Koalitionsverhandlungen

Verbraucherzentrale will Rx-Versand erhalten – und klagt gegen Versender

Berlin - 01.02.2018, 10:10 Uhr

VZBV-Chef Klaus Müller will ein Verbot des Rx-Versandhandels vermeiden. (Foto: Picture Alliance)

VZBV-Chef Klaus Müller will ein Verbot des Rx-Versandhandels vermeiden. (Foto: Picture Alliance)


In diesen Tagen werden die Unterhändler von Union und SPD auch über das von CDU/CSU gewünschte Rx-Versandverbot diskutieren. Noch ist nichts über die Gespräche nach außen gedrungen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) trommelt in den entscheidenden Stunden nun noch einmal für den Erhalt des Rx-Versandes – gibt aber gleichzeitig zu, dass einige Versender ihre Beratungspflichten vernachlässigen.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte sich nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung schnell positioniert: Im Interview mit DAZ.online sprach sich der vzbv-Gesundheitsexperte Kai Helge Vogel dafür aus, dass der Rx-Versand erhalten bleiben solle. Vogel befürchtet, dass sich die Verbraucher im Falle eines Verbotes illegale Bezugswege über das Internet suchen. Der vzbv-Experte sprach sich jedoch vehement gegen Selektivverträge zwischen Kassen und Versendern aus, weil das die freie Apothekenwahl beeinträchtige.

Mehr zum Thema

Verbraucherschützer Kai-Helge Vogel (VZBV)

„Verbraucher könnten dem Rx-Versandverbot ausweichen“

In den entscheidenden Stunden der Koalitionsverhandlungen meldet sich die Verbraucherzentrale nun nochmals zu Wort und erklärt in einer Mitteilung, dass man den Arzneimittelversand nicht pauschal verbieten dürfe. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung müsse „unabhängig vom Vertriebsweg“ gesichert werden, im „Zeitalter der Digitalisierung“ könne man den Versand nicht verbieten. Und weiter: „Zugelassene Versandapotheken bieten (…) seit mittlerweile mehr als zehn Jahren eine sichere und zuverlässige Ergänzung.“

Klaus Müller, Vorstand des vzbv, erklärte dazu: „Die nächste Bundesregierung muss eine zuverlässige Gesundheitsversorgung in Stadt und Land sicherstellen, und dazu zählt auch eine flächendeckende Apothekenversorgung. Die Apotheken vor Ort leisten einen wichtigen Beitrag. Doch Versandapotheken sind eine sichere und etablierte Ergänzung. Ein pauschales Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wird den Bedürfnissen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und der digitalen Entwicklung nicht gerecht.“

Klagen gegen mehrere Versender

Nochmals fordert der vzbv auch, dass die Beratungsleistungen von Apothekern gestärkt werden sollten. Dazu heißt es in der Mitteilung weiter: „Zudem müssten Apotheken in strukturschwachen und ländlichen Regionen gezielt gestärkt werden, sofern sich Versorgungslücken vor Ort zeigen. Beide Punkte müssten sich künftig in der Honorierung deutlicher abbilden. Wie das funktionieren könne, zeigten die bestehenden Regelungen zur Sicherstellung des flächendeckenden Nacht- und Notdienstes durch Apotheken.“

In der gleichen Pressemitteilung erwähnt der vzbv aber kurioserweise unter der Zwischenüberschrift „erfolgreiche Abmahnaktion“, dass der Verband mehrere Versender geprüft habe und aufgrund mangelnder Beratungsleistungen in vier Fällen gar geklagt habe. Im vergangenen Jahr hatte der vzbv beispielsweise gegen DocMorris geklagt, weil im Portal des EU-Versenders eine Telefonnummer für Beratungszwecke fehlte. Das Landgericht gab dem vzbv in erster Instanz Recht. DocMorris hat laut vzbv inzwischen Berufung eingelegt.

Ähnliche Klagen gab es gegen die deutschen Versender ipill.de, Apovia und MyCare, die Versandapotheke vom BVDVA-Chef Christian Buse. Bei ipill.de ging es um ausreichende Maßnahmen gegen einen möglichen Arzneimittelmissbrauch. Und auch MyCare wurde vom Landgericht Dessau-Roßlau verurteilt, weil nach Ansicht des Gerichtes die Hinweise auf Telefonberatung fehlten. Ein weiteres Verfahren gegen Apovia läuft laut vzbv derzeit noch.

Ganz einig sind sich die Verbraucherzentralen in Deutschland bei diesem Thema übrigens nicht. Im vergangenen Jahr hatte sich die Verbraucherzentrale Hamburg für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen, weil sie eine Aufhebung der Rx-Preisbindung um jeden Preis vermeiden will. Die Hamburger teilten damals mit Blick auf eine Lockerung der Preisbindung mit: „Diese Lösung könnte dazu führen, dass die Krankenkassen ihre Versicherten ermuntern, veranlassen (oder zu zwingen versuchen), verschriebene Medikamente wegen der günstigeren Preise nur noch bei ausländischen Versandapotheken zu bestellen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Immer wieder der sog. Experten

von Ratatosk am 01.02.2018 um 18:57 Uhr

Leider hat der Mann nicht den direkten Überblick. Der Rosinenpickende Versandhandel zerstört eben die flächendeckende Versorgung. Man sollte schon zumindest Ursache und Wirkung verstehen. Was an diesen sog. Verbraucherschützern denn Verbraucherschutz sein soll, ist ja völlig schleierhat. Lobbyisten für Versand würde es treffen. Und was soll ein völlig schwachsinniges Pseudoargument, wie , dann suchen Verbraucher illegale Quellen. Genau diese zu bekämpfen wäre eben Aufgabe des Staates, wie dieser auch sonst Kriminalität bekämpfen muß, auch wenn er dies nicht ausrotten kann. Mann - Mann, mit welchen Fähigkeiten man heutzutage öffentlich alimentierte Pöstchen bekommt. Da ist jeder blöde, der noch hart arbeitet.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.