Ärztin setzt sich vor Gericht durch

Jameda muss Arzt-Profil löschen

Berlin - 20.02.2018, 16:15 Uhr

Das Geschäftsmodell von Jameda geht über das des neutralen Informationsmittlers hinaus. (Foto: Jameda)

Das Geschäftsmodell von Jameda geht über das des neutralen Informationsmittlers hinaus. (Foto: Jameda)


Das Ärztebewertungsportal Jameda muss  eine Niederlage vor dem Bundesgerichtshof einstecken. Eine Kölner Hautärztin klagte in letzter Instanz erfolgreich gegen das Unternehmen, das nun die Daten der Ärztin vollständig löschen muss. Die Karlsruher Richter halten aber ausdrücklich an ihrer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 fest, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist. Doch hier lag der Fall anders.

Es ist eine Niederlage für das Ärztebewertungsportal Jameda und ein Sieg für eine Hautärztin aus Köln: Das Portal muss die Daten der Dermatologin komplett aus seinem Verzeichnis löschen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am heutigen Dienstag in Karlsruhe. Jameda habe die für Bewertungsportale gebotene Neutralität verlassen, weil es durch sein Geschäftsmodell die Mediziner begünstige, die sich dort Werbeplatz kaufen.

Das Jameda-Modell und seine Tücken

Es ging um das konkrete Geschäftsmodell für zahlende und nicht-zahlende Ärzte. Die Klägerin sah sich als Nichtzahlerin gegenüber zahlenden Kunden benachteiligt. Im Jameda-Portal wird sie als solche gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt. Bei Abruf ihres Profils auf dem Portal erscheinen unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung“ weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Auch ihre Bewertungen werden angezeigt. Demgegenüber blendet Jameda bei Ärzten, die sich bei dem Bewertungsportal kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, deren Konkurrenz aus.

Sieg erst in letzter Instanz

Die Ärztin verlangte mit ihrer Klage die vollständige Löschung ihres Eintrags und ihrer sämtlichen Daten in www.jameda.de. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Doch die Revision vor dem BGH ging nun zugunsten der Klägerin aus. Die Richter sehen einen Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten nach dem Bundesdatenschutzgesetz (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG) – denn die Speicherung sei vorliegend unzulässig gewesen.

Zwar habe der Senat im Jahr 2014 (Az.: VI ZR 358/13) für Jameda bereits im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist. Der vorliegende Fall unterscheide sich vom damaligen aber in einem entscheidenden Punkt, betont das Gericht in seiner Pressemitteilung: Mit seiner Geschäftspraxis verlasse die Beklagte ihre Stellung als „neutraler“ Informationsmittler. Während Jameda bei den nichtzahlenden Ärzten dem Internetnutzer die „Basisdaten“ nebst Bewertung des Arztes anzeigt und ihm zudem als „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, sehe es bei „Premium“-Kunden anders aus. Hier bleibt die Konkurrenz außen vor. Und zwar ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen.

In einem solchen Fall überwiege das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber dem Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit .



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

Vertuschung unlauteren Wettbewerbs

von Dr. Peter Gorenflos am 18.06.2018 um 6:41 Uhr

Sollen drei Alibis unlauteren Wettbewerb vertuschen?
Nun gibt es also drei Jameda-Kunden, die wegen schlechter Bewertungen gegen Jameda geklagt haben und zumindest teilweise verloren haben. Man fragt sich, weshalb sie zahlende Kunden einer Firma sind, die ihre Interessen so gravierend verletzt, dass sie prozessieren. Sie könnten den Vertrag doch fristgerecht kündigen. Liegt hier ein abgekartetes Spiel vor, ein Täuschungsmanöver?
Tatsache ist, dass die Statistik zählt und nicht drei Einzelfälle, die bestenfalls als Alibi dienen. Allein die zwangsrekrutierte Dermatologin aus Köln, Astrid Eichhorn, hatte wegen siebzehn (!!!) Bewertungen juristische Auseinandersetzungen mit Jameda und sie ist nur eine von vermutlich einigen hunderten von prozessierenden Kollegen (oder sogar noch mehr? Man müsste das statistisch genau untersuchen!), die bei Jameda zwangsrekrutiert sind, also ohne Einwilligung und vermutlich unter Verletzung der DSGVO beim Portal aufgeführt werden.
Statistik ist das Stichwort und deren Ergebnisse lassen sich mit drei Einzelfällen, drei Alibis, nicht aufheben. Prüfen Sie das bitte selbst. Innerhalb der Web-Page Jamedas kann man beliebige Arztgruppen in beliebigen Städten nach den offensichtlich manipulierten Bewertungs-Durchschnitten 4, 5 und 6 sortieren. Nur mit sehr viel Glück finden Sie dann einen Jameda-Kunden, leicht erkennbar am Profil-Foto. Der inakzeptablen Wettbewerbsverzerrung durch Kombinations-Portale Werbung/Bewertung muss endlich – auf der Grundlage des Artikels des ehemaligen BGH-Vorsitzenden Wolfgang Büscher - eine Absage erteilt werden, juristisch, politisch und gesellschaftlich. Andernfalls versinkt das Gesundheitswesen der Bundesrepublik in Korruption.


» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Jameda, der Bundesgerichtshof und der unlautere Wettbewerb

von Dr. Peter Gorenflos am 30.05.2018 um 17:53 Uhr

Nach dem Urteil gegen die Profillöschung bei Jameda 2014 erklärte Wolfgang Büscher, Vorsitzender Richter des Bundesgerichtshofes und zuständig in der Angelegenheit, ausdrücklich, dass der Werbe-Aspekt des Portals unberücksichtigt geblieben war. In einer juristischen Fachzeitschrift, deren Herausgeber er auch ist – GRUR Prax – veröffentlichte er daraufhin einen langen, grundlegenden Artikel zum Thema „Soziale Medien, Bewertungsplattformen & Co“. Er kommt in Kapitel 3 (S. 8 ff) zu dem Ergebnis, dass bei Bewertungsportalen mit Präsentations- und Werbemöglichkeiten – genau das ist Jameda - das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Anwendung findet und dass der Internetdienstleister in solchen Fällen auch lauterkeitsrechtlich haftet. Deshalb dürfen bei diesen Kombinations-Portalen Profile nicht ohne ausdrückliche Genehmigung aufgestellt werden. Unter asymmetrischen Bedingungen wiegt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mehr, als die Kommunikations-Freiheit des Portalbetreibers. Eine Zwangsrekrutierung hat also zu unterbleiben und kann Schadenersatz-Forderungen nach sich ziehen. Die Kölner Dermatologin Astrid Eichhorn hatte aber nicht deshalb geklagt. Sie sah völlig zu Recht ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, durch das Einblenden von Profilen zahlender Jameda-Kunden in ihrem eigenen Profil. Dass diese zahlende Konkurrenz in der Regel auch die besseren Bewertungsdurchschnitte hatte, blieb bei diesem Urteil unberücksichtigt, denn das war nicht Gegenstand der Auseinandersetzung.
Aber genau darum geht es. Die Wettbewerbsbehörde kann bedauerlicherweise nicht von Einzelpersonen angerufen werden, sehr wohl aber von der Ärzte- und Zahnärztekammer. Die ZEIT-Statistik mit 6.500 Fällen vom 18. Januar, beliebige Stichproben, die Analyse der schlecht bewerteten Ärzte und Zahnärzte innerhalb von Jamedas Web-Page selbst, sprechen eine so klare und deutliche Sprache, dass die Kammern auf der Grundlage von Wolfgang Büschers Artikel zwingend Klage bei der Wettbewerbsbehörde einreichen müssen. Das gehört zu ihren originären Aufgaben. Unterlassen sie das fahrlässig, dann fördern sie die bereits weit fortgeschrittene und flächendeckende Täuschung von Patienten und die Korrumpierung der Kollegenschaft nach dem Motto: „Wer zahlt, gewinnt“. Solange Jameda sein Werbeportal nicht strikt von einem nicht-kommerziellen Bewertungsportal - mit gleichen Spielregeln für alle Teilnehmer – trennt, kann von Neutralität auf keinen Fall die Rede sein. Die fragwürdige Kombination beider Portaltypen ist das Geschäftsmodell von Jameda, die „manipulative Systemarchitektur“, wie die ZEIT das nennt. Der Wirtschaftsstatistik-Professor Walter Krämer in Dortmund hat gerade eine Master-Arbeit zum Thema ausgelobt. Sie wird die Arbeit von dem ZEIT-Redakteur Tin Fischer weiter vertiefen und wissenschaftlich fundieren. Auf deren Ergebnisse sollten wir aber nicht warten, denn es besteht Gefahr in Verzug.
Der von Kollegenseite oft erteilte Ratschlag, man möge es sich doch gemütlich zu Hause einrichten, wenn gerade Einbrecher in der Nachbarschaft aktiv sind, ist gut gemeint. Besser wäre es, die Diebe zunächst unschädlich zu machen und sich erst dann wieder über zufriedene Patienten zu freuen, die in der Tat die beste Werbung für die eigene Praxis sind. So sollte es in Zukunft auch wieder sein.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Jamedas Echtheits-Postulat ist Irreführung

von Dr. Peter Gorenflos am 30.05.2018 um 17:46 Uhr

Das Echtheits-Postulat der Bewertungen durch Jameda und seine Pressesprecherin Kathrin Kirchler ist eine gezielte Desinformation. Wie „gefaket“ diese Bewertungen sind, beweist eine WDR Sendung vom 8.11.2017 und eine RBB Sendung vom 7.5. diesen Jahres. Beliebige Passanten einer Einkaufsstraße in Köln und Berlin haben Ärzte bewertet, die sie gar nicht kannten, und diese Bewertungen sind im Profil der Ärzte tatsächlich veröffentlicht worden.
Wenn Jameda die Echtheit ernst meinen würde, dann würde man bei jeder Bewertung einen Behandlungs-Nachweis verlangen. Das ist ganz einfach: man legt der Bewertung ein Smartphone-Foto von einem Rezept, einer Krankschreibung oder einer Überweisung bei und bei Nachfrage des betroffenen Arztes/Zahnarztes leitet man es anonymisiert an diesen weiter. Bewertungsfabriken sind nur die Spitze des Eisberges und wenn Jameda gegen diese vorgeht, macht man sich nur vom Bock zum Gärtner. Denn der ZEIT-Artikel vom 18.1.2018 legt nahe, dass nicht nur die Bewertungsdurchschnitte von Jameda manipuliert werden, er legt auch nahe, dass zahlende Kunden selbst für zahlreiche Positiv-Bewertungen sorgen. Das merkt man u.a. auch an der Einförmigkeit, der Standardisierung der Texte. Jameda kann also kein Interesse an der Echtheit der Bewertungen haben. Das wäre nicht im Interesse seiner Kunden, die ihren Ruf aufpolieren (lassen), nicht im wirtschaftlichen Interesse des Portals, dass von seinen Kunden lebt. Natürlich können das auch zwangsrekrutierte Kollegen im Portal tun und sei es aus Notwehr. Aber die Anzahl der schlechten Bewertungen - darin liegt der eigentliche Schlüssel der Bewertungsdurchschnitts-Manipulation – verringern sie nur signifikant, wenn sie „Schutzgeld“ bezahlen, wie das die Rechtsanwältin von Astrid Eichhorn formulierte. Es hilft alles nichts: Bewertungsportale und Werbeportale müssen getrennt werden. Andernfalls kommt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zur Anwendung, wie das der ehemalige Vorsitzende des Bundesgerichtshofes, Wolfgang Büscher, in seinem wegweisenden Artikel „Soziale Medien, Bewertungsplattformen & Co“ (Kapitel 3, S. 8 ff, GRUR Prax, 2017) formuliert. Wenn sich Jameda daran nicht hält und statt dessen Patienten täuscht und Kollegen korrumpiert, dann muss Jameda zerschlagen werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Jameda düpiert Bundesgerichtshof

von Dr. Peter Gorenflos am 13.03.2018 um 20:13 Uhr

Jameda löscht nun Vergleichslisten zahlender Kunden auf den Profilen von Zwangsteilnehmern und umgeht damit das Urteil des Bundesgerichtshofs, welches ausdrücklich eine Profil-Löschung zulässt. Aber damit ist Jameda immer noch kein „neutraler Informations-Vermittler“ sondern nimmt der Obszönität unlauteren Wettbewerbs nur die Spitze. Eine 6.500-Fall-Statistik aus der ZEIT von letztem Monat beweist, dass Kunden die besseren Noten haben, denn sie werden offensichtlich von schlechten Bewertungen verschont. Ist das ihrem schönen Profil-Foto zu verdanken? Wahrscheinlicher ist, dass Jameda aus Profitabilitäts-Gründen die Bewertungs-Durchschnitte manipuliert und die Interpretierbarkeit dessen, was eine „Schmähkritik“ oder „Tatsachenbehauptung“ ist - beides obsolet – missbraucht, um schlechte Bewertungen bei Kunden zu blockieren. Bei Zwangsteilnehmern sind schlechte Bewertungen erwünscht, denn das Portal lebt von der Diskrepanz der Notendurchschnitte zugunsten der zahlenden Kundschaft. Mit Neutralität hat das nichts zu tun, man könnte eher von Schutzgeld-Erpressung der Zwangsteilnehmer sprechen, deren guter Ruf auf dem Spiel steht. Nur mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb kann man diesem Spuk ein Ende bereiten. Wirklich neutrale Bewertungsportale ohne kommerzielle Interessen, wie die „Weisse Liste“ sind jedoch wünschenswert. Die Anonymität bei Bewertungen, diese „digitale Burka“, sollte aber unterbleiben, denn sie leistet Feigheit und Intrige Vorschub.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.