Bundesgesundheitsminister in spe

Die Apotheken-Zitate des Jens Spahn

Berlin - 28.02.2018, 15:30 Uhr

Welche Meinung hat der Bundesgesundheitsminister in spe Jens Spahn zum Apothekenmarkt? DAZ.online hat alle wichtigen Zitate zusammengestellt. (Foto: Imago)

Welche Meinung hat der Bundesgesundheitsminister in spe Jens Spahn zum Apothekenmarkt? DAZ.online hat alle wichtigen Zitate zusammengestellt. (Foto: Imago)


Was könnte auf die Apotheker zukommen, wenn Jens Spahn Bundesgesundheitsminister wird? Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Spahn schon eine „Geschichte“ mit den Apothekern, die helfen kann, seine Meinung zum Markt zu verstehen. DAZ.online hat wegweisende Zitate des CDU-Politikers seit 2004 herausgesucht und sie chronologisch zusammengefasst. Es fällt auf: Gerade zur Rx-Preisbindung und zu Rx-Boni hat sich Spahns Meinung mindestens einmal gewandelt.

Jens Spahn zog erstmals im Jahr 2002 in den Bundestag ein – im Alter von 22 Jahren. Er wurde Mitglied des Gesundheitsausschusses, 2009 wurde er gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion – den Posten behielt Spahn bis 2015, als er ins Finanzministerium wechselte. In dieser Zeit kreuzten sich die Wege des Westfalen und die der Apotheker mehrfach. Denn gleich mehrere für die Apotheker wichtige Entscheidungen gingen über Spahns Schreibtisch: Das AMNOG, die Erhöhung des Apothekenhonorars, die Nacht- und Notdienstpauschale – um nur einige zu nennen.

DAZ.online hat sich die öffentlich bekannten Spahn-Zitate der vergangenen 14 Jahre nochmals angeschaut. Klar ist: Spahn wird die Apotheker fordern und von ihnen mehr Mitwirkung und kreative Gestaltungsideen verlangen. Zumindest mit Blick auf seine Äußerungen als junger Abgeordneter könnten die Apotheker sogar Eingriffe in wichtige Grundsäulen wie das Fremd- und Mehrbesitzverbot fürchten. Allerdings hat Spahn viele Deregulierungs-Vorstellungen in den vergangenen Jahren offenbar aufgegeben. Hier der Überblick:

In seinen ersten Jahren als Abgeordneter hinterfragte Spahn regelmäßig die etablierten Strukturen im Apothekenmarkt. 2004 sagte der CDU-Politiker in einem Interview mit dem Mitteilungsblatt der Apothekerkammer Westfalen-Lippe einen Satz, der auch 14 Jahre später aktueller und brisanter nicht sein könnte. Mit Blick auf den neu aufkommenden Versandhandel erklärte Spahn:


„Weil mit Blick auf die preislich flexibleren ausländischen Versender wegen der starren Arzneimittelpreisverordnung und den Festpreisen zu Recht eine Inländerdiskriminierung beklagt wird, bin ich sehr offen dafür, über andere Lösungen nachzudenken.“


Und auch die für die Apotheker so wichtige Regelung zum Fremd- und Mehrbesitzverbot stellte der Minister in spe damals sogar in Frage. Zur Erinnerung: Das EuGH-Verfahren zum Fremdbesitzverbot war noch in weiter Ferne, trotzdem beschäftigte der CDU-Politiker sich mit der Sinnhaftigkeit der Verbote.


„Die Diskussion um den Fremdbesitz wird regelmäßig befördert von allerhöchster Stelle, vom Kanzler nämlich. Ich bin kein Freund dieser Gedankenspiele, denke aber, dass das Verbot früher oder später fallen wird.“


Grundsätzlich forderte er die Apotheker schon damals auf, sich an der Weitergestaltung des Marktes aktiv zu beteiligen – eine Aufforderung, die er immer wieder neu belebte.


„Konkurrenz belebt das Geschäft, denn schon alleine die Debatte um mehr Wettbewerb, etwa durch die Zulassung des Versandhandels, hat ja manches bewegt. Ich kann die Apotheker nur nachdrücklich ermuntern, diesen Weg weiterzugehen – dann sind sie nicht Getriebene, sondern treiben den Prozess selber voran.“



„Eine flächendeckende Versorgung benötigt regulierende Eingriffe. In den Großstädten wird es immer genug Apotheken geben, in der Fläche aber nicht. Hier gibt es einige bedenkenswerte Vorschläge: So könnte die Honorierung der Arzneimittelabgabe an gesetzlich Versicherte von heute einheitlich 5,80 Euro pro Packung je nach Versorgungssituation in einer Region variieren, um finanzielle Anreize zur Niederlassung zu setzen. Oder die Zahl und Verteilung der Apotheken zur Niederlassung könnten über ein Zulassungs- oder Lizenzsystem, ähnlich wie in Großbritannien, gesteuert werden.“


Fremdbesitz, Beratungsleistungen, AMNOG

Zwei Jahre später, nach dem EuGH-Urteil, das das deutsche Fremdbesitzverbot bestätigte, hatte Spahn seine Wünsche zum Thema Apothekenketten wohl schon wieder aufgegeben. Im Interview mit der DAZ sagte der CDU-Politiker damals:


„Die deutsche Regelung kann bleiben, wie sie ist. Solange es kein Bestreben in der Apothekerschaft selbst gibt, das ändern zu wollen, wird sich hier nichts verändern.“


Ganz im Gegenteil: Bei ihrem Widerstand gegen die Pick-up-Stellen stellte sich Spahn damals sogar hinter die Apotheker:


„Wenn die SPD sich nicht geweigert hätte, dann hätten wir schon ein Verbot dieser Pick-up-Stellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Arzneimittel in Drogeriemärkten oder Tankstellen verkauft werden. Sie sind ein besonderes Gut und mit gutem Grund apothekenpflichtig.“


Und auch was die Mehrvergütung der Pharmazeuten für Beratungsleistungen betrifft, machte Spahn den Apothekern damals Hoffnung:


„Die Apotheker haben viele Jahre studiert und in ihrem Bereich großes Wissen. Das sollten wir viel stärker nutzen, etwa wenn es um die Medikationsbegleitung von multimorbiden, schwerkranken und älteren Menschen geht. Zudem könnten Apotheker gerade auf dem Lande noch ein Stück weit mehr Anlaufstelle für Gesundheitsversorgung werden – auch wenn ein Apotheker niemals einen Arzt ersetzen kann. Ich kann mir vorstellen, dass sich solche zusätzlichen Beratungsleistungen auch im Honorar niederschlagen. Im Moment ist die Bezahlung formal ja nur an die Abgabe geknüpft. Da könnte man jenen, die sich mehr einbringen, Chancen eröffnen“


Das Jahr 2010 war dann geprägt vom Gesetzgebungsverfahren zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz. Das FDP-geführte BMG und die Unionsfraktion wollten damals ein ausführliches Arzneimittel-Spargesetz auf den Weg bringen, von dem auch Apotheker und Großhandel betroffen sein würden. Spahn verteidigte damals die Einsparungen in diesem Bereich:


 „Ziel ist es, die Belastungen für die Versicherten finanziell erträglich zu gestalten und gleichzeitig eine qualitativ gute Versorgung anzubieten. Hier sitzen alle mit in einem Boot. Wenn Großhandel und Apotheken 400 Millionen dazu beitragen, ist das angemessen.“


Auch zum Thema Homöopathie hat sich Jens Spahn schon geäußert. Zuvor wurden Leistungen wie die Homöopathie-Erstattung als Bestandteil der Satzungsleistungen der Krankenkassen erlaubt. Spahn sah das wohl nicht so gerne:


„Wir haben die Wahltarife für Homöopathie unter Rot-Grün eingeführt. Wenn die SPD will, können wir das sofort streichen, da es keinen wissenschaftlichen Nachweis für den Nutzen gibt."


„Faire Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Apotheken"

Nach dem Fremdbesitz-Urteil bewegte die Apotheker in den vergangenen Jahren vornehmlich ein Thema: der Versandhandel. Insbesondere mit den EU-Versendern, die jahrelang Rx-Boni gewährten, entwickelte sich ein politischer und juristischer Konflikt. Noch vor der Entscheidung des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Gültigkeit der Arzneimittelpreisverordnung für EU-Versender wollte die Bundesregierung Rx-Boni für ausländische Versandapotheken gesetzlich verbieten. Und siehe da: Auch Jens Spahn machte sich gegenüber DAZ.online damals für ein solches Boni-Verbot stark. Mit Blick auf das derzeit diskutierte Rx-Versandverbot ist auch seine damalige Begründung sehr interessant:


„Wir prüfen das Rx-Boni-Verbot, weil wir faire Wettbewerbsbedingungen für die deutschen Apotheken wollen."


2012 wurden die immer häufiger und teils unsinnig ausgestellten Null-Retaxationen zum Problem der Apotheker. Auch in dieser Frage bezog Spahn klar Position – für die Apotheker. Der CDU-Politiker kündigte eine Prüfung von möglichen Strafen für unberechtigte Retaxationen an.


„ Das derzeitige Retaxierungsunwesen der Kassen gegenüber den Apothekern ist der reinste Irrsinn. Ohne Not wird viel Vertrauen zerstört und Arbeitskraft an unnötiger Stelle gebunden.“


2012 war auch das Jahr, in dem die Diskussionen um die Höhe des Fixhonorars aufflammten. Die Apotheker forderten eine drastische Erhöhung des lange nicht mehr angetasteten Fixums – letztendlich passte der damalige Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) das Honorar um 25 Cent an. Spahn verteidigte die Entscheidung:


„Forderungen nach über 600 Millionen Euro Honorarsteigerungen mussten enttäuscht werden. Ich finde, die Diskussion über die Honorarerhöhung sollte aber auch fair bleiben, das ist sie, insbesondere in den Internetforen, nicht immer. (…)Die vom Bundesministerium für Wirtschaft vorgeschlagene Erhöhung des Apothekenhonorars um etwa 200 Millionen Euro finde ich in Ordnung, zumal sie sich aus konkreten Berechnungen ergeben.“


Ebenfalls im Jahr 2012 enthüllte der Focus, dass Spahn unter anderem mit dem heutigen DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller eine Polit-Agentur gegründet hatte. Gegenüber der DAZ wies Spahn die Vorwürfe von sich:


„Bei der Zusage im Jahr 2006, einen Freund zu unterstützen, habe ich mir über mögliche Folgen und die öffentliche Wirkung nicht ausreichend Gedanken gemacht. Heute würde ich anders handeln. Meine politische Arbeit ist durch Abstimmungen, Initiativen, Gesetze und Anträge für jeden Bürger in diesem Land unmissverständlich nachvollziehbar. Ich positioniere mich aus eigener Überzeugung und nach ausführlichen Gesprächen mit allen Beteiligten. Gerade die Apotheker sollten das wissen, denn wir pflegen ja seit Jahren einen offenen, wenngleich in Teilen auch mal konstruktiv-kritischen Dialog“.


Nach dem AMNOG ging es in den Apotheker-Diskussionen auch vermehrt um den Kassenabschlag – denn die Politik hatte versprochen, dass die Anhebung des Abschlages nicht zum Dauerzustand werden solle. Spahn stellte sich vor den Neuverhandlungen mit den Kassen damals vor die Apotheker und verlangte, dass die Ausgangsbasis für den neuen Wert bei 1,75 Euro liegen solle – also dem Wert, der vor dem AMNOG galt.


„Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz haben wir den Apothekern enorm was zugemutet. Die Koalition stehe zu ihren Spargesetzen. Anders als etwa Ärzte und Krankenhäuser haben Apotheker allerdings wirklich weniger – und nicht etwa nur weniger vom mehr. Daher ist es richtig, 2013 wieder den Rabatt von 1,75 Euro als Verhandlungsbasis heranzuziehen.“


2013 mischte die CDU im Vorfeld der Bundestagswahl die politische Debatte mit dem sogenannten „Apothekenbus“ auf. Der Vorschlag stand zwar nie im finalen Wahlprogramm der CDU, dennoch hatte es solche Vorschläge gegeben. Auf einer Veranstaltung der AKWL sagte Spahn dazu:


„Der Begriff ‚Apothekenbus‘ hat nie in einem unserer Papiere gestanden und wird da auch nicht stehen. Es geht um rollende Lösungen. Vor dem Veranstaltungsort von Apothekertagen treffe ich regelmäßig Fahrzeuge an mit Aufschriften wie ‚Wir kommen zu Ihnen‘ oder ‚Apotheke mit Flügeln‘, auch ‚Rollende Apotheke‘. Der Apothekenbus ist eine Wortschöpfung des Online-Journalismus, ich wehre mich gegen eine solche Wortklauberei. Mir geht es um Rezeptsammelstellen und Bringdienste.“


Spahn zu Vertriebsformen und zum Versandhandel

In einer seiner letzten Aussagen zum Thema Versandhandel bevor Spahn ins Finanzressort wechselte, gab er den Apothekern 2013 auf dem BVDVA-Kongress eine deutliche Nachricht mit auf den Weg:


„Der Kampf gegen den Versandhandel ist verloren. Steckt Eure Energie woanders rein. Ob der Apothekenbus oder sonst was kommt, darüber kann man streiten. Man soll aber nicht immer alles mit Schaum vor dem Mund vom Tisch wischen. Auch die Politik weiß noch keine abschließenden Lösungen. Es kommt vor allem auf die richtige Balance zwischen Flexibilität bei Vertriebsformen und den pharmazeutisch-fachlichen Anforderungen an. Vorschläge dazu müssen von der Apothekerschaft kommen.“


2014 haben dann zunehmend die Diskussionen um erweiterte Kompetenzen der Apotheker und deren Vergütung begonnen. Auf dem Deutschen Apothekertag 2014 machte Spahn einen interessanten Vorschlag:


„Ich möchte Ihnen mal eine Denksportaufgabe geben. Was würden Sie denn dazu sagen, wenn man aus der Großhandelsvergütung den Teil herausschneidet, den die Großhändler heute den Apotheken als Rabatt gewähren, und dieses Geld dazu verwendet, neue Dienstleistungen der Apotheken zu honorieren?“


Ebenfalls 2014 sammelten die Apotheker die ersten Erfahrungen mit dem Nacht- und Notdienstfonds. Vor der Verabschiedung des Apothekennotdienst-Sicherstellungsgesetzes hatten mehrere Politiker ein Vergütungsplus von 120 Millionen Euro pro Jahr versprochen – eine Summe, die allerdings verfehlt wurde in den Ausschüttungen. Spahn stellte sich auch hier hinter die Apotheker:


„120 Millionen Euro waren versprochen. Wenn wir das sagen, meinen wir das auch. Wenn die nicht erreicht werden, dann schauen wir, woran es liegt, und dann müssen wir an der Stellschraube drehen.“


In den nachfolgenden wurde es zumindest aus gesundheitspolitischer Sicht ruhig um Spahn: Er wechselte 2015 als Staatssekretär ins Finanzministerium und übergab die Funktion des gesundheitspolitischen Sprechers an Maria Michalk.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Spahn Zitate

von Alexander Zeitler am 26.03.2019 um 2:19 Uhr

unbedingt am RX Versandverbot festhalten.
Sich nicht auf irgendwelche Deals mit Spahn einlassen.
Habe heute keine Lust, mehr zu kommentieren

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Jens Spahn

von Alexander Zeitler am 01.03.2018 um 3:05 Uhr

Unter Gröhe war es ja mal ruhig.
Und jetzt bekommen wir einen jungen Merkel-Feind in dieser Position.
Um sich "lieb Kind" zu machen, wird er sich bestimmt irgendwas einfallen lassen. Ob uns das gefällt, sei dahingestellt. Irgendwas Dynamisches und erfolglos?????
und vor wenigen Tagen erfährt man, was unsere liebe Ulla so nebenher verdient hat. und das bei einem anngeblichen full time Job. weiss nicht, wie die da oben das alles hinbekommen?
Bitte lasst uns einfach in Ruhe und kümmert euch um die wahren Porbleme dieses Landes!!!

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Schlangengrube JS

von Dr.Diefenbach am 28.02.2018 um 21:15 Uhr

Dieses Hin und Herjongliere in den Aussagen des Herrn S.ist diametral zu den Belobigungen ,Glückwünschen ,und Lobhudeleien,die die Verantworlichen in Kammern und Verbänden dem vermutlich neuen Minister entgegenbringen.Aber ach so :das macht man ja aus politischer "Klugheit"so.

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Tut mir leid

von Anita Peter am 28.02.2018 um 16:57 Uhr

Tut mir leid Herr Spahn,

ich kann nur einen Qualitätswettbewerb standhalten. Eine Preisschlacht mit Versendern und Großapotheken kann ich leider nicht mitgehen. Dann muss ich eben schliessen. Wie die 92-jährige Oma dann via Tablet ihre AMs bestellen soll, erklären Sie ihr sicher persönlich. Dafür hat sie dann aber 2 Euro gespart, da muss man eben auf seine Vor Ort Apotheke verzichten.

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Ja mein Gott

von Christiane Patzelt am 28.02.2018 um 15:41 Uhr

Wieder einer, der über mich und meine Apotheke rüberreitet...irgendwann in naher Zukunft ergeben wir uns freiwillig-keine Sorge. Die Schließzahlen sind schon steigend, die Lust auf Neugründungen nahe Null und jeder normal denkende Apotheke legt sich so peaux á peaux schon einen Plan B in die Schublade. Die Tafel für DocMo ist gedeckt, MaxMüller und Herr Oberhänsli sitzen schon mit Messer und Gabel parat-Herr Spahn im Livree muß uns nur noch servieren.

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