AOK Baden-Württemberg

Hermann: Wettbewerb statt Rx-Versandverbot

Berlin - 05.03.2018, 16:35 Uhr

AOK-Chef Christopher Hermann beschwert sich über das Rx-Versandverbot, argumentiert jedoch leicht unsauber. (Foto: Imago)

AOK-Chef Christopher Hermann beschwert sich über das Rx-Versandverbot, argumentiert jedoch leicht unsauber. (Foto: Imago)


Die AOK Baden-Württemberg hält den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD für „keinen großen Wurf“. In einer Pressemitteilung erklärt Kassenchef Christopher Hermann, dass aus seiner Sicht „wettbewerbliche Gestaltungsspielräume“ benötigt werden – das geplante Rx-Versandverbot widerspreche dem klar. Dabei argumentiert die Kasse allerdings leicht unsauber.

Am gestrigen Sonntag wurde mit dem positiven Ausgang des SPD-Mitgliedervotums die letzte Hürde auf dem Weg zu einer Neuauflage der Großen Koalition genommen. Am 14. März soll Angela Merkel (CDU) im Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt werden, anschließend sollen die Minister ernannt werden. Somit steht auch der Umsetzung des Koalitionsvertrages nun nichts mehr im Wege, in dem festgehalten ist, dass sich Union und SPD für ein Rx-Versandverbot „einsetzen“ wollen.

Die AOK Baden-Württemberg, nach Mitgliedern bemessen die fünftgrößte Krankenkasse in Deutschland, hat sich in einer Mitteilung am heutigen Montag zu den Inhalten dieses Vertrages geäußert. Kassenchef Hermann meint, dass die Koalitionäre an „vielen Stellen“ richtig argumentierten, vorhandene Spielräume für eine patientenorientierte Versorgung aber zu wenig ausnutzten. Hermann wörtlich: „Wer die bestmögliche Versorgung der Versicherten will, muss Wettbewerb fördern und nachhaltige strukturelle Veränderungen umsetzen.“

Positiv bewertet die AOK die Qualitätsoffensive Pflege und die Investitionen in die Digitalisierung. Allerdings seien ein „weiterer Ausbau der wettbewerblichen Gestaltungsspielräume und mehr Durchlässigkeit im System nötig“, findet Hermann. Und weiter: „Die neue Bundesregierung muss deutliche Impulse für mehr Wettbewerb setzen und weitere Spielräume für regionale Versorgung schaffen. Ein Verbot des Arzneimittel-Versandhandels würde dem beispielsweise widersprechen“, heißt es in der Mitteilung. Ganz richtig argumentiert die Kasse hier allerdings nicht – schließlich geht es den Koalitionären nicht um ein Verbot des gesamten Versandhandels, sondern „nur“ um ein Verbot des Rx-Versandes.

Im vergangenen Jahr hatte die AOK Baden-Württemberg sich nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung für eine Art Verivox-Preisportal für Apotheken ausgesprochen: Die Rx-Preisbindung solle aufgelöst werden, anschließend sollten die (Versand-)apotheken ihre Preise in einem Portal veröffentlichen und somit vergleichbar machen - der Kunde solle dann die Apotheke aussuchen können, erklärte die Kasse damals.

Kassen argumentieren unsauber

Hermann wünscht sich grundsätzlich eine stärkere Position für die Krankenkassen. Wörtlich fordert er: „Eine regionale, eigenverantwortliche Versorgungssteuerung der Krankenkassen muss langfristig die zentrale Steuerung ersetzen.“ Und so fällt Hermanns Gesamtfazit zum Koalitionsvertrag relativ ernüchternd aus: „Dringend angemahnte Impulse für eine stärkere wettbewerbliche Orientierung der Gesundheitspolitik fehlen auch zum Start der neuen großen Koalition. Aber erste Maßnahmen geben Hoffnung, dass weitere nachhaltige Schritte, hin zu mehr Qualitäts- und Leistungswettbewerb, folgen. Dafür wird sich die AOK Baden-Württemberg weiter einsetzen, denn auch in Zukunft muss der Fokus auf der Wahlfreiheit aller Beteiligten und der Qualität der Versorgung liegen.“

Schon am Tag nach Bekanntwerden des Koalitionsvertrages hatten sowohl der GKV-Spitzenverband als auch der AOK-Bundesverband Statements zum geplanten Rx-Versandverbot abgegeben. Der GKV-Spitzenverband hatte erklärt, dass der Versandhandel aus seiner Sicht bereits heute eine wichtige Rolle in der Landversorgung spiele. Und:„Digitalisierung fördern zu wollen und zugleich den Versandhandel zu verbieten - wie soll das gehen?“ Auch hier fällt übrigens der gleiche Fehler auf: Von einem „Verbot des Versandhandels“ war nie die Rede.

Der AOK-Bundesverband machte diesen Fehler nicht, sprach sich allerdings ebenfalls gegen das Rx-Versandverbot aus. „Dass sich Union und SPD auf ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verständigt haben, passt nicht in die Zeit. Im Koalitionsvertrag wird prominent für eine ‚Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung‘ geworben und die Digitalisierung als ‚große Chance für unser Land und seine Menschen‘ beschrieben. Mit dem Verbot wird aber genau das Gegenteil betrieben. Gerade den Menschen im ländlichen Raum und chronisch kranken Patienten nimmt man damit eine zusätzliche Möglichkeit, sich ihre Arzneimittel zu beschaffen“, teilte ein Sprecher damals mit.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Ach na ja...

von Hubert Kaps am 06.03.2018 um 9:15 Uhr

...die müssen das so sehen. Haben sicher viel Zeit darauf verwendet, unterschriftsreife Sonderverträge mit ausl. Versendern aufzusetzen.
Wird hoffentlich erst mal nichts.

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Digitalisierung-ich kann es nicht mehr hören

von Heiko Zimny am 06.03.2018 um 0:27 Uhr

Bekomme Rezept vom Arzt, steck es gleich in ein Kuvert. Augen zu und Kuvert abschlecken! Schmeckt wie immer eklig. Fahr im Auto zum nächsten Briefkasten. Hab wenigstens eine Euro--5-Plakete und immer noch den schei....Geschmack auf der Zunge. Briefkasten wird leider erst morgen geleert. Brief ist eingeschmissen und auf dem Weg ins europäische Ausland. Nur noch zwei Tage oder auch länger bis zur Lieferung. Brief kommt an, wird geöffnet, Rezept kommt raus und wird verarbeitet. Päckchen Arzneimittel kommt in einen Karton und wird verschlossen (Puh....zum Glück kein Ablecken, kein grausiger Geschmack). Auto kommt und holt Päckchen, bringt es durch halb Deutschland zu mir.......sind 3 Tage geworden, aber es ist jetzt da. Mache Päckchen auf. Da ist eine Arzneimittelpackung drin. Ich nehm sie raus. Wow....war jetzt alles total digital. Ich bin jetzt richtig modern. Ein bisschen ist es wie damals bei "Quelle", jetzt heißt es halt irgendwas mit digital. Echt brutal geil diese Digitalisierung. Verrückt! Hab erst gedacht Digitalisierung hätte was mit Computern zu tun. Zum Glück nicht. Bin jetzt endlich im Digitalen Zeitalter angekommen.

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Dann aber auch mehr globalen Wettbewerb bei den Kassen!

von Hummelmann am 05.03.2018 um 19:37 Uhr

Ich bin im Gegenzug dafür, dass auch Krankenkassen aus dem nichteuropäischen Ausland via Internet den Versicherten zur Auswahl stehen. Digitalisierung pur in einer globalen Welt. Weg mit den alten Zöpfen bei der AOK. Die Apotheker rechnen ihre Rezepte einfach gegen Bargeld mit dem Kunden ab. Der Kunde reicht dann sein Rezept bei einer internationalen Krankenkasse seiner Wahl online und rein digital via APP ein und bekommt sein Geld binnen weniger Minuten auf dem eigenen Konto gut geschrieben. Auf diese Weise ist das Geld früher auf dem Konto, als der Apotheker es mit dem EC-Terminal abbuchen kann. Niemand muss in Vorleistung gehen.
Wozu brauchen wir noch AOK-Niederlassungen vor Ort in einer digitalen Welt? Mehr Wettbewerb bei den Krankenkassen bei den Leistungen und bei den üppigen Gehältern der dort Beschäftigten, das wäre doch auch ganz im Sinne der Versicherten. Oder etwa nicht Herr Hermann?
Machen Sie doch mal eine Umfrage bei Ihren Versicherten: Wer verzichtet lieber auf die AOK-Geschäftstelle vor Ort als auf seine Stamm-Apotheke?
Wie wäre es denn, wenn Sie Ihre Ideen erst mal im eigenen Hause ausprobieren? In welcher Welt leben Sie denn?
Wann waren Sie das letzte Mal am Pflegebett eines schwerbehinderten, alten Menschen? Wurde der etwa DIGITAL von einem globalen Player versorgt? Die meisten dieser Patienten können ja nicht mal aus eigener Kraft dem Postboten die Türe öffnen. Wie sollen die denn auf einem Onlineportal Preise für Arzneimittel recherchieren? Bei solchen Statements beschleicht mich das Gefühl, dass die Führungsriege unserer wichtigsten Geschäftspartner in regelmäßigen Abständen und von unabhängiger Seite auf ihre Geschäfts- und Zurechnungsfähigkeit überprüft werden sollte.

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Dominanzstreben

von Reinhard Rodiger am 05.03.2018 um 19:31 Uhr

Vorweg: Die AOK ist die stärkste Kasse mit rd 40% Marktanteil bundesweit.Das Spiel mit den Regionalstrukturen verschleiert die wahre Dominanz.Absichtlich natürlich.Und niemand stellt das klar, dass regionale AOK zusammengehören.

Zur marktwirtschaftlichen Debatte gehört die Anerkennung der Tatsache ,dass ein Marktanteil von 40% erpresserische Dominanz gewinnt, wenn jede Handlung gegen dessen Forderung das eigene Todesurteil ist.Eine besonders freche
Herausforderung ist die Aussage:

"Eine regionale, eigenverantwortliche Versorgungssteuerung der Krankenkassen muss langfristig die zentrale Steuerung ersetzen.“

Die Krankenkassen (natürlich nur die vielen AOK) wollen dem Staat und den Leistungserbringern die Regie vollends abnehmen.Erweiterter Missbrauch der Marktmacht ist also das Ziel.Da ist natürlich jeder Versuch, das zu verhindern störend.

Mehr Wettbewerb zu wollen heisst doch vor dem Hintergrund der Marktanteilsdominanz nichts anderes als mehr Spielraum für die Ausübung der bewährten Erpressungspraktiken. Oder: Wer möchte einen Auftrag zu unseren Bedingungen.Mit dem Rx-Versandverbot geht der AOK natürlich ein wichtiger Hebel verloren.Das Steuerungsziel wird verfehlt.

Diese Zielsetzung müsste den staatlichen Organen eine Warnung sein, genauso wie die desaströse Ausübung der Marktmacht.Sie hat doch zB zur Konzentration der Herstellung von Grundsubstanzen/Arzneimitteln geführt.Abhängigkeit und Lieferprobleme sind die Folge.

All das reimt sich mit den Trendanalysen zur Bedeutung der Krankenkassen in der Digitalisierung.Da wird - unter Mitarbeit der AOK- daraufhin gewiesen, dass sich die Rolle der Versicherer zum Allrounddienstleister für Healthcare-customer
entwickeln muss.Das bedeutet wirklich Übernahme der Steuerung.Der Motor ist die Digitalisierung und die Verfügbarkeit über Daten.

So gesehen ist es doch erhellend, wenn-zumindest indirekt- diese Zielrichtung transparent gemacht wird.Hoffentlich sehen das die für diese Entwicklung Verantwortlichen.

Ein kleines Detail ist der Hinweis auf Verivox, also auf käufliche Rangfolgen.Das spricht für sich.

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Leicht unsauber ? völlig falsch

von Ratatosk am 05.03.2018 um 19:27 Uhr

Wer als AOK Funktionär im geschützen Beitragsstreichelzoo sitzt, ist der letzte der anderen etwas von Wettbewerb erzählen darf. Eine Kasse die sicher als erste aufgrund ihres gigantischen Personal und Immobilienbestandes bei einem Wettberwerb verschwinden würde. Nur für andere soll Wettbewerb gelten, nicht für Funktionäre. Flächendeckende sichere dezentrale Versorgung ist offensichtlich für die Ortskrankenkasse - welch ein Hohn für diese Bezeichnung ! , kein Thema. Ob unverantwortlicher Dreifachimpfstoff oder Geld für Krankenhaushygiene etc. , hauptsache die Funktionäre kommen gut raus. Deutschland in schäbig und verlogen !

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