Impfstoffvereinbarung im Nordosten

Kinderärzte: Kassen und Apotheker ignorieren das Gesetz

Berlin - 27.03.2018, 13:30 Uhr

Nicht nur die Hersteller halten wenig von der Grippeimpfstoffvereinbarung zwischen Kassen und Apothekerverbänden im Nordosten. (Foto: imago / Christian Ohde)

Nicht nur die Hersteller halten wenig von der Grippeimpfstoffvereinbarung zwischen Kassen und Apothekerverbänden im Nordosten. (Foto: imago / Christian Ohde)


Die Grippeimpfstoffvereinbarung zwischen Kassen und Apothekerverbänden im Nordosten der Republik steht weiter in der Kritik. Nun fürchten auch die Kinder- und Jugendärzte um die Versorgungssicherheit. Das Bundesgesundheitsministerium verweist darauf, dass das Vertragsmodell vergaberechtlich überprüft ist. Dennoch werde es die Entwicklung weiter verfolgen.

Die AOK Nordost hat federführend für alle gesetzlichen Kassen der Region mit den Landesapothekerverbänden von Berlin, Brandenburg und Mecklenburg eine Grippeimpfstoff-Vereinbarung für die kommende Saison 2018/2019 abgeschlossen. Diese sieht für die Apotheken eine Vergütung von 10,95 Euro pro Dosis eines tetravalenten Impfstoffs vor – vorausgesetzt, der Arzt verordnet generisch. Der Arzt kann aber auch namentlich verordnen. Dann muss  jedoch eine Genehmigung der Kasse eingeholt werden. 

Vor allem der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat massive Kritik gegen die Vereinbarung erhoben. Denn de facto werde es durch eine weitere Rahmenvereinbarung zwischen einer Tochterfirma des Berliner Apotheker-Vereins und dem Hersteller Mylan wieder nur einen Anbieter geben, der die Versorgung übernimmt. Damit werde bestehendes Recht umgangen – schließlich habe der Gesetzgeber erst im vergangenen Jahr die exklusiven Rabattverträge für Impfstoffe abgeschafft. Zudem: Der Mylan-Impfstoff – Influvac Tetra –, der in der kommenden Saison erstmal auf den deutschen Markt kommt, kann erst ab dem 18. Lebensjahr verwendet werden. Andere Hersteller von Vierfach-Grippeimpfstoffen wollten sich nicht auf einen Rahmenvertrag zu diesen Bedingungen einlassen.

BVKJ: Gesonderte Anträge kaum zu bewältigen

Nun befürchtet auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), dass mit der Vereinbarung, die Versorgungssicherheit gefährdet wird. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es bei Produktionsausfällen oder höherer Nachfrage plötzlich zu Lieferengpässen kommen kann, wenn kein anderer Lieferant einspringen kann“, heißt es in einer Pressemeldung des BVKJ. Die Politik habe es den gesetzlichen Kassen daher ausdrücklich per Gesetz verwehrt, mit Impfstoff-Herstellern exklusive Rabattverträge abzuschließen. „Wir finden es unglaublich, dass die Kassen und Apothekerverbände das Gesetz ignorieren und sich damit herausreden, Ärzte könnten weiterhin Grippeimpfstoffe aller am Markt befindlichen Hersteller verordnen“, so der Verband. „Solche Verordnungen müssen bei den Kassen eigens beantragt werden – ein nicht zu bewältigender Aufwand, wenn das Wartezimmer voller kranker Patienten sitzt“. Außerdem sei fraglich, ob auf die theoretische Chance hin, dass vielleicht auch ein paar teurere Impfstoffe geordert würden, Mitbewerber von Mylan in eine derart aufwändige Produktion gehen. Der BVKJ betont: „Für uns zählt das Wohl unserer Patienten mehr als eine marginale Kostenersparnis bei den Impfstoffen. Daher fordern wir die Kassen auf, bei dem Grippeimpfstoff für Erwachsene nicht auf einen einzelnen Hersteller zu vertrauen.“

Nachprüfungsanträge laufen, BMG wachsam

Vergangene Woche hat sich die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, bereits hellhörig für das Problem gezeigt. Das Vorgehen sei zwar legal, umgehe aber den Beschluss, Rabattverträge zu verbieten.

Das Bundesgesundheitsministerium verfolgt die Entwicklung ebenfalls. Auf Nachfrage verweist eine Sprecherin darauf, dass die Erstattungspreisvereinbarung zwischen AOK Nordost und den Apothekerverbänden auf § 129 Absatz 5 SGB V beruht. Daneben stehe es Apothekerverbänden frei, günstige Einkaufskonditionen mit einzelnen Herstellern zu vereinbaren. Das Vertragsmodell sei 2011 vom Bundeskartellamt und dem Oberlandesgericht Düsseldorf vergaberechtlich geprüft und für zulässig befunden worden. Der Sprecherin zufolge ist aber auch der neue Vertrag bereits eine Sache für das Bundeskartellamt geworden: Ein konkurrierender Impfstoffhersteller habe ein Nachprüfungsverfahren beantragt. Zudem sei von einem Wettbewerber Klage am Sozialgericht Frankfurt eingereicht worden. Abschließend erklärt die Sprecherin: „Für das Bundesministerium für Gesundheit hat die Versorgungssicherheit einen hohen Stellenwert und es wird die Entwicklung weiter verfolgen.“  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Nur billig zählt eben !

von Ratatosk am 27.03.2018 um 18:34 Uhr

Allerdings sollte man die Kirche beim Dorf lassen, da man wohl als Praxis für 70 % einen Vierfachimpfstoff aussuchen und anmelden kann, die Apotheken müssen für jedes mittlere Hilfsmittel schon umfangreiche Stunts liefern ! Wenn die Kassen dann auf Risiko von Toten abblocken, kann die Verwaltung ja mal zeigen, daß es tatsächlich eine Aufsicht gibt, bisher ist dies bei solchen, die Kassen wollens um jeden Preis billig Angelegenheiten, eher wie ein Mythos erschienen, eine kompetente Aufsicht war nie zu erkennen.
Eher kommen dann wieder die unvermeidlichen zwei Experte und sagen , es hilft eh nicht, oder es gäbe ja noch so viele Reserven zu heben.

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