Kommentar

Leider falsch

Berlin - 09.02.2018, 17:30 Uhr

In den Medien wird die Debatte um das Rx-Versandverbot leider zunehmend mit Falschargumenten geführt, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. (Foto: Imago)

In den Medien wird die Debatte um das Rx-Versandverbot leider zunehmend mit Falschargumenten geführt, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer. (Foto: Imago)


FAZ: Rx-Versand ist europarechtlich „geboten“

Dass Mihm den Status quo im Apothekenmarkt ungeheuerlich findet, ist keine Neuigkeit. Schon im vergangenen Jahr schrieb er in der FAZ, dass Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem Rx-Versandverbot vor der Apothekerlobby eingeknickt sei. Aber auch die FAZ macht in ihrem Beitrag Fehler: Denn es ist mitnichten so, dass der Rx-Versandhandel „europarechtlich geboten“ ist. Vielmehr ging es im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof um die Rx-Preisbindung. Das Gericht hat nicht den Rx-Versand in ganz Europa „geboten“, sondern erklärt, dass sich nicht-deutsche Versandhändler nicht an die Festpreise im deutschen Markt halten müssen. Schade, dass die FAZ-Leser das nicht erfahren haben.

Mihms grundsätzliche Bedenken zur Einmischung des Staates ins Gesundheitswesen sind allerdings berechtigt. Nicht umsonst gibt es die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen: Weil man von der Politik die nötige Fachkenntnis an vielen Stellen nicht erwarten kann und auf fachspezifische, marktgerechte Einigungen zwischen den einzelnen Akteuren im Gesundheitssystem hofft. Nichtsdestotrotz hat der Staat einen berechtigten Anspruch darauf, dass die Grundprinzipien der Gesundheitsversorgung unangetastet bleiben. Und diese Grundprinzipien sollte ein Staat zur Not auch verteidigen. Eines dieser Grundprinzipien ist die Rx-Preisbindung, deren Abschaffung negative Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung hätte.

Nicht zu vergessen ist auch, dass der EuGH selbst schon geurteilt hat, dass die Gestaltung des Apothekenmarktes – so wie die Organisation des Gesundheitswesens grundsätzlich – nationalstaatlich geregelt werden könne. Zuletzt hatte die EU-Kommission in Verbindung mit der EU-Nutzenbewertung sogar mitgeteilt, dass sie niemals in die Arzneimittelpreis- und Vergütungssysteme eingreifen würde. Der EuGH hat mit seinem Urteil klar gegen diese – unter anderem von ihm selbst – gesetzten Grundsätze widersprochen. Dass die Bundesregierung nun darauf besteht, ihre eigenen Grundprinzipien zur Arzneimittelversorgung beizubehalten und keine unnötigen Risiken mit einer (teilweisen) Öffnung der Preisbindung riskieren möchte, ist gut zu verstehen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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Ikarus Oberhänsli

von Andreas P. Schenkel am 09.02.2018 um 20:08 Uhr

Herr Oberhänsli hat seine Fortune überreizt. Nach einem Jahrzehnt legalem Arzneiversand hatten sich die Marktanbieter mit der Situation einigermaßen arrangiert im Sinne einer Koexistenz. Nun aber schwang ein EuGH-Urteil, dessen Ergebnis maßgeblich durch Oberhänsli initiiert und vorangetrieben wurde, die Abrissbirne an einem gesundheits- und staats-politisch wichtigen Grundbaustein. Zudem urteilte der EuGH in Überschreitung seiner EU-vertraglich eingegrenzten Urteilskompetenz, was sich der deutsche Gesetzgeber zu Recht nicht bieten lassen durfte.
Oberhänsli in der jetzigen Situation erinnert schon ein wenig an Don Quijote, geschuldet der Vergeblichkeit seiner Bemühungen. Eher aber gemahnt er an den antiken Ikarus, der auch nicht wusste, wann Schluß ist und sich nochmal in luftigere Höhen schwingen wollte.

Und außerordentlich schade ist, dass diverse Handelsblätter sich noch immer nicht die Mühe machen wollen, in diesem Themenkomplex korrekte Recherche zu leisten, was ja eigentlich deren journalistische Kernkompetenz gewesen wäre.

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