler Spinaler Muskelatrophie. Bei dieser Unterform der Erkrankung entwickeln Kinder meist innerhalb ihres ersten Lebensjahres Symptome. Sie hat die zweitschlechteste Prognose. Die Kinder können in der Regel selbständig sitzen, benötigen aber Hilfe beim Stehen oder Gehen. Ihre Lebenserwartung ist stark verkürzt.

Der Zeitpunkt der Diagnose der Juvenilen Spinalen Muskelatrophie schwankt erheblich, in manchen Fällen zeigen Kinder bereits im ersten Lebensjahr klinische Symptome. Manchmal diagnostizieren Ärzte die SMA erst im Jugendalter. Von einer Adulten SMA sprechen Fachkreise, wenn Patienten jenseits des 30. Lebensjahres erste muskelatrophische Symptome zeigen. Für diese beiden Patientengruppen ist laut G-BA-Beschluss der Zusatznutzen nicht quantifizierbar.

Wie wirkt Nusinersen?

Nusinersen greift in das SMN2-Geschehen ein: „Nusinersen ist ein Antisense-Oligonukleotid (ASO), das den Anteil des Einschlusses von Exon 7 in die Messenger-Ribonukleinsäure (mRNA)-Transkripte des Survival Motor Neuron 2 (SMN2) erhöht, indem es an eine intronische Splice Silencing Site (ISS-N1) im Intron 7 auf der Prä-Messenger-Ribonukleinsäure (prä-mRNA) von SMN2 bindet. Durch diese Bindung verdrängt das ASO die Spleißfaktoren, welche normalerweise das Spleißen unterdrücken. Die Verdrängung dieser Faktoren führt zu einer Retention des Exon 7 in der SMN2-mRNA, die dann bei Bildung der SMN2-mRNA in ein funktionelles SMN-Protein voller Länge translatiert werden kann", erklärt die Fachinformation zu Spinraza® den Wirkmechanismus.

Einfacher formuliert: Nusinersen bewirkt, dass der „Output“ der SMN-Protein-Synthese aus dem SMN2-Gen erhöht wird, indem aus der SMN2-mRNA ein funktionelles SMN-Protein translatiert wird.

Die spinale Muskelatrophie zählt zu den den seltenen Erkrankungen und trifft einen von 10.000 Menschen. Nusinersen zur Behandlung der SMA ist folglich als Orphan Drug zugelassen. Die frühe Nutzenbewertung durch das IQWiG und die abschließende Bewertung durch den G-BA laufen bei Orphan Drugs nicht in allen Punkten wie bei „normalen" Arzneimitteln ab: Allein die medizinische Zulassung des Orphan Drugs bescheinigt diesem automatisch einen Zusatznutzen. Der pharmazeutische Unternehmer muss keine Daten zum Nutzen im Vergleich mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie vorlegen. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel – übersteigt der Umsatz des betroffenen Arzneimittels 50 Millionen Euro in den vergangenen zwölf Kalendermonaten, so muss der pharmazeutische Unternehmer auch für Orphan Drugs entsprechende Daten nachreichen. 

Was kostet eine Therapie mit Spinraza®?

In seiner Nutzenbewertung berücksichtigt der G-BA auch immer die Kosten der zu bewertenden Arzneimitteltherapie. Rein auf das Arzneimittel runtergebrochen, sind diese für Nusinersen nicht ganz unerheblich: So veranschlagt der Gemeinsame Bundesausschuss für das erste Behandlungsjahr mit Spinraza® 621.354 Euro. Im zweiten Jahr rechnet er noch mit 310.677 Euro an Therapiekosten.

Die Patienten erhalten Nusinersen intrathekal. Die empfohlene Dosis beträgt 12 mg pro Anwendung. Nach vier Aufsättigungsdosen zu Behandlugnsbeginn an den Tagen 0, 14, 28 und 63 folgen Erhaltungsdosen mit viermonatigem Abstand.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

beeindruckend

von Peter Bauer am 01.02.2018 um 17:37 Uhr

Das ist wirklich ein sehr beeindruckendes Beispiel einer
Arzneimittelentwicklung der sonst so viel gescholtenen
"bösen und gierigen Pharmaindustrie"

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