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Wir sterben. Wir alle – eines Tages. Entscheidend ist das wie. Palliativpharmazie und SAPV-zertifizierte Apotheken sind Teil sogenannter „Palliative Care Teams“ und erweitern das Versorgungsangebot am Ende des Lebens. Doch welche Erfahrungen machen Palliativapotheker? Was funktioniert – was noch nicht so gut? DAZ.online hat mit Apothekern gesprochen, die sich palliativpharmazeutisch engagieren. Auch hier stehen bürokratische Hindernisse dem Engagement teilweise im Weg.
Was erwartet Apotheker, die sich an SAPV-Netzwerken beteiligen und sich ein palliativpharmazeutisches Profil zulegen wollen? Für Ahmed El Hawari, Leiter der Zentrum Apotheke Wesendorf im Landkreis Gifhorn in Niedersachsen, war es keine Frage, dass er sich engagieren wollte. „Wir machen es seit über zehn Jahren und stehen auch voll dahinter“, beschreibt er sein Engagement. Als Gründungsmitglied des Palliativnetzes Gifhorn e.V. war er von Anfang an dabei. Schon 2007 wurde das Netzwerk gegründet und hat so die gesamte Entwicklung der SAP-Versorgung miterlebt und mitgestaltet.
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Rund-um-die-Uhr-Betreuung
Heutzutage besteht das Netzwerk unter anderem aus einem Team von Palliativmedizinern, allen im Landkreis Gifhorn tätigen Pflegediensten – und bisher nur einer Apotheke. Dies bedauert Ahmed El Hawari ausdrücklich und betont die Offenheit für alle interessierten Apotheker des Landkreises. Zusammen könnten die Aufgaben der zeit- und ressourcenintensiven Versorgung der Patienten besser bewerkstelligt werden, denn für das SAPV gilt: „Entscheidend ist die Rund-um-die-Uhr-Betreuung“, bestätigt Ahmed El Hawari. Und schnell muss es gehen. Die Versorgung der Patienten mit Schmerzmitteln, meist BTM, steht im Mittelpunkt und verträgt keine Verzögerungen. Ein großer logistischer und personeller Aufwand muss betrieben werden, alle Beteiligten müssen sich engagieren, um letztendlich das Ziel zu erreichen: „Wir möchten für die finale Phase des Lebens schwerkranker Menschen eine professionelle Zusammenarbeit anbieten“, so El Hawari im Gespräch mit DAZonline. Und das klappe auch sehr gut. Krankenhauseinweisungen könnten so vermieden werden.
Geld verdienen darf nicht an erster Stelle stehen, doch Unkosten müssen gedeckt sein
Für Ahmed El Hawari ist besonders wichtig hervorzuheben, dass nicht das Geldverdienen im Vordergrund stehen kann, wenn man sich in diesem Bereich engagieren möchte. „Man muss dafür brennen und nicht nur Geld verdienen wollen“, gibt er zu bedenken. Dennoch müsse auch er seine Unkosten decken, was durch die alleinige Erstattung der verordneten Arzneimittel, Hilfs- und Verbandmittel nicht gewährleistet sei. Gerade im ländlichen Bereich seien zudem die zu bewältigenden Strecken ein großes Problem und eine entsprechende Vergütung wäre dringend erforderlich: „Durch die Medikamente alleine wird nicht genügend verdient, um die Kosten, die entstehen, zu tragen“, bekräftigt er auf Nachfragen.
Herausforderungen und Wünsche
Doch wie sieht die Situation in einer großen Stadt wie Berlin aus? Das Team der Rialto Apotheke um Apothekenleiter Hagen Haese beschreibt einen arbeitsintensiven Alltag, der durch sein palliativmedizinisches Engagement entstanden sei. Sie seien aber auch stolz, sich einen gewissen Namen als sehr zuverlässig und schnell liefernde Apotheke gemacht zu haben. Aber auch sie wünschen sich eine bessere und gerechtere Vergütung. „Dem Gesetzgeber und den Krankenkassen muss klar sein, dass die Arbeit, die wir in der Palliativmedizin verrichten auch kostensparend ist. Die Alternative wäre, dass der Patient ins Krankenhaus geht, stationär aufgenommen wird und dann entstehen ganz andere Kosten“, erläutert Maximilian Kuhlmann, Apotheker der Rialto Apotheke. Als Teil des Palliativnetzes Nord-Ost müssen zudem auch sie zum Teil große Strecken bewältigen und einen großen Fuhrpark zum Einsatz bringen. Die gerade im SAPV so wichtigen Fahrten könnten aber nicht abrechnet werden, bedauern auch sie.
Die Rialto Apotheke ist als onkologische Schwerpunktapotheke breit aufgestellt. Vieles gerade im Homecare Bereich erbringen sie als reine Serviceleistung. Dazu zählt nicht nur die schnelle Auslieferung der im SAPV verordneten Medikamente und Hilfsmittel, sondern auch der Einsatz einer Ökotrophologin und eines SAPV-Krankenpflegers, um eine besonders umfassende Versorgung der Palliativpatienten zu gewährleisten. Damit werden zudem Versorgungslücken geschlossen, die sich ansonsten teilweise auftun. So kann sich der Krankenpfleger zum Beispiel um am Wochenende entlassene Patienten kümmern und eine Erstversorgung erbringen, solange bis ein SAPV-zugelassener Pflegedienst übernehmen kann. Auch hier müsse über Vergütungsmöglichkeiten für die Apotheken nachgedacht werden, so der ausdrückliche Wunsch des Teams der Rialto Apotheke.
Bürokratie bedroht Engagement
„Wir könnten mehr versorgen, aber wir müssen aufpassen, dass die Bürokratie nicht überhandnimmt, um nicht nur zu versorgen, sondern auch noch wirklich gut zu versorgen“, berichtet Maximilian Kuhlmann über Kapazitätsengpässe und ausufernden Arbeitsaufwand. Auch räumliche Grenzen könne ganz praktisch die Kapazität einer Apotheke begrenzen. Denn der Platz lasse sich nicht beliebig erweitern und auch dies beschränke die Möglichkeiten, sich zu engagieren – erläutert Maximilian Kuhlmann und verbindet es mit dem Wunsch nach weniger Bürokratie, damit eventuell für diese Zwecke unkomplizierter zusätzlicher Raum angemietet werden könne.
Beide Apotheken berichten im Gespräch mit DAZonline über ihre Arbeit im rechtlich schwierigen Terrain – zumindest was die Versorgung mit BTM angehe. „Ein Großteil der Palliativversorgung ist Schmerzversorgung. Also reden wir fast immer von Betäubungsmitteln“, so Maximilian Kuhlmann. Er beschreibt eine Situation, in der schnell reagiert werden müsse, aber zugleich auf die eigentlich als Ausnahme gedachte Nachreichung von BTM-Rezepten zurückgegriffen werden müsse. Das heißt: die Ausnahme wird zur Regel. „Natürlich steht immer das ärztliche Okay dahinter“, erläutert Maximilian Kuhlmann. Ahmed El Hawari argumentiert, dass die rechtlichen Probleme bei der BTM-Belieferung letztlich das SAPV ad absurdum führe. „Man muss die Möglichkeit haben, flexibler zu reagieren. Hier geht es ja schließlich um wirkliche Notfälle und der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen“, ergänzt er.
Profilbildung durch Palliativmedizin
Sich ein besonderes Profil zuzulegen, kann für Apotheken eine reizvolle Ergänzung ihres Angebotes sein. Sich palliativpharmazeutisch zu engagieren, bedarf eines besonderen Einsatzes für die Apotheken. Doch die Apotheker, die sich in diesem Bereich engagieren, haben mehr im Sinn als reine Zahlen und Umsätze. Es geht ihnen vielmehr um eine kompetente und schnelle Versorgung, denn „die Menschen müssen versorgt werden, das ist das Entscheidende“, fasst Maximilian Kuhlmann sein Engagement zusammen. Zudem kann so auf Qualitäten der Vorort-Apotheken hingewiesen werden: „Die Menschen erkennen dann, hier ist einer, der sich engagiert – Amazon und Co tun das nicht“, beschreibt Ahmed El Hawari die Situation in der Palliativpharmazie.
S3-Leitlinien Palliativmedizin
Palliativ arbeitende Ärzte, Pfleger und Apotheker orientieren sich bei ihrer Arbeit u.a. an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), die für eine multiprofessionelle Vernetzung und Austausch sorgt.
Orientierung für die Arbeit in der Palliativversorgung von Tumorpatienten bieten zudem die aktuellen S3-Leitlinien für „Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ aus dem Jahre 2015. Die Leitlinien spiegeln die Sorgen vieler Patienten vor Atemnot und Schmerzen wieder. Empfehlungen hierzu finden sich an zentraler Stelle in den Leitlinien wieder, die zudem auf wichtige Themenfelder wie Obstipation, Depression, Kommunikation, Sterbephase und Versorgungsstrukturen eingehen. Auch für Apotheker, die in ihrer Apotheke einen Schwerpunkt Palliativpharmazie anbieten, eine wichtige Informationsquelle.
Auf dem vom 21.-24. Februar 2018 in Berlin stattfindenden 33. Deutschen Krebskongress spielt auch die palliative Versorgung Krebskranker eine wichtige Rolle. So soll unter anderem eine Erweiterung der Leitlinien mit acht neuen Themenfeldern vorgestellt werden, die voraussichtlich noch in diesem Jahr erscheinen sollen. Ergänzt werden die bestehenden Leitlinien um folgende Aspekte: Maligne Intestinale Obstruktion, Übelkeit und Erbrechen, Schlafstörungen bzw. nächtliche Unruhe, Wundpflege, Fatigue, Angst, Therapiezielfindung und Umgang mit Todeswunsch.
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