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Betäubungsmittel
Substitution: Noch ein langer Weg zur optimalen Versorgung
Trotz der Neuerungen in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung gibt es in der Substitutionsbehandlung von Opiatabgängigen noch viele Baustellen. Darüber diskutierten am vergangenen Dienstag Bundestagsabgeordnete, Apotheker, Mediziner und KVen in Berlin. Auf der Veranstaltung, die Sanofi und eine Patientenstiftung organisierte, wurde unter anderem die Flexibilisierung der Behandlung grundsätzlich begrüßt. Entwicklungsfelder sahen die Diskutanten jedoch bei der Nachwuchsförderung, Bürokratieabbau und Vergütung der Leistungsträger.
Die Reform der Betäubungsmittelverschreibungs-Verordnung (BtMVV), die im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, stand im Mittelpunkt eines Parlamentarischen Abends am vergangenen Dienstag in Berlin. Organisiert wurde diese interdisziplinäre Diskussionsrunde von dem Unternehmen Sanofi und der deutschen Stiftung für chronisch Kranke.
Von politischer Seite waren die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) und die drogenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen dabei: Dirk Heidenblut (SPD), Wieland Schinnenburg (FDP), Niema Movassat (Linke) und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne). Aus dem Versorgungsalltag sprachen unter anderem Apotheker, Mediziner, sowie Vertreter verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen. Die Bundesärztekammer vertrat das Vorstandsmitglied und Präsident der Landesärztekammer Sachsen Erik Bodendieck.
Status Quo der Betäubungsmittelreform
Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler bezeichnete die BtMVV-Reform als „Apfelbaum, den der Bund gepflanzt hat“. Aus ihrer Sicht solle die „Ernte nicht an der Vergütung“ der Leistungsträger scheitern. Sie kündigte an, die Entwicklungsfelder der Reform unmittelbar an den neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu adressieren.
Erik Bodendieck umriss im Folgenden zunächst die Eckpunkte der Betäubungsmittelreform. Er begrüßte, dass durch die Reform die subsituierenden Ärzte endlich mehr Rechtssicherheit hätten. Als weitere zentrale Aspekte nannte er den Wandel des Therapieziels von der absoluten Opioid-Abstinenz zu einer optionalen sowie insgesamt eine Flexibilisierung der Behandlung.
In der nachfolgenden Diskussion kam klar heraus, dass die Reform für die Substitutionsbehandlung zwar eine dringend notwendige Verbesserung sei. Doch der Weg zu einer optimalen Versorgung sei noch mit vielen Baustellen gepflastert. So seien insgesamt viel zu wenige Mediziner bereit, eine Substitutionsbehandlung zu praktizieren und der größte Anteil davon ginge demnächst in Ruhestand. Aufgrund des hohen Bürokratieaufwands und der unzureichenden Vergütung sei die Substitutionsbehandlung für Nachwuchs-Mediziner wenig attraktiv.
Man muss übers Geld reden
Dadurch entstünde eine erschreckend schlechte Versorgungssituation. Den Aspekt der mangelnden Bereitschaft zur Durchführung der Substitutionstherapie wurde auch den Apothekern vorgeworfen. So falle die Abgabe einer „take-home“ - Verschreibung unter den Kontrahierungszwang, dennoch würden sich einige Apotheken weigern, beklagte ein Mediziner am vergangenen Dienstag in Berlin. Dieser räumte jedoch ein, dass bedauerlicherweise in vielen Bundesländern die Apotheken nicht für die Sichtabgabe honoriert werden würden. Es erstaune ihn, dass sich die ABDA diesbezüglich nicht wahrnehmbar engagiert hätte. „Man muss miteinander reden, auch über Geld“, adressierte er an die anwesenden Politiker.
Die Wortmeldungen der Apotheker griffen die Thematik der heterogen geregelten Honorierung auf. So beklagte Apotheker Heinrich Ferdinand Queckenberg aus Westfalen-Lippe, dass im Gegensatz zu Baden-Württemberg in seinem Bundesland die Sichtabgabe nicht honoriert werde, was sich verständlicherweise dort auf die Motivation der Apotheker auswirke. „Ich sehe es als meine Rolle, Apotheker zu motivieren. Wir machen das gerne, aber das sollte vergütet werden“, erklärte der Pharmazeut.
Eine Apothekerkollegin wies auf den erheblichen Dokumentationsaufwand in der Apotheke im Rahmen der Methadonabgabe an Abhängige hin. „Mein Mitleid mit den Ärzten bezüglich Bürokratie ist begrenzt. Apotheken haben da den größeren Aufwand“, betonte sie.
Botschaften überwiegend angekommen
In der Schlussrunde transportierten die anwesenden
Bundestagsabgeordneten, dass die Botschaften der Leistungsträger überwiegend
angekommen seien. In den abschließenden Statements bestand ein Konsens darüber,
dass die Nachwuchsförderung, die Entbürokratisierung sowie eine bessere Vergütung
der Substitutionsärzte vorangebracht werden sollten. Auch war es für die
drogenpolitischen Sprecher schlüssig, dass die Apotheken für ihre
Dienstleistungen im Rahmen der Substitutionstherapie honoriert
werden müssten. Über die Höhe einer solchen Apothekenvergütung wurde aber nicht gesprochen.
Die Flexibilisierung in der Substitutionsbehandlung wurde grundsätzlich positiv gesehen, jedoch gab es dabei Nuancen bezüglich einzelner Aspekte. Beispielsweise ist für Niema Movassat (Linke) die Ausweitung der take-home-Verordnungen auf 30 Tage ein Schritt in die richtige Richtung, der aus seiner Sicht noch größer hätte ausfallen können. Die Rolle des öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Substitutionstherapie bewerteten die Parteien unterschiedlich. So zeigten sich die Vertreter von SPD und FDP im Gegensatz zu den beiden anderen drogenpolitischen Sprechern skeptisch, dass dort auch Opiate abgegeben werden sollten.
Darüber hinaus nahmen Schinnenburg, Movassat und Kappert-Gonther die Substitutions-Diskussion zum Anlass, einen grundsätzlichen Dogmenwechsel in der bisherigen Drogenpolitik zu propagieren. Für den SPD-Bundesabgeordneten Dirk Heidenblut jedoch sollte der Aspekt der Substitutionsbehandlung von der allgemeinen Drogenpolitik abgekoppelt werden.
Die Debatte hätte an dieser Stelle noch deutlich kontroverser sein können, denn die Union und AfD sind für eine konservative Drogenpolitik bekannt. Da Frau Mortler die Veranstaltung vorzeitig verließ, war keine der beiden Parteien in der Abschlussdiskussion vertreten.
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